Sport
International

Der Präsident und sein Verfolger – Jennings will Blatter stürzen

«Möchten Sie mir nicht eine Frage zu Ihren Einkünften beantworten?» Journalist Andrew Jennings und sein «Opfer», FIFA-Präsident «Sepp» Blatter.
«Möchten Sie mir nicht eine Frage zu Ihren Einkünften beantworten?» Journalist Andrew Jennings und sein «Opfer», FIFA-Präsident «Sepp» Blatter.Bild: Screenshot/bbc

Der Präsident und sein Verfolger – Jennings will Blatter stürzen

Andrew Jennings ist ein britischer Investigativjournalist. Seit Jahren ist er der Albtraum, der alle FIFA-Kleptomanen heimsucht. Er behauptet zudem, dem FBI die entscheidenden Dokumente für die Verhaftung der FIFA-Funktionäre geliefert zu haben.
30.05.2015, 09:2130.05.2015, 14:25
Christoph Bopp
Mehr «Sport»
Ein Artikel von
Aargauer Zeitung

Grosse Dramatiker wissen das schon längst. Tragödien haben immer Nebenfiguren. Skurrile Clowns, die das Streben und Leiden der Heldinnen und Helden auf niedererem Niveau nachvollziehen. 

Manchmal bedienen sie sich der erhabenen Worte, die den Hamlets und Co. zustünden und machen sich lächerlich. Manchmal lösen sie die Konflikte, die oben mit gedrechselten Argumenten ausgebreitet werden, einfach handfest. Sosias in Kleists «Amphitryon» wird von Merkur einfach verprügelt, wenn er aufbegehren will. Papageno in Mozarts «Zauberflöte» ergötzt das Publikum durch seinen durchtriebenen Schalk und sein Stammeln.  

Im realen (FIFA-)Leben ist das ganz ähnlich. Allerdings gibt es hier keine Ebenen, sondern es findet alles auf einer Bühne statt. Es geht um Millionen und die niedersten Instinkte wie Gier, und es geht um ein Spiel, das Massen begeistert, und es geht um das Amalgam aus beidem: Das Geld, das man mit der Beliebtheit des Fussballs bei den Massen machen kann. 

Blatter und sein Quälgeist 

Im Moment wird eher die Tragödie gegeben. Es ist ernst. Die Dinge, um die es ging, sind allerdings die gleichen wie damals, als man sich eher in einer Komödie wähnte. «Nein, du wirst jetzt nicht aufstehen!» Das sagte Blatter an einer FIFA-Medienkonferenz in den Saal hinein. Ältere Kollegen wussten schon, worum es ging und grinsten. Gemeint war Andrew Jennings, ein unerschrockener Journalist, der schon härtere Brocken bearbeitet hat in Sachen Korruption in seiner Karriere, aber kaum einen, der so zäh ist wie sein Erzfeind «Sepp» Blatter. 

«Wenn Kinder mich fragen, was ich so mache, sage ich jeweils, ich verdiene meinen Lebensunterhalt, indem ich böse Männer jage.» Jennings ist Brite und liebt das Understatement. Mit 40 habe er sich umgeschaut, was es neben korrupten Polizisten, betrügerischen Politikern und normalen Kriminellen noch so gäbe. Und er sah den Sport. Er nahm sich das Olympische Komitee vor und zeigte der Welt, dass Juan Antonio Samaranch, der damalige Herrscher auf dem Olymp, eine faschistische Vergangenheit hatte und dem mörderischen Franco-Regime diente. Und dass rund um ihn ein Haufen Leute agierte, die eigentlich hinter Gitter gehörte. «Lord of the Rings» hiess das Buch. 

BBC Panorama FIFA: Der Report «Football's Shame» von Andrew Jennings aus dem Jahr 2011.YouTube/Andrew Jennings

Dann wandte er sich dem Fussball zu. Die Schlüsselszene beschreibt er eingangs seine Buches «Foul!», das 2006 erschien. Sie spielt an einem Wintermorgen 1998, FIFA-Büro. Eine Zahlung, offensichtlich Schmiergeld, geht ein. «Das gehört nicht uns», sagt Finanzchef Erwin Schmid konsterniert, und Blatter weiss auch, dass diese Million eigentlich an João Havelange hätte gehen sollen, den Präsidenten (Blatter war damals noch Generalsekretär). 

