Der Boulevard Léon M’ba führt quer durch Port-Gentil. Auf der einen Seite wohnen die Total-Angestellten, die Büros des Öl-Giganten stehen hier und auch der einzige Supermarkt bietet seine Waren «europäisch geordnet» in langen Gestellen an. Auf der anderen Seite der Strasse ist das Grand Village, das «afrikanische Viertel».
Gefährlich ist es da tagsüber nicht. Ich will mir das Ganze vor den Afrika-Cup-Spielen im Stadion darum anschauen. Kaum bin ich unterwegs dorthin, spricht mich Richie an. Ein Gabuner, der eigentlich auf dem Weg zum Hafen ist. Wir plaudern kurz, dann sagt er: «Ich zeig' dir das Grand Village. So spazieren wir los. Bald überqueren wir die ‹Grenze›, den Boulevard Léon M'ba.»
Die Läden verkaufen hier von Waschmaschinen bis Babykram und Teigwaren alles in ihrer Auslage. Bald erreichen wir den Gemüsemarkt, daneben riecht man den Fischmarkt. Es herrscht ein heilloses Chaos und Stimmengewirr. Musik dröhnt aus einigen Hüttchen.
Richie zeigt mir die lokale Spezialität an einem Essensstand an der Strasse. Für 50 Rappen kaufen wir sechs Stück des Gebäcks. Weiter geht es bei einem Cousin Richies, der uns in seinem bescheidenen Restaurant Wasser anbietet. Denn wie praktisch jeden Tag ist es drückend heiss, der Schweiss läuft nur so an mir runter.
Richie gefällt meine Gabun-Mütze. Also versuchen wir eine solche für ihn zu finden. Wir schlendern durch den Kleidermarkt. Und biegen in eine Seitenstrasse ab. Hier ist die Armut jetzt deutlicher zu sehen. Die Strasse ist ungeteert, die Stände wirken ärmlicher.
T-Shirts gibt es hier für 50 Rappen zu kaufen, Jeans für 1.80 Franken. Oft dürften es Klamotten aus einer Kleidersammlung sein. Wir sind nur wenige Meter vom reicheren Viertel entfernt, doch scheinen meilenweit in eine Parallelwelt abgetaucht zu sein.
Vorbei an einem «Beautysalon» – erkennbar an den farbigen Nagellack-Fläschchen auf dem Sims – und der Bar Chez Benito finden wir nach langem Suchen endlich einen Cap-Händler, der keine Mondpreise verlangt.
Denn bei den ersten Versuchen stand ich immer mit daneben, als Richie nach dem Preis fragte. Jetzt sagt er mir, ich solle hinter der Ecke warten – und schon sinkt der Preis auf ein vernünftiges Niveau.
Richie freut sich endlos über die Mütze. Es ist immer wieder faszinierend, mit wie wenig die Leute hier zufrieden sind. Er lässt mich nicht gehen, ehe wir ein Selfie zusammen mit seinem neuen Besitz geschossen haben. Dann gehe ich zurück über den Boulevard Léon M’ba und verlasse die Parallelwelt wieder. Oder vermutlich tauche ich erst jetzt in sie ein.