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Warum Leicester trotz miesen Statistiken die Premier League rockt

Jamie Vardy hat gegen Chelsea im 16. Spiel seinen 15. Saisontreffer erzielt und wird dafür von seinen Teamkollegen gefeiert.
Jamie Vardy hat gegen Chelsea im 16. Spiel seinen 15. Saisontreffer erzielt und wird dafür von seinen Teamkollegen gefeiert.
Bild: Andrew Yates/REUTERS

Die schlechteste Passquote und am drittwenigsten Ballbesitz – warum Leicester trotzdem die Premier League rockt

Leicester City ist dank dem 2:1-Sieg gegen Chelsea am Montagabend wieder Leader der Premier League. Doch warum mischen die «Foxes» eigentlich seit Monaten ganz oben mit? Die Antwort ist einfach: Weil Trainer Claudio Ranieri das simple Einmaleins des Fussballs spielen lässt.
15.12.2015, 14:0215.12.2015, 14:19
Philipp Reich
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Wie man sich doch irren kann: Leicester City gehörte zu Saisonbeginn in den Expertisen der englischen Zeitungen zu den meistgenannten Abstiegskandidaten. Kein Wunder: Die graue Maus der Premier League war in der Vorsaison fast abgestiegen, hielt nur dank sieben Siegen in den letzten neun Spielen die Klasse und sorgte mit einem rassistischen Sexvideo sowie der Entlassung von Retter Nigel Pearson fast ausschliesslich für Negativ-Schlagzeilen.

Hinzu kam, dass Leicester im Sommer den Italiener Claudio Ranieri als Nachfolger präsentierte, der sich zuletzt mit Griechenland zweimal gegen die Färöer Inseln blamierte und mit Schimpf und Schande davon gejagt wurde. Chelsea-Trainer José Mourinho lästerte zu Saisonbeginn: «Er hat fünf Jahre in England gelebt und immer noch Probleme damit, ‹Good Morning› zu sagen» oder «Er ist fast 70 und hat gerade mal einen Supercup und irgendeinen kleinen Pokal gewonnen.»

Mögen sich nicht besonders: Claudio Ranieri und José Mourinho.
Mögen sich nicht besonders: Claudio Ranieri und José Mourinho.
Bild: Andrew Yates/REUTERS
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bild: screenshot BBC

Spätestens seit gestern Abend lästert Mourinho nicht mehr über Ranieri, der von 2000 bis 2004 der Vorgänger des Portugiesen bei Chelsea war und die fast bankrotten «Blues» 2003 erstmals in die Champions League führte und so erst Roman Abramowitsch als Investor anlockte. Ranieris Leicester fügte Mourinhos Chelsea nämlich die neunte Saisonniederlage zu und eroberte dank dem 2:1 die Tabellenspitze von Arsenal zurück. Erstmals seit 1999 steht damit zu diesem Zeitpunkt der Saison keiner der «Big Five» (Chelsea, Arsenal, Liverpool, ManUnited, ManCity) zuoberst.

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Das Saisonziel «Klassenerhalt» haben die «Foxes» damit schon fast auf sicher, auch wenn Trainer Ranieri davon noch nichts wissen will: «Lasst uns erst die 40 Punkte auf dem Konto haben, dann schauen wir auf die nächsten Ziele, hält der «Tüftler» gegenüber ESPN die Erwartungen tief. Dabei hat erst einmal in der Premier-League-Geschichte ein Team, das nach 16 Spieltagen 32 oder mehr Punkte hatte, am Ende die Top 4 noch verpasst. 

Die Statistik sagt: Zu 97 Prozent beendet Leicester die Saison in den Top 4, zu 44 Prozent wird es sogar Meister.
Die Statistik sagt: Zu 97 Prozent beendet Leicester die Saison in den Top 4, zu 44 Prozent wird es sogar Meister.
bild: twitter

Die Eckpfeiler des Erfolgs von Leicester City sind auf den ersten Blick schnell ausgemacht: Shootingstar Jamie Vardy führt mit 15 Treffern in 16 Spielen die Torjägerliste an, Teamkollege Riyad Mahrez hat mit 11 Toren und 7 Assists genau gleich viele Skorerpunkte gesammelt.

