Bewölkter Himmel, holpriger Rasen wie meist auf dem Brügglifeld und ein formstarker FCZ, der bereits früh in Führung liegt. Es hätte ein Spiel sein können, ja, sollen, über welches schon heute keiner mehr spricht.
Doch Aaraus Sandro Wieser macht sich mit einer unüberlegten Aktion selbst zum Hauptdarsteller eines wohl noch lange anhaltenden Theaters. Es läuft die 19. Spielminute, als der Liechtensteiner seine Stollen mit gestrecktem Bein ins Knie von Gegenspieler Gilles Yapi rammt.
Der Zürcher bleibt liegen und wird anschliessend mit der Bahre vom Feld getragen. Die Seiten- und Kreuzbänder seien wahrscheinlich gerissen, der Meniskus erlitt ebenfalls einen Schaden, sagte FCZ-Trainer Urs Meier heute im Tages-Anzeiger.
Die Rote Karte des österreichischen Schiedsrichters Rene Eisner folgt nach dem Foulspiel sofort. Sie ist lediglich ein kleiner Vorgeschmack auf die Strafe, welche Sandro Wieser noch erwartet. Die Disziplinarkommission des Fussballverbandes wird in den nächsten drei Tagen eine erste Entscheidung betreffend dem groben Foulspiel treffen.
Ohne Anhörung des Spielers kann Disziplinarrichter Urs Studer Wieser für maximal vier Spiele sperren und eine Busse von bis zu 2000 Franken anordnen. Hier reicht eine solche Sperre jedoch keinesfalls, der Fall muss an die Disziplinarkommission weitergereicht werden.
«Fussball ist ein Männersport, Härte gehört dazu.» Dieser oft zitierte Gedanke ist zwar richtig, aber auch trügerisch. Spieler sollen Gras fressen, grätschen und kämpfen. Es ist ein schmaler Grat zwischen vollem Einsatz und einem überharten Foul, Sandro Wieser hat diesen Grat gestern definitiv überschritten.
Was nun? Nach groben Fouls mit verletzten Spielern werden jeweils Stimmen laut, man solle den Täter so lange sperren, wie der verletzte Spieler ausfällt. Das ist natürlich absoluter Quatsch. Die Härte des Fouls ist schliesslich nicht in direkter Relation zur Schwere der Verletzung.
Vielmehr muss die Disziplinarkommission ein Exempel statuieren und Sandro Wieser eine Sperre von mindestens zehn Spielen aufbrummen. Der Liechtensteiner hat die schwere Verletzung des Gegenspielers in Kauf genommen – dafür muss er für etwas mehr als einen Viertel der Saison gesperrt werden. In der Realität dürfen wir wohl mit sechs bis acht Spielsperren rechnen.
Der Präsident des FC Zürich, Ancillo Canepa, drohte Wieser nach dem Spiel gar mit einer Strafanzeige. «Solche Rambos müssen endlich zur Verantwortung gezogen werden. Das ist die einzige Sprache, die sie verstehen», erklärte Canepa. Die Reaktion des FCZ-Präsidenten ist nachvollziehbar, immerhin fällt mit Yapi der beste FCZ-Spieler aus der Hinrunde wahrscheinlich für den Rest der Saison aus.
Trotzdem sollte Sandro Wieser nicht als Mann in Erinnerung bleiben, der Gilles Yapis Knie zerstört hat, wie 1985 Gabet Chapuisat nach dem Horrorfoul an Lucien Favre. Damals zog Favre gegen Chapuisat vor ein Zivilgericht. Dieses beschloss nach einer sechsstündigen Verhandlung, Chapuisat mit 5000 Franken zu büssen. Dazu entliess ihn Vevey-Sports fristlos.
Ein solches Szenario wäre bei Sandro Wieser überrissen – soweit dürfte es sowieso nicht kommen. Zumindest FC-Aarau-Präsident Alfred Schmid gibt seinem Schützling Rückendeckung: «Wieser ist weder ein Rowdie noch ein Brutalo und schon gar kein Kung-Fu-Kämpfer. Im Gegenteil: Er hat den Ruf, ein eher zu lieber Spieler zu sein. In diesem Fall hatte er einen Aussetzer.»
Die nachträgliche Entschuldigung von Sandro Wieser wirkt reumütig und aufrichtig. «Bei dieser Aktion war null Absicht dahinter, ich fühle mich schlecht und sehr leer. Es tut mir leid für Yapi, ich kenne ihn sehr gut», lässt sich der 21-Jährige in der Aargauer Zeitung zitieren.
Trotzdem darf die Entschuldigung, so ehrlich sie auch sein mag, nur bedingt eine strafmildernde Wirkung haben. Dafür war das Foul zu brutal und vor allem zu fahrlässig. Zudem wird Yapis Knie von der Entschuldigung auch nicht wieder gesund. Absicht darf Wieser nicht unterstellt werden, dass man auf diese Weise nicht in einen Zweikampf geht, weiss der 20-fache liechtensteinische Internationale aber ganz genau.
Mit einer harten Strafe sollte es dann aber auch gut und das Thema abgeschlossen sein. Sandro Wieser ist 21 Jahre alt, hat eine schlechte Entscheidung getroffen, zeigt sich reumütig und sollte dafür bestraft werden. Er darf deswegen nicht öffentlich an den Pranger gestellt werden.