Es geht im Fussball eben doch noch um Ehre und Stolz. Der lebende Beweis: Christian Constantin, Präsident und Alleinherrscher des FC Sion. Er ohrfeigte Teleclub-Experte Rolf Fringer nach einem Auswärtsspiel in Lugano vor laufenden Kameras und verpasste ihm dann auch noch einen Tritt in den Allerwertesten.
«C’est la vie mon ami» – ein Racheakt ganz nach dem Motto: Auge um Auge, Zahn um Zahn. Denn Monsieur Constantin sah sich im Stolz verletzt, weil Fringer ihn öffentlich als «Narzisst» und als Mann ohne Empathie bezeichnete. Fringer hat sich mittlerweile erholt und muss sich in der Rückrunde auch nicht fürchten: Constantin wurde für 14 Monate aus den Stadien verbannt.
Im Joggeli ist der FC Basel eine Macht. Das ist bekannt. Der aktuelle Super-League-Leader YB wartet seit fünfeinhalb Jahren auf einen Sieg auf Basler Grund. Ganz anders die Lift-Mannschaft Lausanne. Die Waadtländer haben den FCB diesen Herbst in Basel mit 2:1 in die Knie gezwungen.
Lausanne-Trainer Fabio Celestini sagte danach: «Seit ich vor über zwei Jahren bei diesem Verein anfing, war das das schlechteste Spiel meiner Mannschaft.» Er bestätigt mit dieser Aussage ein Gerücht, wonach im Joggeli andere Gesetze gelten. Jedenfalls nicht jene der Logik. Wenigstens nicht immer. Bei Fragen bitte an Fabio Celestini wenden.
Vor einem Jahr hat Murat Yakin beim Challenge-League-Schlusslicht FC Schaffhausen angeheuert und dort einen Scherbenhaufen übernommen. Resultat: bestes Rückrundenteam und im Sommer sechs Siege in den ersten sechs Saisonspielen. Danach Knall auf Fall der Wechsel zur alten Liebe GC. Resultat: Seit der Yakin-Invasion in Niederhasli (auch Bruder Hakan ist zurück bei GC) sind die Hoppers mit 19 Punkten aus 13 Spielen das drittbeste Team der Super League hinter YB und Basel.
Und das mit einer Mannschaft, die auf dem Papier eher Abstiegskandidat denn Europacup-Anwärter ist. Goldgräber Murat Yakin! Auch wenn es zuletzt nur noch ein Punkt aus vier Spielen gab. Neben der sportlichen Rückkehr in die Teppichetage erhoffen sich die GC-Strippenzieher noch viel mehr vom Yakin-Glamour-Effekt. Vor allem, dass bald der seit Jahren gesuchte Käufer anbeisst.
Vergesst Copperfield und Chipperfield. Hier kommt Magic Muri. #srffussball #gcfcb pic.twitter.com/OlYVjQtEce
— zwölf (@zwoelf_mag) 18. Dezember 2017
Das Thema flackert im Herbst nur kurz auf, aber es ist eines. Die «Berner Zeitung» jedenfalls sieht sich gezwungen, YB-Präsident Hanspeter Kienberger darauf anzusprechen. Und zwar zu den vereinzelten Stimmen in Bern, wonach die vielen dunkelhäutigen Spieler die Identifikation zwischen Fans und Klub erschwerten. Kienbergers Antwort: «Das darf kein Thema sein.»
Da sorgen ebendiese Assalés, Mbabus, Nsamés und Lotombas für die beste Vorrunde seit acht Jahren, holen den Prestige-Titel «Herbstmeister», machen aus YB einen ernsthaften Meisterkandidaten – und doch gibt es solche, die nach dem Haar in der Suppe suchen. Nicht genug gelitten in 30 Jahren ohne Titel? Wetten, in diesen Kreisen erklärt man sich den schmelzenden Vorsprung auf den FC Basel so: Kaum sinken in der Schweiz die Temperaturen, schwächeln sie, die Afrikaner.
FCB-Präsident Bernhard Burgener ist ein lustiger Geselle. Ein paar Gläser Wein, ein paar Freunde und schon zaubert er. Manchmal wird er auch unfreiwillig zum Entertainer. Bei der Präsentation seines Konzeptes im April beispielsweise. Dort präsentierte er «Jean-Pierre Wicky» als Trainer. Niemand kannte ihn. Und dieser Jean-Pierre hat eine wundersame Metamorphose durchlebt. Erst Krise, dann Sternen-Rausch. Und plötzlich heisst er Raphael. Aber was solls? Walliser ist auch er. Wie Jean-Paul, also Brigger (zwei Monate nach Wicky als FCB-CEO vorgestellt). Und Bernhard, also Burgener.
