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Interview

Jay McClement: Wie ein NHL-Star im für ihn völlig unbekannten Olten landete

Erstes Training mit dem neuen EHCO-Kanadier Jay McClement unter den wachsamen Augen des Trainers und noch immer mit Jetlag - und im Interview mit Silvan Hartmann und Marcel Kuchta
Jay McClement: 917 NHL-Partien und jetzt sitzt er im EHC-Olten-Pullover in der Schweiz und spielt in der Swiss League.Bild: Bruno Kissling / az medien
Interview

Wie ein NHL-Star im für ihn völlig unbekannten Olten landete 

Jay McClement hat 917 NHL-Spiele auf dem Buckel ist nach einer aufregenden Zeit beim EHC Olten gelandet. Im grossen Interview spricht er über das knallharte NHL-Business, seine Ziele mit dem EHCO und er sagt, woran er sich noch gewöhnen muss.
31.10.2017, 12:3931.10.2017, 14:19
Silvan Hartmann, marcel kuchta / Aargauer Zeitung
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Der neue EHCO-Ausländer Jay McClement hat aufregende Tage hinter sich: Noch vor etwas mehr als einer Woche kannte er die Schweiz lediglich vom Hörensagen. Doch dann ging es Schlag auf Schlag: Am vergangenen Freitag bestieg er in der Heimat ein Flugzeug, landete am Samstagmorgen, 9 Uhr, in Zürich, stand um 11 Uhr mit dem EHCO-Team bereits auf dem Eis und bestritt sein erstes Training im Stadion Kleinholz. Am Sonntag folgte sein erstes Spiel im EHCO-Dress beim 3:2-Sieg in Rapperswil.

Nun sitzt der 34-Jährige nach dem Montagmorgen-Training im Restaurant «Muusfalle», gut gelaunt, den Jetlag überwunden, aber weit weg von seiner Frau und seinen zwei Kindern (4 Jahre und 6 Monate alt) und spricht über das knallharte Business in der NHL, seine ersten Eindrücke in der Schweiz und bevorstehenden Aufgaben.

Carolina Hurricanes' Jay McClement (18) is defended by San Jose Sharks' Justin Braun (61) during the second period of an NHL hockey game Saturday, Dec. 10, 2016, in San Jose, Calif. (AP Phot ...
Jay McClement (r.) muss sich an vieles in der Schweiz erst gewöhnen.Bild: AP/AP

Jay McClement, als bekannt wurde, dass der EHC Olten sich für einen dritten Ausländer interessiert, haben wir uns umgehört, welche Spieler sich auf dem Markt befinden. Ein Sportchef eines NLA-Teams nannte Ihren Namen, mit dem Hinweis: «Das ist wohl keiner für die NLB.» Nun haben Sie in Olten unterschrieben und die Schweizer Hockeyszene staunt ...
Jay McClement:
Nun, in meinem Alter von 34 Jahren tickt die Uhr, meine NHL-Karriere neigt sich allmählich dem Ende zu. Mit jedem Tag wird es schwieriger, einen Platz in einem Team zu erkämpfen. Ich wollte es in der NHL, bei den Pittsburgh Penguins, noch einmal probieren, erhielt einen Probevertrag, doch leider hat es nicht gereicht.

Warum nicht?
Ich muss sagen: Pittsburgh-Manager Jim Rutherford behandelte mich sehr fair. Er hatte stets das Gefühl, dass ich noch immer das Potenzial hätte, in der NHL spielen zu können. Aber dann wurde das Team so zusammengestellt, dass es für mich keinen Platz mehr gab.

Toronto Maple Leafs defenseman Cody Franson, right, is congratulated by teammate Jay McClement after scoring against the Detroit Red Wings during first-period NHL hockey game action in Toronto, Saturd ...
Jay McCelment erlebte in der NHL fast 1000 Spiele.Bild: AP/The Canadian Press

Wie gross war Ihre Hoffnung, dass es doch noch irgendwo mit einem NHL-Vertrag klappen könnte?
Es war mir immer bewusst, dass es ein harter Weg ist, sich als Probespieler in der NHL behaupten zu können. Es gibt unzählig viele Spieler, die sich in meiner Position befinden und sich um einen Platz als Viertlinien-Center eines NHL-Teams bemühen. Manchmal funktioniert es dann, manchmal nicht. Ich habe nichts zu bedauern, ich habe alles gegeben und habe gut gespielt. Es hat nicht sollen sein.

