Eigentlich hätte es nur ein kleiner Eingriff sein sollen. Reine Routine. Die Entfernung eines Ganglions, wie die Mediziner ein Überbein am Fuss nennen. Seit mehreren Saisons beeinträchtigte es Luca Zuffi. «Während des letzten Jahres nahmen die Schmerzen zu, am Schluss war es wirklich schlimm. Da konnte ich zum Teil nur noch mit Schmerzmitteln spielen», sagt der 27-Jährige. Trotzdem hat er bis zur Winterpause durchgebissen.
Zu gut war er drauf, zu gut lief es dem FCB. Die erste Krise, der Spätsommer und die Niederlagen gegen Lausanne und St. Gallen waren weit weg. Nach zweijähriger Durststrecke unter Urs Fischer brillierte der FC Basel endlich wieder in der Champions League, knackte Rekorde, sorgte für Furore. Der zu Beginn der Saison eingehandelte Rückstand auf YB schmolz auf läppische zwei Pünktlein zusammen. Das Schiff war auf Kurs.
Dann kam die Pause, die Operation an Zuffis Fuss, etliche Wechsel in der Mannschaft. Sechs Spieler gingen, sechs neue kamen. Darunter auch die ehemaligen FCB-Stars Valentin Stocker und Fabian Frei. Beide Nationalspieler, designierte Leistungsträger, Führungspersönlichkeiten. Und für Zuffi in der Person von Fabian Frei ein weiterer Konkurrent.
Er war in den Ferien, als er in der Zeitung von dessen Verpflichtung erfuhr. Ist man da nicht vor den Kopf gestossen? Zuffi schüttelt den Kopf: «Nein, ich habe mich gefreut. Fabian und ich hatten auch während seiner Zeit in Deutschland stets losen Kontakt, wir sind Kollegen geworden.» Und mit Fransson habe ja auch einer den Klub verlassen, der zuvor ebenfalls um einen Platz im defensiven Mittelfeld buhlte.
Doch während die Neuzugänge sofort mit dem Team trainieren, fällt Zuffi aus. Länger als gedacht. Er rechnete damit, auf den Saisonstart wieder dabei zu sein. Aber bis Mitte Februar trainiert er allein. Just in dieser Zeit rutscht der FCB in die Krise. Beim 0:2 gegen St. Gallen wird er erstmals wieder eingewechselt, gegen YB spielt er im Cup-Halbfinal erstmals wieder von Beginn weg und verliert.
Warum dieser Bruch nach der Winterpause? «Das ist brutal schwierig zu erklären. Wir geben in jedem Spiel unser Bestes, wollen gewinnen», sagt Zuffi. Aber wenigstens muss er jetzt nicht mehr zuschauen. Das sei noch viel schlimmer, meint er. Einfach zuschauen zu müssen, wie das Team verliert und der Rückstand auf YB anwächst.
Jetzt also kommt Zürich. Wie damals im Herbst, so hofft man beim FCB, soll mit einem Sieg gegen den FCZ die Wende eingeläutet werden. Zuffi: «Wir sind uns bewusst, wie wichtig das Spiel gegen Zürich ist. Von jetzt an ist sowieso jedes Spiel so etwas wie eine letzte Chance, wenn wir Meister werden wollen. Und das wollen wir, es ist unsere einzige Möglichkeit, noch einen Titel zu holen.»
Raphael Wicky: "Ich bin absolut davon überzeugt, dass wir den Tritt wieder finden. Wir wollen morgen gegen den @FC_Zuerich unbedingt die drei Punkte holen." #FCBasel1893 #zämmestark #rotblaulive pic.twitter.com/3qVL8j28mA
— FC Basel 1893 (@FCBasel1893) 2. März 2018
Eine Saison ohne Titel? In Basel fast unvorstellbar. Neun Mal Meister und vier Mal Cupsieger war man in den letzten zehn Jahren. Das ist das Monster, gegen das Raphael Wicky und seine Mannschaft ankämpfen. Fast scheint es, als würde der FCB nun in Ehrfurcht davor erstarren. Zuffi relativiert, wie er das in seiner überlegten Art gerne tut: «Das war ja schon während der letzten Jahre so. Wir waren immer die Gejagten. Alle gaben alles, um uns abzufangen. Und jetzt sind wir halt für einmal im Hintertreffen.»
Ob der FCB auch Jäger-Qualitäten hat? Ja, das hat er mehrfach bewiesen. Und doch ist dieses Jahr alles anders. Nie war der Rückstand nach fast zwei Dritteln der Meisterschaft so gross. Nie war die Wahrscheinlichkeit des Scheiterns grösser. Hoffnung gibt dem FCB die Erfahrung aus den Spätsommer-Monaten, die Gewissheit, sich schon einmal aus einem Tief gekämpft zu haben. Und: «Wir haben grosse Qualitäten in der Mannschaft», sagt Luca Zuffi.
Man kann nur beipflichten. Muss allerdings auch anfügen, dass diese derzeit schlicht nicht zum Tragen kommen. Wie sonst ist es zu erklären, dass der FC Basel, der Serienmeister, der Dominator der letzten Jahre von den fünf Spielen 2018 deren vier verloren hat?
Die schmerzhafteste Niederlage war sicherlich die letzte gegen YB. Von einer Wachablöse war danach die Schreibe. Einer Zeitenwende. Trainer Raphael Wicky aber hat nicht herumgeschrien, sondern in den Tagen darauf Gespräche geführt mit den Spielern. Ruhig bleiben, analysieren, verbessern – so hat er es auch in der ersten Krise gemacht.
Doch am Mittwoch trat erstmals Sportchef Marco Streller vor die Mannschaft. Wicky forderte es explizit. «Pipi (Marco Streller, d. Red.) hat uns gesagt, dass wir positiv bleiben und an uns glauben sollen. Er sei sich sicher, dass wir da rauskommen», verrät Zuffi.
Es tönt nach Durchhalteparolen aus Basel. Lange ziehen die nicht mehr. Ein Sieg muss her. Gegen den FCZ. Es wäre so etwas wie ein letzter Strohhalm. Und wenn keine Reaktion gelingt gegen die vom Cup-Finaleinzug euphorisierten Zürcher? «Dann wird es sicher sehr schwierig, noch Meister zu werden», sagt Zuffi.
Dabei meinte FCB-Trainer Raphael Wicky noch vor dem ersten Spiel 2018, er sei überzeugt, das Team sei durch die Veränderungen noch stärker geworden. Doch was nur ein kleiner Eingriff hätte sein sollen, hinterliess grosse Spuren. Obwohl viele der Zuzüge den Verein kannten. Aber eben nicht Mannschaft und Trainer. Auf jeden Fall greift das neue Gefüge noch nicht. Vielleicht auch, weil Zuffi länger fehlte als erhofft.
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