Verführerisch: die Idylle am Fusse des Stockhorns. Sympathisch: Wie es der kleine FC Thun ohne grosse Mittel immer wieder schafft. Treu: Die Berner Oberländer sind bereits die achte Saison in Serie in der Super League, immer zwischen Platz 4 und 7. Diese Eigenschaften hat sich der Schweizer Serienmeister aus Basel zunutze gemacht.
Mit Interesse hat man beim FCB die Thuner Geldsorgen im vergangenen Winter registriert. Im Sommer haben Burgener und Co. den Deal mit den unscheinbaren Thunern abgeschlossen. Seitdem arbeitet Agent Thun sehr erfolgreich im Auftrag des FCB. Den Baslern überliessen die Thuner sechs Punkte, den Young Boys knöpften sie dagegen sechs Punkte ab. Ohne Thun wäre der Abstand des Serienmeisters auf Herausforderer YB deutlich grösser.
Beim 1:3 gegen Kapfenberg ist Raphael Dwamena trotz seines Tores ein Ausfall. Dass dieser «Sprenzel» ein Jahr später vor einem Engagement in der Premier League stehen könnte – unvorstellbar. Doch dann schiesst der 20-Jährige für Austria Lustenau Tor um Tor, kommt für 300 000 Franken zum FC Zürich und erzielt beim Debüt in der ghanaischen Nati gegen Äthiopien zwei Tore.
Auch zum Super-League-Einstand gegen GC gelingt ihm ein Doppelpack. Als schliesslich Brighton dem FCZ ein Angebot macht, ist es die Krönung des Märchens. 14 Millionen Franken wollen die Engländer überweisen. Doch dann lässt der Medizin-Check den Transfer wegen eines angeblichen Herzproblems platzen. Dwamena ist am Boden zerstört und erholt sich bis zur Winterpause nicht mehr richtig von diesem Schock.
Feiglinge, alles Feiglinge. Dass die Klubs der Swiss Football League sich nicht über eine Modusänderung verständigen konnten, ist mangels überzeugender Alternativen zwar noch verständlich. Dass sie sich aber nicht zur Wiedereinführung der Barrage zwischen dem Vorletzten der Super League und dem Zweiten der Challenge League durchringen konnten, stellt sie in die Ecke der Angsthasen und Egoisten.
Aus Furcht vor dem Abstieg haben die Super-League-Klubs ihre Zustimmung verweigert. Das eigene Wohl liegt ihnen näher, als jenes des Schweizer Fussballs. Dabei wäre die Barrage die Chance gewesen, den beiden Ligen Spannung bis zum Saisonende zu garantieren.
Fussball ist ein Männer-Sport, die Atmosphäre in der Kabine Testosteron geschwängert. Schwule haben da keinen Platz, darf es nicht geben. Aber hey, wir schreiben ja 2017. Es gibt Schwulen-Paraden. Jeder und jede kennt einen homosexuellen Menschen. Manche sollen gar bisexuell, pansexuell oder asexuell sein. Was soll's?
Das dachte sich auch Schiedsrichter Pascal Erlachner (37), als er den Schritt an die Öffentlichkeit wagte und im «Sonntagsblick» kundtat: «Ja, ich bin schwul – na und?» Na und, Benjamin Kololli! Der Lausanner Fussballer will zwar nicht ausschliessen, dass es auch in seinem Team einen Schwulen gibt, findet aber: «Es wäre keine gute Idee, damit in die Öffentlichkeit zu gehen. Es könnte Konflikte erzeugen. Wir duschen ja zusammen.» Alle glatt rasiert. Intim, natürlich. So richtig metrosexuell.
Normalerweise läuft es so: vom Fussballplatz oder vom Trainerstuhl als Experte ins Leutschenbach. Matthias Hüppi geht die umgekehrte Richtung – vom SRF-Aushängeschild in das Haifischbecken «Fussballbusiness». Hüppi, portiert von den neuen Aktionären, ist der Mann, der den FC St. Gallen wachküssen soll. Gewohnt emotional seine Rhetorik: «Es chlöpft und tätscht! Wahnsinn! Grün-weisse Perücken auf!»
Sicher: Dem immer graueren Traditionsklub aus der Ostschweiz kann ein euphorisches Zugpferd guttun. Aber ob Hüppi tatsächlich ein guter Präsident ist, muss er sich selber und der Öffentlichkeit erst beweisen. Eine «grün-weisse Welle» wolle er lostreten, so Hüppi. Bleibt für ihn zu hoffen, dass er auf der Welle surft und nicht darunter gerät.
(aargauerzeitung.ch)