Das Erstaunen bei den Matchbesuchern war gross: Keine fünf Minuten, nachdem Schiedsrichter Stephan Klossner als Reaktion auf den zweiten Stromausfall im Brügglifeld das Spiel zwischen Aarau und dem FC Zürich abgebrochen hatte, schrieben Zürcher Onlineportale: «Der FCZ gewinnt 3:0 forfait». Eine Meldung, die sich schon kurz darauf als Schuss aus der Hüfte herausstellte: Klar in Bezug auf die Spielwertung ist nämlich überhaupt nichts.
Zwei Szenarien sind möglich: Entweder erhält der FCZ – wie aus der FCZ-Heimat vorschnell bereits als Tatsache vermeldet – einen Forfait-Sieg. Oder die Partie wird wiederholt.
Gestern hat die Swiss Football League (SFL) von Schiedsrichter Stephan Klossner den Rapport erhalten und diesen an den Disziplinarrichter weitergeleitet – nun hat der FC Aarau Gelegenheit, Stellung zu beziehen. Ein Urteil wird frühestens noch Ende dieser Woche, viel wahrscheinlicher jedoch Mitte nächster Woche erwartet.
Gemäss Spielbetrieb-Reglement des Schweizerischen Fussballverbandes wird eine Partie dann mit einem Forfait-Sieg für die Gastmannschaft gewertet, wenn «die Platzbeleuchtung ungenügend ist oder aufgrund von Nachlässigkeit während mehr als 30 Minuten ausfällt.» Die Disziplinarkommission der SFL muss nun herausfinden, ob der FC Aarau als Spielveranstalter nachlässig gehandelt hat.
Eine Tendenz? Schwierig. Jedoch gibt es so etwas wie einen Präzedenzfall aus dem Jahr 2002: Damals gingen im alten Stadion Espenmoos in St. Gallen vor einem Spiel gegen den FC Basel die Lichter nicht an. Es gab ein Wiederholungsspiel, weil der FC St. Gallen nicht für den Ausfall verantwortlich gemacht werden konnte.
Der FC Aarau hat gemäss Geschäftsführer Robert Kamer keinen Einfluss auf die Stromversorgung im Brügglifeld – er ist nicht einmal im Besitz eines Schlüssels für die Transformatoren-Station. Diesen hat nur der Stromversorger IB Aarau, dessen Mitarbeiter gestern im Brügglifeld nach der Ursache für den Stromausfall suchten. Die Ergebnisse werden der SFL zugespielt.
Sollte es wider Erwarten zu einem Forfait-Sieg für den FC Zürich kommen, behalte sich der FCA gemäss Geschäftsführer Kamer vor, a) Rekurs gegen das Urteil einzulegen und b) nochmals mit einem unabhängigen Gutachter auf Ursachenforschung zu gehen, um die Schuldfrage zu beantworten. Schliesslich gehe es um viel Geld, gemäss FCA-Präsident Alfred Schmid um eine Schadenssumme in der Höhe von 100'000 Franken.
Der Stadionspeaker hat kurz nach der Spielabbruch-Durchsage verkündet, dass der Preis für Einzelbillette (Saisonabos nicht) zurückerstattet werde. Eine tolle Geste, zu der der FCA rechtlich nicht verpflichtet ist und die Geschäftsführer Kamer so simpel wie sympathisch begründet: «Der Zuschauer hat für eine Leistung bezahlt, diese aber nicht erhalten.»
Wie die Rückerstattung des Eintrittspreises abläuft, ist abhängig vom Urteil der SFL: Für ein allfälliges Wiederholungsspiel dürften die Tickets vom Montag Gültigkeit behalten. Sollte es kein Wiederholungsspiel geben, muss die Rückerstattung je nach Verkaufskanal (Print at home, Tageskasse, Vorverkaufsstellen) noch definiert werden. Anrecht auf eine Rückerstattung hat nur, wer noch im Besitz seines Tickets ist – dass man dieses bis zum Spielende aufbewahren sollte, steht auf jedem Ticket im Kleingedruckten.
Wer selber im Stadion war, für den ist klar: Viel hat nicht gefehlt – und die während des ersten Stromausfalls aus ihrem Sektor ausgebrochenen FCZ-Krawallmacher wären auf die Gegengerade zu den Aarauern gelangt. Involvierte Sicherheitskräfte bestätigen diesen Eindruck. Im letzten Moment gelang es der Polizei, die Konfrontation der Fan-Gruppen zu verhindern und die Zürcher mithilfe von Gummischrot zurück in ihren Block zu treiben.
Hintergrund: Seit dem Platzsturm durch Fans des FC Basel im Mai 2014 wird vor jedem Hochrisikospiel im Brügglifeld (unter anderem Spiele gegen den FCZ) ein Platzsturm als wahrscheinliches Szenario betrachtet – entsprechend positioniert sind die Sicherheitskräfte und können schnell eingreifen. Roland Pfister, Mediensprecher der Kantonspolizei: «Es ist eine gefährliche Situation, wenn man nichts sieht. Darum mussten wir unverzüglich eine Entscheidung treffen.» Nach dem zweiten Stromausfall verlief alles friedlich – auch die Rückkehr der FCZ-Fans zum Bahnhof.