Seit Wochen machten in Dortmund Gerüchte um die Entlassung von Thomas Tuchel die Runde, nachdem das Zerwürfnis zwischen dem Trainer und dem Geschäftsführer Thomas Watzke öffentlich geworden war. Am Dienstag besiegelten die beiden das Ende der Zusammenarbeit in einer bloss rund 21 Minuten dauernden Sitzung mit Sportdirektor Michael Zorc. «Schade, dass es nicht weitergeht», twitterte danach Tuchel.
Ich bin dankbar für zwei schöne, ereignisreiche und aufregende Jahre. Schade, dass es nicht weitergeht.
— Thomas Tuchel (@TTuchelofficial) 30. Mai 2017
Danke an die Fans, an die Mannschaft, an den Staff und an alle, die uns unterstützt haben. Wünsche dem @BVB alles Gute. TT
— Thomas Tuchel (@TTuchelofficial) 30. Mai 2017
Entscheidende Wegmarke im Verhältnis zwischen Tuchel und seinen Vorgesetzten war die Bewältigung des Bomben-Attentats gegen den Mannschaftsbus der Borussia vor dem Champions-League-Spiel gegen Monaco vom 11. April. Tuchel goutierte die Neuansetzung der Partie für den Tag danach nicht, Watzke hatte sich in seinen Augen zu wenig für einen anderen Termin eingesetzt.
Borussia Dortmund und Thomas Tuchel gehen getrennte Wege https://t.co/76XrgBKaOQ pic.twitter.com/RxdIcTacUY
— POKALSIEGER 2017 🏆 (@BVB) 30. Mai 2017
Kurz darauf antwortete Watzke in einem Interview mit der Zeitung «Der Westen» auf die Frage, ob zwischen ihm und Tuchel ein Dissens sichtbar geworden sei: «Das ist so, ja.»
Seither taten sich bei der Borussia weitere Gräben auf. Zwischen Tuchel und Teilen der Mannschaft zum Beispiel. Aussagen von einzelnen Spielern deuteten auf ein zerrüttetes Verhältnis hin. Tuchel unternahm wenig, die Probleme zumindest zu kaschieren. Vor dem gewonnenen Cupfinal vom letzten Samstag gegen Eintracht Frankfurt eröffnete Tuchel ohne sportliche Not eine weitere, letzte Baustelle.
Er strich den Mittelfeldspieler Nuri Sahin, eine Borussia-Identifikationsfigur mit zuletzt mehr Einfluss neben als auf dem Platz, aus dem Kader. Captain Marcel Schmelzer kritisierte danach den Trainer deutlich: «Mich hat es sehr geschockt. Ich verstehe es einfach nicht.» Entscheidend war die Personalie Sahin in der «Causa Tuchel» mutmasslich aber nicht mehr. Die Daumen der Entscheidungsträger waren längst gesenkt.
Am Dienstagnachmittag meldet sich BVB-Boss Watzke in einem offenen Brief zu Wort. Dort erklärt er, dass er das Unverständnis und die Kritik verstehe, die Fans über der Trennung von Tuchel äussern. «Allerdings haben wir – Michael Zorc als Sportdirektor und ich – uns in dieser Zeit in der Zusammenarbeit mit dem Trainerteam auch aufgerieben», so Watzke. Es gehe bei Dortmund nicht nur um sportlichen Erfolg, sondern auch um Werte wie Vertrauen, Respekt, Verlässlichkeit und Loyalität. In der gegenwärtigen personellen Situation hätten sie keine Grundlage für eine erfolgreiche Zusammenarbeit gesehen.
Daran änderte auch nichts, dass Tuchel gerade in der Schlussphase der Saison durchaus sehr erfolgreich war. Dortmund gewann in der Meisterschaft seit dem Attentat 14 von 18 möglichen Punkten und qualifizierte sich als Dritter direkt für die Gruppenphase der Champions League.
Im Cup siegte der BVB in den Halbfinals auswärts gegen Serienmeister und Erzrivale Bayern München und holte schliesslich gegen Frankfurt die erste Trophäe seit 2012. Zudem ist Tuchel mit 2,1 Punkten pro Spiel in der 1. Bundesliga der erfolgreichste Trainer in der BVB-Geschichte - erfolgreicher auch als die legendären Jürgen Klopp und Ottmar Hitzfeld (je 1,9 Punkte).
#Tuchel
— Kaius (@magicgum_yumyum) 30. Mai 2017
- 107 Pflichtspiele
- 67 Siege
- 23 Remis
- 17 Niederlagen
- 251 Tore
- 115 Gegentore
- 0 Heimspielpleiten
Der Klub schreibt aber auch in einer Mitteilung, dass es sich bei der Ursache der Trennung keinesfalls um eine Meinungsverschiedenheit zwischen zwei Personen handelte. «Das Wohl des Vereins Borussia Dortmund, wird grundsätzlich immer wichtiger sein als Einzelpersonen und mögliche Differenzen zwischen diesen», so der Verein weiter.
Somit steht fest, dass der Nachfolger von Tuchel ein schweres sportliches Erbe antritt. Wunschkandidaten sind offenbar Hoffenheims Julian Nagelsmann und Lucien Favre. Der Westschweizer besitzt noch einen Vertrag bis 2019 bei OGC Nice, gilt aber gemäss deutschen Medien gegenüber Nagelsmann als Favorit. Denn wie die «Westdeutsche Allgemeine Zeitung» berichtete, bekundete Nagelsmann nur ein grundsätzliches Interesse am Trainer-Amt in Dortmund. Er soll aber mit Blick auf seinen laufenden Vertrag bei Hoffenheim (vorerst?) abgesagt haben. (abu/sda)