Vor drei Jahren kam Alessandro Nicola ums Leben. Der 14-Jährige war mit dem Velo unterwegs, als er angefahren und tödlich verletzt wurde. Alessandro war der Sohn von Davide Nicola, dem Trainer des FC Crotone.
Dieser gab einige Wochen vor dem Ende der letzten Saison ein Versprechen ab: Sollte der abgeschlagene Letzte der Serie A entgegen aller Prognosen doch noch die Klasse halten, würde er mit dem Velo von dort bis nach Turin fahren.
Crotone schaffte das Wunder am letzten Spieltag. Der Aussenseiter spielt auch in der nächsten Saison in der Serie A.
Also pumpte Davide Nicola Luft in die Pneus seines Rennvelos, zog den Riemen des Helms an und strampelte los. Sein ganz persönlicher Giro d'Italia führte ihn von Crotone der Adria entlang bis nach Ancona und danach von Livorno in die Lombardei bis nach Turin.
Bevor er den langen Weg unter die Räder nahm, veröffentlichte Nicola einen offenen Brief an seinen verstorbenen Sohn. Er sorgte in Italien für viel Aufsehen und eine grosse Anteilnahme.
«Ich weiss nicht, wo du bist und ich weiss nicht, was du machst», begann der 44-Jährige sein Schreiben. «Ich habe realisiert, dass du immer bei mir bist. Du hast mir die Kraft gegeben, diesen scheinbar unmöglichen Kampf aufzunehmen», so Nicola über den Abstiegskampf.
Und weiter: «Ale, das ist nicht mein Erfolg, es ist unserer. So wie es damals unser gemeinsamer war, als wir mit Livorno in die Serie A aufstiegen. Ich hätte so gerne wieder mit dir gemeinsam gefeiert, um dir in die Augen zu sehen, um dein strahlendes Lachen zu sehen, um dich an der Hand zu nehmen und mit dir jubelnd durchs Stadion zu rennen.»
So wurde Davide Nicolas Giro zu viel mehr als bloss dem Einlösen einer Wette. Die Fahrt wurde zu einer, welche die italienische Bevölkerung auf die Gefahren des Strassenverkehrs sensibilisieren sollte. Das Land trauerte unlängst auch um den populären Radprofi Michele Scarponi, der im Training von einem Lastwagen erfasst und getötet wurde.
Seine Etappen führten den Fussballtrainer an Orte, an denen er früher tätig war: Bari, Pescara, Ancona oder Genua.
«Ich habe gerne dort gelebt und gearbeitet. Für mich ist das eine Möglichkeit, alte Bekannte wieder zu sehen», sagte er vor dem Start der rund 1300 Kilometer langen Tour am 9. Juni.
Gestern Sonntag, bloss zehn Tage später, kam Nicola schon am Ziel an: in seinem Heimatort Vigone in der Nähe von Turin. Eine «wundervolle Reise» sei es gewesen, berichtete er, der von seinem Schwager, einem Neffen und einem Assistenztrainer begleitet worden war. «Vielleicht fühle ich mich morgen ein bisschen müde. Aber das Wichtigste ist, dass ich mein Ziel erreicht habe.»
An schwierigen Aufgaben wird es Davide Nicola auch in Zukunft nicht mangeln. In zwei Monaten beginnt die neue Saison – und Crotone wird erneut als Abstiegskandidat gehandelt.