Kopfschütteln bei Guardiola

Natürlich braucht es mehr als zwei treffsichere Stürmer, um die Premier League zu rocken. Doch wer sich die Statistiken von Ranieris Team anschaut, der staunt erstmal nicht schlecht: Nur zwei Teams hatten in den ersten 16 Partien weniger Ballbesitz als Leicester (43,9 Prozent): Das 13. West Bromwich und das 19. Sunderland.

Ausserdem schlagen die «Foxes» am zweitwenigsten Pässe, bei der Quote der angekommenen Pässe liegt man mit 70,6 Prozent gar ganz am Schluss der Liga. Würde man diese Zahlen Bayern-Trainer Pep Guardiola präsentieren, er hätte wohl nur ein Kopfschütteln dafür übrig.

Bei Ballbesitz und Passquote ist Leicester alles andere als spitze.
Bei Ballbesitz und Passquote ist Leicester alles andere als spitze.
bild: screenshot whoscored.com 

Was ist also das Geheimnis von Leicesters Erfolg? Trainer Ranieri lässt einen einfachen, schnörkellosen Fussball spielen. In der Defensive wird ohne grossen Schnickschnack verteidigt, kompromisslos und konventionell. Bei Balleroberung – hier ist Leicester Liga-Spitzenreiter – geht’s dann blitzschnell, mit wenigen Pässen soll der Gegner überrumpelt werden. Dieses simple Einmaleins des Konter-Fussballs wird von den Spielern mit viel Power und noch mehr Leidenschaft umgesetzt.

Unbeschwertheit als grosser Vorteil

Stürmer Vardy ist bei Ballverlust der erste Verteidiger, jeder rennt für jeden, das Team ist eine eingeschworene Truppe. Die Spieler aus der zweiten Reihe, beispielsweise der vor der Saison als «Königstransfer» gefeierte Neuzugang Gökhan Inler, akzeptieren ihre Rolle ohne aufzumucken.

Die Erfolge tragen ihr Übriges dazu bei: «Man rückt mit jedem weiteren Sieg noch näher zusammen. Irgendwann ist man mannschaftlich so geschlossen, dass man andere Teams, die vielleicht individuell besser besetzt sind, in Bedrängnis bringen kann», erklärte der österreichische Verteidiger Christian Fuchs unlängst gegenüber 11Freunde.

Was also ist für Leicester, den Verein von Torwartlegende Gordon Banks und des jungen Gary Lineker, in dieser Saison noch möglich? Ein Champions-League- oder ein zumindest ein Europa-League-Platz liegen in Anbetracht der unkonstanten Konkurrenz in Reichweite. Das Team ist eingespielt, das System funktioniert und man kann im Gegensatz zu den immer wieder strauchelnden Topteams ohne Dreifach-Belastung unbeschwert aufspielen.

Probleme könnte es geben, wenn sich einige Stammspieler verletzen oder die Stars wie Vardy oder Mahrez im Winter-Transferfenster den Verlockungen der mit Geld wedelnden Topklubs nicht widerstehen können und den Verein verlassen. Ranieri hat die beiden zwar für unverkäuflich erklärt, doch in der Premier League ist auch unverkäuflich nur eine Frage des Preises.

Wohin die Reise für Leicester City geht, werden die nächsten Wochen weisen. Bis Mitte Januar muss man zweimal nach Liverpool (zu Everton und zu den «Reds) sowie nach London zu Tottenham. Zu Hause empfängt die Ranieri-Truppe ausserdem Manchester City und den AFC Bournemouth. Steht die «Foxes» auch dann noch oben, dann muss Gary Lineker vielleicht tatsächlich in Unterwäsche moderieren.

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