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Viele Fehlpässe, dafür Fahrrad-Parkplätze – warum das Paderborn-Märchen überhaupt keinen Sinn ergibt

Aufsteiger Paderborn grüsst von der Tabellenspitze. Nach dem 2:0-Erfolg gegen Hannover gibt es mit den Fans den «Humba-Täterä-Tanz».
Aufsteiger Paderborn grüsst von der Tabellenspitze. Nach dem 2:0-Erfolg gegen Hannover gibt es mit den Fans den «Humba-Täterä-Tanz».Bild: Bongarts
Es geht auch ohne Kohle

Viele Fehlpässe, dafür Fahrrad-Parkplätze – warum das Paderborn-Märchen überhaupt keinen Sinn ergibt

Xherdan Shaqiri ist fast so teuer wie die ganze Paderborn-Mannschaft zusammen, die Spielstatistiken sind katastrophal und trotzdem liegt der Aufsteiger auf dem ersten Platz der Bundesliga. Sinn ergibt das überhaupt nicht, Klasse ist es alleweil.
22.09.2014, 13:2422.09.2014, 20:44
Corsin Manser
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Seit Sonntagabend ist es klar: Der Aufsteiger SC Paderborn 07 belegt nach dem vierten Spieltag den ersten Platz der Bundesliga.

Paderborn Erster, Stuttgart, Hamburg und Schalke am Tabellenende. Das kann doch eigentlich gar nicht wahr sein. Moritz Stoppelkamp, der am Samstag mit einem Schuss aus 83 Metern wohl bereits das Tor des Jahres erzielt hat, behauptet sinnbildlich zum ganzen Paderborn-Märchen: «Ich wusste gar nicht, dass ich so weit schiessen konnte». 

Irgendwie scheint momentan in Paderborn alles wie ein schöner Traum, welcher bar jeder Logik ist. Denn logisch ist beim Paderborn-Siegeszug wirklich gar nichts. Eigentlich macht alles gar keinen Sinn. Überlegen gespielt haben die Jungs von André Breitenreiter nämlich keineswegs und die Kleinsten der Liga sind sie sowieso.

Wir präsentieren Ihnen fünf Fakten, weshalb der SC Paderborn nie und nimmer an der Tabellenspitze stehen dürfte und wir es genau deswegen so unglaublich Klasse finden.

1. Ballbesitz

Der SC Paderborn hatte in seinen vier Saisonspielen jedes Mal weniger Ballbesitz als der Gegner. Gegen Köln, Mainz und Hannover zirkulierte der Ball lediglich zwischen 42 und 45 Prozent in den Reihen der Ostwestfalen, beim 3:0-Auswärts-Coup in Hamburg war die Breitenreiter-Truppe gar nur zu 37 Prozent in Ballbesitz. Und trotzdem ist Paderborn Tabellenführer der Bundesliga.

Behrami und seine Teamkollegen waren gegen Paderborn zu 63 Prozent in Ballbesitz, wurden aber mit 0:3 vom Platz gefegt.
Behrami und seine Teamkollegen waren gegen Paderborn zu 63 Prozent in Ballbesitz, wurden aber mit 0:3 vom Platz gefegt.Bild: Valeria Witters/freshfocus

2. Fehlpässe

Der SC Paderborn beging in jedem Spiel mehr Fehlpässe als der Gegner. Beim 0:0 gegen den FC Köln verirrte sich jeder vierte Ball (24,61 Prozent) auf dem Weg zum Mitspieler. 

Sie mögen sagen, das können sogar die D-Junioren des FC Wetzikon besser, aber beim 3:0-Sensations-Triumph in Hamburg betrug die Fehlpass-Quote des SC Paderborn sogar ganze 33 Prozent. Das heisst, jeder dritte Pass landete entweder im Out, beim Gegner oder in den Rängen der arg gebeutelten HSV-Fans. Und trotzdem ist Paderborn Tabellenführer der Bundesliga.

Eigentlich reihen die Jungs vom SC Paderborn Fehlpass an Fehlpass. Erfolgreich sind sie trotzdem.
Eigentlich reihen die Jungs vom SC Paderborn Fehlpass an Fehlpass. Erfolgreich sind sie trotzdem.Bild: DPA

3. Angekommene Pässe

Man könnte jetzt argumentieren, dass dort, wo gearbeitet wird, auch Fehler passieren können. Will heissen: Wenn man enorm viele Pässe spielt, kommen eben auch Fehler vor. 

Dieses Argument ist aber weit gefehlt. Denn auch in der Sparte «Angekommene Pässe» waren die Jungs von André Breitenreiter jedes Mal die deutlich schlechtere Mannschaft.

Zuletzt gegen Hannover schafften es die Paderborner nur 183 Mal, die Kugel zum Mitspieler zu schieben, während die Niedersachsen 319 erfolgreiche Zuspiele verzeichneten. Gegen Hamburg war diese Statistik gar noch schlechter, um nicht zu sagen katastrophal.

