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In Herzogenaurach steht eine seltsame Maschine. Eine Maschine, mit der Adidas Schuhe und Bälle testet, die am Computer bedient wird und sich so programmieren lässt, dass es nur ein paar Koordinaten braucht, um den Ball mit Karacho in den Winkel fliegen zu lassen. Wenn beispielsweise ein Mesut Özil über das Gelände geführt wird, zeigt man ihm diesen wundersamen mechanischen Arm, der so viel präziser und härter schiessen kann als das menschliche Bein.
Und manchmal, mehr aus Jux, lässt man den Kicker zum Vergleich schiessen. Und so durfte sich auch Vincent Thill, 16 Jahre alt, Anfang Juni den Ball zurechtlegen. «Vincent nimmt also den Ball», erzählt sein Vater und Manager Serge Thill, «und schiesst ihn dreimal am Stück in den Winkel. Danach zeigt uns der Ingenieur die Flugkurven des Balles auf einem Bildschirm. Man konnte die einzelnen Schüsse nicht unterscheiden, so identisch waren die Kurven. Die Typen waren vollkommen baff, das hatten sie dort noch nie gesehen. Wie eine Maschine.»
Einen Tag später steht Vincent Thill in der Küche seiner Eltern in Rodingen, Luxemburg, und sieht so gar nicht nach einer Maschine aus. Er hat kein T-Shirt an, und seine Mutter Nathalie schmiert einen der dünnen Oberarme dick mit Vaseline ein. Das neue Tattoo braucht Feuchtigkeit, die verletzte Haut muss heilen. Zu dem dicken Kreuz, das er sich mit 15 stechen liess, hat sich eine Art Uhr gesellt, darunter in feinen Linien das eigene Geburtsdatum: 4.2.2000.
Vincent Thill ist der erste Spieler, der im neuen Jahrtausend geboren ist und ein Länderspieltor geschossen hat. Er wird von Spitzenvereinen gejagt, trägt auf dem Platz die Nummer 10 und will eines Tages Weltfussballer sein. Vincent Thill ist schon jetzt ein Star in seiner Heimat und vielleicht das grösste Versprechen, das der luxemburgische Fussball je hervorgebracht hat. Aber: Er ist noch ein Kind. Sein Vater bräuchte es nicht dauernd zu erwähnen, bereits seine Statur verrät ihn. Es gibt nicht viele Profis, die nur 54 Kilo wiegen.
So schmächtig seine Hülle noch sein mag, auf dem Spielfeld ist Vincent präsenter als die Kleiderschränke um ihn herum. Wie selbstverständlich fordert er im Länderspiel gegen Nigeria die Bälle. Es wirkt, als wisse er vor allen anderen, was in der nächsten Sekunde geschieht, mit dem Ball am Fuss ist ein Klassenunterschied zu den Mitspielern zu erkennen. Kurz vor Schluss taucht er frei vor dem Tor auf. Er stoppt den Ball, schaut kurz hoch, dann legt er ihn präzise ins lange Eck.
Seit diesem Augenblick ist Vincent Thill der jüngste europäische Länderspieltorschütze aller Zeiten.
Das Haus der Familie Thill ist hoch, ein bisschen eng und vor allem bunt: rote Couch, gelbe Fliesen, blauer Kühlschrank, schwarze Küche. Er würde gerne umbauen, sagt Vater Serge, doch habe er im Moment wenig Zeit. Er arbeitet noch bei der Bank, ausserdem regelt er ja die Geschäfte für Vincent. Viel zu tun für einen einzelnen Mann, doch wenn es um Fussball geht, vertrauen die Thills in erster Linie der eigenen Expertise.
La future pépite du football, notre pépite luxembourgeoise Vincent Thill 😎😘⚽️#TeamFcMetz pic.twitter.com/9O6J1CQdAp
— Patrick Chirac (@Grenat4Ever) 2. Juli 2016
Mutter Nathalie war Nationalspielerin, Serge spielte mit Luxemburg unter anderem gegen Deutschland und Lothar Matthäus. Der älteste Sohn Sebastien, 22, ist ebenfalls luxemburgischer Nationalspieler, der zweitälteste Olivier, 19, spielt für die U21. Und der sechsjährige Marek dribbelt schon jetzt besser als viele Erwachsene.
Wie alle seine Söhne trainierte Serge auch Vincent als Kind. «Ich habe früh gemerkt, dass er etwas Besonderes ist. Ich kann es kaum beschreiben, aber entweder man hat es oder man hat es nicht. Und Vincent ... nun ja, der hat es.»
Als die Scouts vom FC Metz den 17-jährigen Sebastien in Luxemburg beobachten, fällt ihnen auch Vincent auf. Seinem älteren Bruder ist der Schritt nach Metz zu weit, Vincent nimmt die Einladung des Vereins ohne zu zögern an. Einen Monat Zeit will man ihm in Metz geben, um sich zu zeigen. Nach der ersten Einheit haben die Trainer genug gesehen und Vincent zieht ins Fussballinternat. Mit 15 trainiert er in der U19, mit 16 wird er Profi.
Liverpool und PSG hätten schon angefragt, sagt Vincent, auch Köln oder Hoffenheim. Wirklich konkret sei es mit den Bayern geworden. Serge und Vincent schauten sich das Gelände an, sprachen mit U23-Coach Vogel und verhandelten mit Michael Reschke über einen möglichen Transfer. Doch war die Sorge, Vincent könnte hinter all den Stars auf der Bank versauern, am Ende zu gross. Sicher, das schnelle Geld sei reizvoll, sagt Serge. Doch, er betont es immer wieder, in erster Linie müsse sich sein Sohn wohl fühlen. «Ausserdem», sagt Serge: «Wir pinkeln uns nicht gleich die Hose voll, nur weil Matthias Sammer anruft.»
[Photos et vidéos] @LifeAsChris_, Vincent Thill & Vahid Selimovic ont repris avec le @FCMetz https://t.co/zaRgqp2Ea6 pic.twitter.com/fLmfhYpMOk
— L'essentiel (@lessentiel) 30. Juni 2016
Der Familienrat, wie Serge es nennt, entschied, dass Vincent auch noch in einem Jahr Weltstar werden könne. Also unterschrieb er zunächst einen langfristigen Vertrag in Metz. Ende Juni wird er das erste Mal mit den Profis trainieren, die Mannschaft ist im Sommer in die Ligue 1 aufgestiegen. Ob er keine Angst habe, gegen all die gestandenen Männer im Training zu versagen? Vincent Thill guckt nicht wie bisher verlegen zur Seite, sondern antwortet unverzüglich: «Nein. Ich weiss, dass ich es packe.»
Publikation mit freundlicher Genehmigung von 11Freunde.