Sion-Präsident Christian Constantin blickt zurück auf die turbulenten Tage nach seiner Tätlichkeit gegen Rolf Fringer, übt Medienkritik und macht seinem Kontrahenten ein Friedensangebot.
Ruedi Kuhn / Nordwestschweiz
Es ist Dienstag, kurz nach 14 Uhr: Christian Constantin sitzt im Restaurant seines Hotels Port d’Octodure in Martigny und trinkt einen Kaffee. Der Präsident des FC Sion schaut auf sein Handy. Plötzlich lächelt er und sagt: «Die Schweiz trifft in der WM-Barrage auf Nordirland. Das ist doch endlich einmal eine gute Nachricht.»
Lebt in seiner ganz eigenen Realität: Sions umstrittener Präsident Christian Constantin.Bild: KEYSTONE
Kurze Zeit später begrüsst Constantin einige Spieler, die sich für eine Trainingseinheit bereitmachen. Constantin markiert Präsenz, winkt Sion-Stürmer Ilombe Petit-Pelé Mboyo zu sich und sagt.
«Kopf hoch, mein Junge! Wir brauchen jetzt Resultate. Du weisst genau, was ich von dir erwarte. Tore! Nichts als Tore!» Was Constantin sagen will: Nach dem 1:2 gegen St. Gallen ist ein Sieg im Heimspiel gegen Lugano Pflicht.
Was aber ist, wenn der FC Sion verliert? Wird Trainer Paolo Tramezzani nach einer weiteren Pleite entlassen? Im Wallis werden mit Christian Gross, René Weiler, Urs Fischer und Ciriaco Sforza bereits vier Namen von möglichen Trainern genannt.
Sions Präsident Christian Constantin nach seinem Aussetzer in LuganoBild: KEYSTONE/TI-PRESS
Christian Constantin, wer ist Ihr Wunschkandidat? Constantin schüttelt nur den Kopf, lässt die Fragen offen, steht auf und bittet für das Interview in sein Büro.
In den folgenden anderthalb Stunden spricht ein leidenschaftlicher, sichtlich aufgewühlter, aber jederzeit beherrschter Präsident über die Sperre und Busse der Disziplinarkommission, seine Rollen als Täter und Opfer, Gerichtsverfahren, das angespannte Verhältnis mit Rolf Fringer, eine mögliche Versöhnung und die Rolle der Medien.
Constantin attackiert TV-Experte Rolf Fringer vor laufender Kamera.
Unmittelbar vor der Live-Schaltung rennt Constantin Senior auf Fringer zu. Der Experte wird zwar noch gewarnt, doch just als er sich umdreht, kassiert er bereits den ersten Faustschlag. Video: © youtube/Teleclub
Christian Constantin über ...
... Geständnis und Anklage
«Das Urteil der Disziplinarkommission mit der vierzehnmonatigen Sperre und der Busse von 100 000 Franken ist ein Witz.
Es stimmt, dass ich Rolf Fringer dreimal ins Gesicht geschlagen habe. Es stimmt, dass ich ihm einen Tritt in den Hintern versetzt habe. Ich bin aber nicht nur Täter, ich bin auch Opfer. Wir haben beide Fehler gemacht. Fringer hat mich jahrelang verunglimpft. Er hat mich verleumdet und beleidigt. Ich bin mit Sion einmal Meister und siebenmal Cupsieger geworden.
Ich zahle Jahr für Jahr rund sechs Millionen Franken aus dem eigenen Portemonnaie zum Wohl des FC Sion. Mit den Transfers von Gelson Fernandes zu Manchester City, Edimilson Fernandes zu West Ham United, Chadrac Akolo zum VfB Stuttgart und Moussa Konaté zu Amiens habe ich mehr als 25 Millionen Franken erwirtschaftet. Und was macht Fringer?
Er lässt es gegenüber meiner Person an jeglichem Respekt vermissen. Und nicht nur das! Er gibt auch meinem Sohn Barthélémy immer wieder zu verstehen, dass er nichts von ihm hält. Das frustriert. Natürlich war es falsch, dass ich Fringer geschlagen habe.
Aber im Augenblick, wo es passiert ist, war ich extrem wütend. Mein Sohn und ich arbeiten Tag und Nacht für den FC Sion. Wir haben beide unsere Ehre und unseren Stolz. Und für meine Familie gehe ich durchs Feuer. Noch einmal: Es ist nicht gut, es ist falsch, was ich gemacht habe.»
