0:1 gegen Chelsea: Swansea City hat seine schwarze Serie an der Stamford Bridge gestern fortgeführt und zum fünften Mal in den letzten sechs Spielen verloren. Mit neun Zählern liegen die «Swans» punktgleich mit Schlusslicht Crystal Palace am Tabellenende.
Die Krise der Waliser wird momentan einzig und allein an einem Mann festgemacht. Anders als im Fussball-Business sonst meist üblich ist das für einmal nicht der Trainer, im Falle von Swansea Paul Clement, sondern Mittelfeldspieler Renato Sanches.
Gegen Chelsea leistete sich der 20-jährige Portugiese einen Fehlpass der Marke «haarsträubend». In der 37. Spielminute spielte Sanches den Ball im Mittelfeld auf die linke Seite, wo aber weit und breit keiner seiner Teamkollegen stand. Die Kugel trudelte ins Aus und an die Werbebande – ganz zum Entsetzen von Swanseas Trainer Clement.
Man muss kein Lippenleser sein, um herauszufinden, was Clement an der Seitenlinie von sich gab. «Fucking hell, Renato!», fluchte der Engländer, senkte den Kopf und hielt sich die Hand vors Gesicht. In der Pause erlöste er den Portugiesen, der einen roten Fleck auf der Bande wohl für einen Mitspieler gehalten hatte, und nahm ihn vom Platz. Ein weiterer missglückter Auftritt des grossen Hoffnungsträgers.
Sanches war im Sommer leihweise von Bayern München zu den Walisern gestossen und sollte die «Swans» von den Abstiegsrängen fernhalten. Der robuste zentrale Mittelfeldspieler spielte 2016 eine fantastische EM, wurde mit Portugal schliesslich Europameister und Ende Jahr mit dem «Golden Boy Award» als bester U21-Spieler Europas ausgezeichnet.
Welcome to @SwansOfficial, Renato Sanches... 🤝🙌
— Swansea City AFC (@SwansOfficial) 31. August 2017
The @FCBayern midfielder joins us on a season-long loan: https://t.co/kXiTpqIdgw pic.twitter.com/fLCjIfSxYL
Dass es Sanches, der nach der EM für 35 Millionen Euro zu Bayern wechselte, in der letzten Bundesliga-Saison nur auf 17 Einsätze und im Schnitt 36 Minuten Spielzeit brachte und dass er grosse Probleme mit Sprache und Integration hatte, interessierte bei Swansea niemanden. Auch nicht, dass er Probleme mit dem Druck zu haben schien und stets nervös wirkte.
Nach nur drei Monaten bläst dem jungen Sanches, der kaum Englisch spricht, nun auch auf der Insel eine steife Brise entgegen. In insgesamt neun Spielen für die «Swans» hat der Portugiese erst einen Assist erzielt und nie restlos überzeugt.
Kein Wunder, wird die Kritik immer heftiger und persönlicher. «Renato Sanches hat gerade eine der schlechtesten Einzelleistungen gezeigt, die ich in dieser Saison gesehen habe», twitterte der englische Sky-Journalist Adam Bate gestern nach seinem Fehlpass: «Nach seiner Körpersprache zu urteilen, fühlt Paul Clement auch so.»
Renato Sanches has just served up one of the worst individual performances I have seen this season. If Paul Clement’s body language is any clue, he feels the same way.
— Adam Bate (@ghostgoal) 29. November 2017
Schon nach dem 0:0 gegen AFC Bournemouth am Wochenende stand Sanches im Zentrum der Kritik: «Wir sprechen hier über Renato Sanches, den ‹Golden Boy›, stimmt's? Ich sah ihn bei Bayern München und in der Champions League spielen. Er ist hierher gekommen und du denkst: ‹Was hat dieser Junge eigentlich?› Ich mache keine Spässe. Was er zeigt, ist jämmerlich», urteilte der ehemalige walisische Nationalspieler und «BT Sports»-Experte Robbie Savage.
Der ehemalige Aston-Villa-Trainer Tim Sherwood legte nach: «Es ist schwieriger, für Swansea zu spielen als für Bayern München. Wenn dieser Spieler aus der eigenen Jugendakademie wäre, würde er nie wieder spielen. Er spielt genauso wie in seinem ersten Spiel, er hat sich nicht verbessert. Warum geben sie ihm noch weitere Chancen?»
Das wird sich mittlerweile auch Paul Clement fragen, der ihn nach dem Bournemouth-Spiel noch öffentlich in Schutz nahm. «Von jämmerlich könnte man sprechen, wenn er alles falsch gemacht hätte. Dann wäre er eher vom Platz genommen worden. Er hat auch sehr gute Sachen gemacht», urteilte er am Wochenende.
Nach dem Fehlpass und der Auswechslung gegen Chelsea scheint Sanches bei Clement und den «Swans» aber auch den letzten Kredit verspielt zu haben. Ein Wechsel im Winter liegt in der Luft und würde Sanches wohl gut tun. Das glaubt auch dessen Landsmann Fernando Meira. «So macht es keinen Sinn und es wird noch schlimmer für ihn. In England geht Renato kaputt», so der Ex-Stuttgarter bei Sport1. «In Portugal könnte er bei Benfica wieder glücklich sein. Den Klub kennt er sehr gut, dort wurde er Profi und ich denke, dass er da eine wichtige Rolle spielen kann.»
Bis 2021 steht Sanches allerdings noch bei Bayern München unter Vertrag. Der deutsche Rekordmeister dürfte aber nichts dagegen haben, dass der fünftteuerste Transfer in der Heimat wieder Selbstvertrauen tankt.