Die Sorgenfalten der Liverpool-Fans vor dem Champions-League-Final werden immer grösser: Nicht etwa, weil ein ETH-Roboter vorausgesagt hat, dass Real Madrid zu 70 Prozent den Henkelpott holt. Nein, der muslimische Fastenmonat Ramadan ist es, der sie mit bangem Blick auf das grosse Endspiel in Kiew vorausschauen lässt.
Mit Mohamed Salah und Sadio Mané sind gleich zwei Spieler des brandgefährlichen Liverpooler Sturmdreizacks gläubige Muslime. Vor allem Salah, der in dieser Saison schon 44 Tore und 16 Assists erzielt hat, gilt als sehr religios. Nach einem Treffer zeigt der Ägypter meist zum Himmel und im Rückspiel des Champions-League-Viertelfinals gegen Manchester City kniete sich der Ex-Basler zusammen mit Mané nach dem ersten Tor für ein kurzes Gebet auf den Rasen.
Nun befinden sich Salah und Mané aber in einer Zwickmühle: Am 16. Mai hat der Fastenmonat Ramadan begonnen. Essen und Trinken ist für Muslime in diesem Monat von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang verboten. Das kann für die Liverpool-Stars zum Problem werden: Wegen der langen Tage können sie so während rund 16 Stunden weder Flüssigkeit noch Nahrung zu sich nehmen. Das dürfte es den beiden deutlich erschweren, im bislang wichtigsten Spiel ihrer Karriere auch ihre beste Leistung abzurufen.
Zwar gibt es seit 2010 ein islamisches Rechtsgutachten der Kairoer Al-Azhar-Universität, das besagt, dass muslimische Spitzensportler den Fastenmonat unterbrechen dürfen. Die Tage, an denen nicht gefastet wurde, sollen in diesem Fall innerhalb eines Jahres nachgeholt werden. Wie das ägyptische Portal El-Ahly berichtet, hat Salah aber bereits angekündigt, dass er auch am Finaltag sein Fasten nicht brechen wolle.
Gut für Salah ist immerhin, dass in Kiew rund 50 Minuten vor dem Anpfiff die Sonne untergeht. So hat der 25-jährige Liverpool-Hoffnungsträger vor dem Final noch kurz Zeit, um sich zu verpflegen und er muss auch während des Spiels nicht auf Flüssigkeit verzichten.
Karim Benzema – einziger Muslim im Kader von Real Madrid – hält sich anders als Salah nicht an den Ramadan. Seit mehreren Jahren verzichtet er aufs Fasten, weil sich der Verzicht auf Essen und Trinken nicht mit seinem Beruf vereinbaren lasse.
Bei der Frage nach den gesundheitlichen Folgen des Verzichts auf Essen und Trinken sind sich Experten übrigens uneinig. «Die Ärzte, mit denen wir gesprochen haben, fürchten kein gesundheitliches Risiko», sagte FIFA-Chefmediziner Jiri Dvorak vor vier Jahren, als der Ramadan mit der Fussball-WM in Brasilien zusammenfiel. Studien in Tunesien und Algerien haben damals ergeben, «dass es keine signifikante Leistungsminderung gibt, wenn man den Ramadan befolgt.»
Michel D’Hooghe, Chef der medizinischen Kommission der FIFA, betonte hingegen: «Wenn ich für die Spieler verantwortlich wäre, würde ich von der Möglichkeit einer Ausnahme Gebrauch machen. Ich habe grössten Respekt für die religiösen Überzeugungen jedes Spielers. Aber aus medizinischer Sicht ist eine regelmässige Nahrungsaufnahme während dieser Zeit besser.»
Algeriens Mannschaftsarzt Hakim Chalabi wunderte sich dagegen: Seinem Empfinden nach sind Fussballer während des Fastenmonats sogar leistungsfähiger als sonst. Weil der Ramadan eine spirituelle und psychologische Hilfe zu sein scheine, so seine Vermutung. Bleibt für die Liverpool-Fans zu hoffen, dass Salahs Glaube Berge versetzen kann und der wieselflinke Ägypter die «Reds» gegen das favorisierte Real trotz Fasten auf den Champions-League-Gipfel schiesst. (pre)