Constantin: «Ganz einfach. Eigentlich ist die Swiss Football League für diesen Fall gar nicht zuständig. Es ist eine Sache zwischen Fringer und mir. Eine Sache zwischen zwei 60-jährigen Männern.»Bild: EPA/KEYSTONE
... das anstehende Gerichtsverfahren
«Die Strafe steht in keinem Verhältnis zur Tat. Deshalb habe ich beim Rekurs-Gericht Beschwerde eingereicht. Und je nach Entscheid werde ich den Fall an ein ziviles und an ein kantonales Gericht weiterziehen.
Die letzte Instanz wäre das Sportgericht in Lausanne. Ich gehe davon aus, dass die Gerichtsverfahren bis zum finalen Urteil rund sieben Jahre dauern werden. Ich habe kein Problem damit. Ich habe Zeit.»
... sein Verhältnis zu Rolf Fringer
Warum kam es zum Eklat zwischen Constantin und Fringer? Constantin ist der Meinung, dass der erste Berührungspunkt zwischen ihm und Fringer wohl wegweisend für das schlechte Verhältnis ist.
«Begonnen hat alles im Cup-Halbfinal vor acht Jahren zwischen Luzern und Sion. Fringer war 2009 Trainer in Luzern. Ich sass beim FC Sion auf der Trainerbank. Nach einem dramatischen Spiel mit vielen Emotionen siegten wir im Penaltyschiessen. Statt mir zu gratulieren, behandelte mich Fringer nach dem Schlusspfiff wie einen kleinen Jungen.
Er sagte, dass ich keine Trainerdiplome und deshalb auch nicht das Recht habe, auf der Trainerbank zu sitzen. Ich lächelte nur und sagte ihm, du weisst aber schon, dass du heute gegen einen grossen Trainer wie José Mourinho verloren hast. Natürlich war das nur Spass, eine kleine Provokation! Aber Fringer hat das wohl alles missverstanden. Aber das ist die Vergangenheit.»
Und die Gegenwart?
«Die Gegenwart ist einfach. Seit Fringer Experte bei ‹Teleclub› ist, lässt er keine Gelegenheit aus, mich und den FC Sion zu kritisieren und lächerlich zu machen.»
... eine Versöhnung mit Fringer
Die Fronten zwischen Constantin und Fringer sind seit längerer Zeit verhärtet.
«Natürlich kann ich den Fall von einem Gericht zum anderen ziehen. Aber das muss nicht sein. Warum können Rolf und ich die ganze Sache nicht unter uns regeln? Warum setzen wir uns nicht an einen Tisch und suchen nach einer Lösung?»
Wie soll das gehen?
«Ganz einfach. Eigentlich ist die Swiss Football League für diesen Fall gar nicht zuständig. Es ist eine Sache zwischen Fringer und mir. Eine Sache zwischen zwei 60-jährigen Männern.
Wie wäre es, wenn Fringer und ich ein 14-tägiges Trainingslager für Fussball-begeisterte Flüchtlinge durchführen würden? Ich würde dieses Lager finanzieren. Und Fringer wäre für die Trainings zuständig.»
Bleibt die Frage, ob Constantin diese Aussage ernst meint und sich wirklich mit Fringer versöhnen will.
«Es wäre das Vernünftigste. Aber bei einem Streit braucht es immer eine Partei, die über ihren Schatten springt und den ersten Schritt macht. Das müsste Rolf sein. Schliesslich hat er die Sache ausgelöst.»
... die Berichterstattung der Medien
Constantin geht vor allem mit den Medien in der Deutschschweiz hart ins Gericht. Den «Blick» beispielsweise kritisiert er aufs Schärfste.
«Der Grund für die negative Kampagne gegen meine Person und die vielen Artikel, die unter die Gürtellinie zielen, liegt auf der Hand. Der Sportchef des ‹Blicks› ist ein enger Freund von Rolf Fringer. Mehr muss ich dazu nicht sagen.»
Nicht gut zu sprechen ist Constantin auch auf die Tageszeitung «Nouvelliste». Genauer gesagt auf ihren Chefredaktor Vincent Fragnière. Fragnière hat Constantin in mehreren Artikeln für seinen Führungsstil kritisiert.
Nun hat Constantin gegen die «Nouvelliste» bezüglich FC Sion einen Boykott ausgesprochen. Interviews mit Trainern, Spielern und Funktionären gibt es auf Weiteres keine. Und der Besuch und die Beobachtung von Trainings sind untersagt. Das zeigt: Wenn Constantin etwas nicht passt, dann greift er durch. Stur und ohne Kompromisse.
Das Handy klingelt wieder. Christian Constantin nimmt ab und taucht einmal mehr in seine Fussballwelt ein. Er muss bereit sein, falls der sportliche Kriechgang seines FC Sion weitergeht. Rolf Fringer hin oder her.
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