Der Fussballprofi Filip Kostic hat beim VfB Stuttgart bisher 29 Erstligaspiele absolviert, er hat dabei drei Tore geschossen, er hat in der Vorsaison eine starke Rückrunde absolviert. Kostic ist ein zwar nicht überragender, aber unbestritten sehr talentierter Spieler, der VfB hat in der Vorsaison daher immerhin sechs Millionen Euro ausgegeben, um den Serben vom FC Groningen zu verpflichten.
Gestern Montag, zum Abschluss der Transferperiode in Deutschland, wurden für den 22-Jährigen Transfersummen von 20 Millionen, einige kolportieren gar 30 Millionen Euro, gehandelt.
Vielleicht hat noch nie ein Tag so deutlich gemacht, was Profifussball ist, wie dieser letzte Tag des Transfergeschäftes. Der Tag, der jetzt auch bei uns «Deadline Day» zu heissen hat, um eine griffige Vermarktung zu gewährleisten. Wie unter einem Brennglas hat er all das in konzentrierter Form zu Tage gefördert, was an dieser Branche Unbehagen verursacht.
Da werden die beiden langjährigen Dortmunder Stammspieler Kevin Grosskreutz und Jakub Blaszczykowski mal eben durch die Hintertüre nach Florenz und Istanbul abgegeben. Beide waren Helden der Dortmunder Meisterjahre, Lieblinge des Publikums, Identifikationsfiguren. Egal. Schmucklos, ohne Girlanden, ohne grosse Verabschiedung, ab zum Medizincheck. Und tschüss.
Dass man solche Transfers durchziehen kann, während die Saison schon läuft, kommt den Vereinen dabei wunderbar entgegen: Was im Sommer vielleicht noch für heftige Diskussionen und Unmut bei den Fans gesorgt hätte, geht in der Hektik des Montags unter. BVB-Trainer Thomas Tuchel hat die beiden zuletzt schon gar nicht mehr im Kader berücksichtigt. Das lindert den Fan-Schmerz. Es heisst dann gerne: «Sie spielten in den Planungen des Trainers keine Rolle mehr.»
Ein paar Kilometer weiter, in Gelsenkirchen, lässt Schalke 04 sein vielleicht grösstes Talent Julian Draxler nach Wolfsburg ziehen. Draxler ist seit 14 Jahren ein Königsblauer, er war ein achtjähriger Junge, als er zu Schalke kam, er ist jetzt Nationalspieler und Weltmeister. Jener Draxler, für den angesichts der Vertragsverlängerung vor zwei Jahren noch Kleinlaster durchs Ruhrgebiet geschickt wurde mit überlebensgrossem Porträt des Spielers und dem Motto: «Mit Stolz und Leidenschaft bis 2018». Leidenschaft ist vergänglich. Das wissen wir alle aus Beziehungen. In diesem Fall reichte sie bis zum 31. August 2015.
Draxler also ab sofort in Wolfsburg, dafür dann Aaron Hunt, der mal als ähnlich heisse Ware wie Draxler gehandelt wurde, von Wolfsburg zum Hamburger SV. Hunt, der bei Werder Bremen gross und zum Nationalspieler wurde und jetzt kein grosses Problem damit hat, zum Erzrivalen Hamburger SV zu wechseln. Warum auch nicht?
Im Minutentakt rattert es in der Nachrichtenagentur. «Jung-Bin Park wechselt vom Karlsruher SC zu Hobro IK», «Werder leiht Hajrovic nach Spanien aus», oder, was immerhin noch sehr poetisch klingt: «FSV holt Mittelstürmer Cordoba aus Granada». Und die «Sky»-Reporter hühnern in ihren gelben «Deadline-Day»-T-Shirts aufgeregt von Flughafen zu Vereinsgelände, 24 Stunden live und in Farbe, sie raunen in die Mikrofone: «Der Medizincheck ist noch nicht vollständig vollzogen.» Huihuihui, was da noch passieren mag. Oft passiert allerdings: nichts.
Izet #Hajrovic wird an den spanischen Erstligisten SD Eibar ausgeliehen. Viel Erfolg, Izet. pic.twitter.com/zfabwnlain
— SV Werder Bremen (@werderbremen) 31. August 2015
Die Frage, warum Teams Monate zur Saisonvorbereitung benötigen, um dann innerhalb weniger Tage den halben Kader auszutauschen, schwingt ganz leise mit, wird aber nicht beantwortet. Denn das grosse Vorbild ist England, da wird das seit Jahren so gemacht, und was England macht, ist gut. Weil dort das meiste Geld bewegt wird. Also machen wir es genauso, das sind ja die Mechanismen der Branche, kann man nichts machen. Wäre doch naiv, das anders zu sehen.
Man darf das tatsächlich alles achselzuckend hinnehmen. Ist halt so. Das ist eben das Geschäft. Man kann aber auch jeden Fussballfan verstehen, der sagt, dass er mit alldem nicht mehr viel zu tun haben möchte.