Während die Spieler des HSV 418 erfolgreiche Pässe spielten, kamen beim SC Paderborn lediglich 145 Zuspiele an. Nur alle 42 Sekunden ein Pass; bei Bayern München würden zur Strafe 100 Stunden lang Xavi- und Iniesta-Best-of-Filme vorgeführt werden. Und trotzdem ist Paderborn Tabellenführer der Bundesliga.

4. Fans

Der SC Paderborn absolvierte in der laufenden Saison drei Heimspiele. Insgesamt pilgerten rund 45'000 Zuschauer in die schmucke Benteler-Arena. Der Zuschauerschnitt ist somit gut fünf Mal kleiner als jener von Borussia Dortmund. Der SC Freiburg, welcher den zweitkleinsten Zuschauerschnitt vorweist, darf immerhin auf 23'800 Supporter pro Match zählen. 

Die Benteler-Arena hat 15'000 Plätze. Nur 5800 davon sind mit einem Sitz ausgestattet, der Rest sind Stehplätze. 
Die Benteler-Arena hat 15'000 Plätze. Nur 5800 davon sind mit einem Sitz ausgestattet, der Rest sind Stehplätze. Bild:bundesliga.de

Auch auf Twitter werden bei Paderborn kleinere Brötchen gebacken. Gestern wurde der 15'000. Follower gefeiert. Zum Vergleich: Dem BVB folgen mittlerweile rund 1,27 Millionen Twitter-User. Und trotzdem ist Paderborn Tabellenführer der Bundesliga.

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5. Marktwert

Wertvollster Spieler des Aufsteigers ist laut transfermarkt.ch Rafa Goméz. Der Marktwert des spanischen Neuzuzugs wird auf 2,5 Millionen Euro beziffert. Gespielt hat der Spanier allerdings noch keine Sekunde. 

Moritz Stoppelkamp, der mit seinem 83-Meter-Tor gegen Hannover bereits Bundesliga-Geschichte geschrieben hat, ist somit der wertvollste Spieler, welcher momentan regelmässig in der Paderborn-Startelf figuriert. Der Mann der Stunde hat im Moment einen Wert von 1,5 Millionen Euro. Rund 33 Mal weniger als Liga-Krösus Marco Reus (ca. 50 Millionen Euro).

Der Gesamtwert der Paderborn-Truppe beträgt rund 22 Millionen Euro. Nur zwei Millionen mehr als Shaqiri alleine (circa 20 Millionen).
Der Gesamtwert der Paderborn-Truppe beträgt rund 22 Millionen Euro. Nur zwei Millionen mehr als Shaqiri alleine (circa 20 Millionen).Bild: Bongarts

Der Gesamtwert der Paderborn-Mannschaft beträgt geschätzte 22 Millionen Euro. Damit belegt der Tabellenführer mit Abstand den letzten Platz der Marktwert-Tabelle. Auf dem vorletzten Platz rangiert der FC Köln mit einem Team-Wert von rund 41 Millionen Euro.

Die Truppe von Bundesliga-Gigant Bayern München hat gar einen Marktwert von 564 Millionen. Pep Guardiola kann also mit einem Team arbeiten, das rund 25 Mal wertvoller ist wie jenes von André Breitenreiter.

Wenn der Paderborn-Coach am Dienstag nach München reist, wird er sich vorkommen, als würde er am Oktoberfest mit einem Prix-Garantie-Bier ins Augustiner-Festzelt einmarschieren. Und trotzdem ist Paderborn Tabellenführer der Bundesliga.

Und doch die Nummer 1

In einem allerdings sind die Paderborner einsame Spitze: Vor der Benteler-Arena befinden sich 2000 Fahrrad-Parkplätze. Das ist europaweit einmalig. Sportlich sind also nicht nur die Fussballprofis, sondern auch die Fans. Umwelt und Nachbarschaft werden respektiert. Verkehrschaos und Huperei bleiben aus. Und Abendspiele sind in der Provinz verboten.

Der echte Paderborn-Fan kommt mit dem Fahrrad ans Spiel.
Der echte Paderborn-Fan kommt mit dem Fahrrad ans Spiel.Bild: KAI PFAFFENBACH/REUTERS
«Wir haben eine geile Truppe, ein geiles Trainerteam und ein geiles Umfeld.»
André Breitenreiter nach dem total verrückten Saisonstart. Da können wir ihm nur beipflichten

Auch wenn es nur eine Momentaufnahme ist: Paderborn beweist, dass es auch ohne grosses Geld und durchkalkuliertes Ballbesitz-Spiel geht. Alles, was es es für den Erfolg braucht, ist «eine geile Truppe, ein geiles Trainerteam und ein geiles Umfeld». Da sind wir mit Coach Breitenreiter total einig. Und genau deswegen ist Paderborn Tabellenführer der Bundesliga.

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