Ringkämpfer Milon war einer der ruhmreichsten Athleten des antiken Griechenlands. Vom sechsfachen Olympiasieger erzählte man sich, dass er einen Stier mit den blossen Händen tragen konnte und dass er täglich etwa 17 Pfund Fleisch ass und zehn Liter Wein trank.
Milon war ein Held – und zwar einer aus Crotone. Vielleicht hat Davide Nicola seinen Spielern vom berühmten Sportler aus ihrer Stadt erzählt. Der Trainer des FC Crotone vollbrachte mit seinem Team eine Leistung, die mindestens so imposant ist wie jene Milons. Und anders als die übertriebenen Legenden sogar real ist. «Dass wir oben geblieben sind, ist so viel Wert wie zwei Meistertitel», sagt Sportchef Beppe Ursino, dessen Kader den mit Abstand tiefsten Marktwert aller 20 Klubs hatte.
Im Sommer steigt das 1910 gegründete Crotone in die erste Serie-A-Saison seiner Geschichte. Das Abenteuer beginnt für die Kalabrier desaströs. Nach zehn Runden wartet Crotone immer noch auf den ersten Sieg, mit nur zwei Punkten steht es auf dem letzten Platz. Zwar wird in der folgenden Partie Chievo Verona mit 2:0 geschlagen. Aber die «Haie» bleiben tief im Tabellenkeller, sind bei Saisonhalbzeit mit nur zwei Siegen in 19 Partien Letzter.
Dennoch hält der Klub an Trainer Davide Nicola fest – und das zahlt sich aus. Denn plötzlich wird Crotone besser. Ein 2:1-Sieg bei Chievo Verona leitet Anfang April einen Endspurt ein, der seinesgleichen sucht. Sechs Siege und zwei Unentschieden holt Crotone in den letzten neun Spielen. Es hält damit sensationell doch noch die Klasse.
Dabei hat es die Entscheidung bis zuletzt nicht in den eigenen Füssen. Crotone musste gestern Abend Lazio schlagen und zugleich darauf hoffen, dass Empoli beim bereits als Absteiger feststehenden Palermo nicht gewinnt. Diese Konstellation traf ein. Crotone feierte einen umjubelten 3:1-Heimsieg, während Empoli auf Sizilien mit 1:2 verlor.
«Davide Nicola hat sein Meisterstück abgeliefert», feiert die Gazzetta dello Sport den Trainer, dessen grösster Erfolg zuvor der Serie-A-Aufstieg mit Livorno gewesen war. Von einem Wunder will dieser nichts wissen, «das war eine grosse Arbeit; technisch, taktisch, mental.»
Ob er in Crotone bleibt? «Jetzt feiern wir erst einmal, dann schauen wir weiter», sagt Nicola. Eines sei aber sicher: er werde seine Wettschulden einlösen. Im Falle das Klassenerhalts, hatte er angekündigt, wolle er mit dem Velo von Crotone zum Meister Juventus nach Turin fahren. Mehr als 1200 Kilometer liegt zwischen den beiden Städten, aber Nicola sagt: «Ich werde die Fahrt geniessen.»
Auch einige Spieler sind umworben. Die Innenverteidiger Federico Ceccherini und Gianmarco Ferrari bezeichnet die «Gazzetta dello Sport» als zwei der Entdeckungen des Jahres. Und der Sechser Lorenzo Crisetig, einst bei Inter ein gefeiertes Talent, habe mit 24 Jahren endlich den Durchbruch geschafft. In Crotone hoffen sie, dass sie zumindest einige ihrer wichtigsten Akteure halten können. Um das Fussballmärchen vielleicht wiederholen und die Klasse auch in der kommenden Saison halten zu können.