«Wenn Kinder mich fragen, was ich so mache, sage ich jeweils, ich verdiene meinen Lebensunterhalt, indem ich böse Männer jage.» 
Andrew Jennings

Diese Million führt uns wieder auf die Bühne. Denn Jennings pflegte als «running gag» jeweils auf den FIFA-Pressekonferenzen aufzutauchen und den Präsidenten Blatter mit der Frage zu martern, wo denn die Million geblieben sei. Die Kollegen wussten schon, wie es weiterging. Blatter wand sich, schaute auf seine Notizen, schwieg – und litt. Bis ihm der rettende Satz einfiel: «Ich weiss nicht, was diese Frage hier mit unserer Pressekonferenz zu tun hat. Und ich bin sicher, dass Ihre Kollegen da mit mir einig sind.» 

Jetzt auf

Blazers fehlende Steuererklärung 

Dann sagte der FIFA-Pressechef: «Sind noch weitere Fragen?» Und dann war die Konferenz zu Ende. Die schriftliche Formulierung der Antwort übrigens: «Der FIFA-Präsident hat keine Kenntnis von den Vorgängen, auf die Sie sich beziehen.» Und irgendwann liess man Jennings nicht mehr in den Saal, wenn die FIFA Hof hielt. 

Bis heute weiss niemand, wie viel «Sepp» verdient. Er ist angestellt, das gibt er zu. Und Schweizer reden nicht über ihren Lohn. Jennings bekam ein Dokument zugespielt, das zeigte, dass sich Blatter jährlich einen «Loyalitätsbonus» zuhielt. Schon am gleichen Tag, als die Geschichte in der «Daily Mail» erschien, reagierte Blatter juristisch. Das schreckt einen wie Jennings nicht. Er bleibt dran.

Was wirklich dran ist an den «Dokumenten», die das FBI zu seiner Aktion motivierte, ist schwierig. Jennings weiss vieles, und was er schrieb oder am Fernsehen zeigte, war niet- und nagelfest. Vermutlich ging es um Hinweise an die IRS, die US-Steuerbehörde, dass Chuck Blazer es mit den Steuern nicht so genau nähme. Und Blazer kooperierte mit der Justiz. Das sollte eigentlich schon reichen. Wie beherzt das Justizdepartement und die Steuerbehörde zusammenspannen können, wissen immerhin unsere Banken.

DANKE FÜR DIE ♥
Würdest du gerne watson und unseren Journalismus unterstützen? Mehr erfahren
(Du wirst umgeleitet, um die Zahlung abzuschliessen.)
5 CHF
15 CHF
25 CHF
Anderer
twint icon
Oder unterstütze uns per Banküberweisung.
Das könnte dich auch noch interessieren:
0 Kommentare
Weil wir die Kommentar-Debatten weiterhin persönlich moderieren möchten, sehen wir uns gezwungen, die Kommentarfunktion 24 Stunden nach Publikation einer Story zu schliessen. Vielen Dank für dein Verständnis!
Zeigt Mike Johnson jetzt endlich Eier?
Der Speaker des Abgeordnetenhauses riskiert seinen Job, wenn er am Samstag tatsächlich das Hilfspaket für die Ukraine zur Abstimmung bringt.

Der Präsident will es, der Senat will es, und auch eine Mehrheit der Abgeordneten will es, das Hilfspaket für die Ukraine. Bisher jedoch sind die so dringend benötigten Gelder blockiert. Der Grund für diese absurde Situation liegt im amerikanischen Politsystem. Der Führer der Mehrheit in der jeweiligen Kammer kann darüber entscheiden, ob ein Gesetz zur Abstimmung gelangt oder nicht. Das hat weitreichende Konsequenzen.

Zur Story