Wann wurde dann Europa für Sie zu einer Option?
Nach dem negativen Bescheid in Pittsburgh wollte ich erst einmal abwarten, weil es in den ersten Wochen der NHL-Saison viel Bewegung in den Teams gibt, welche jungen Spielern eine Chance geben, diese aber den Schritt doch nicht schaffen. Ich hatte das Gefühl, dass sich noch etwas ergeben könnte. Man muss sich dann aber sehr schnell entscheiden. Jeder Tag, an dem du keinen Anruf erhältst von einer Organisation, ist ein verlorener Tag. Die Türe zur NHL schliesst sich weiter, bis sie komplett zu ist. Dann wurde mir bewusst, dass meine NHL-Karriere beendet ist. Erst dann wurde Europa eine Option.

Erstes Training mit dem neuen EHCO-Kanadier Jay McClement unter den wachsamen Augen des Trainers und noch immer mit Jetlag - und im Interview mit Silvan Hartmann und Marcel Kuchta
Training in Olten für den NHL-Routinier.Bild: bruno kissling / AZ medien
«95 Prozent der NHL-Spieler müssen jeden Tag hart um ihren Job kämpfen.»

Sie waren nahe dran, die Saison mit Pittsburgh zu starten. Ist das nicht besonders hart, wenn man es dann doch nicht schafft?
Nein, ich wusste ja, dass es passieren kann. Ich bin realistisch genug und schon lange im Geschäft tätig, um zu wissen, wie hart es ist, einen Job zu kriegen. Fünf Prozent aller Spieler müssen sich nie Sorgen um ihren Job machen. Die anderen 95 Prozent müssen jeden Tag hart darum kämpfen. Es gibt 31 Teams in der NHL, von denen höchstens vier oder fünf an dir interessiert sind. Selbst dann ist der Weg noch weit. Ich schätze einfach die Zeit, die ich in der NHL haben durfte.

Wie fühlt sich ein solches NHL-Ende nach 917 Spielen an?
(Zuckt mit den Schultern) Man muss es akzeptieren. Schliesslich kam ich an den Punkt, an welchem ich sagen musste: Entweder ich entscheide mich nun für einen Wechsel nach Europa, oder das war es mit meiner Karriere als Eishockeyspieler. Aber ich fühle mich noch sehr fit und nicht bereit dazu, meine Schlittschuhe an den Nagel zu hängen. Ich beschloss dann mit meiner Frau, das Abenteuer Europa in Angriff zu nehmen. Wir wollten das schon immer einmal tun. Nun ist die Chance da, eine neue Kultur, ein neues Land, kennenzulernen.

«Wussten Sie vor der Unterschrift etwas über Olten?» – «Nein.»

Damit kam der Anruf aus Olten zum idealen Zeitpunkt.
Ja, es war das erste konkrete Angebot aus Europa. Es ging dann alles sehr schnell. Ich will grundsätzlich Eishockey spielen, Spass haben in einem konkurrenzfähigen Umfeld – das alles bietet mir der EHC Olten. Der Verein hat grosse Pläne und ich glaube, ich kann der Organisation helfen.

Wussten Sie vor der Unterschrift etwas über Olten?
Nein.

Wie kann man sich das vorstellen, wenn man ein Angebot eines unbekannten Teams erhält? Sitzen Sie vor den Computer und googeln?
Ja, das trifft es ziemlich gut (lacht). Man liest sich ein und fragt sich bei den Leuten rum, die schon Erfahrungen gesammelt haben. Ich hatte Kontakt mit einigen Freunden, die zwar nicht in der Schweiz gespielt haben, aber das europäische Eishockey kennen. Sie alle haben mir angeraten, den Schritt zu machen. Als Familie kommen, nebst dem sportlichen, viele weitere Faktoren dazu. Mein Sohn ist im Kindergarten, was ein grosses Anliegen meiner Frau war. Und so versucht man dann, nicht nur über das Sportliche wichtige Informationen zu finden, sondern auch welche über das Schulsystem, das Gesundheitswesen und solche Sachen. Die Schweiz ist ja überall weltweit in der Spitze vertreten. Ich glaube, wir brauchen uns keine Sorgen zu machen (lacht).

Die Oltener Spieler lassen sich von den Fans feiern nach dem gewonnenen sechsten Halbfinal-Playoffspiel der National League B zwischen dem EHC Olten und dem SC Langenthal in der Eishalle Kleinholz in  ...
Fans, die ihr Team ein Spiel lang lautstark und mit Trommeln unterstützen – Neuland für einen NHL-Profi.Bild: KEYSTONE

Was wussten Sie sonst von der Schweiz?
Um ehrlich zu sein: Nicht viel – das ist ja der Grund, warum wir jetzt hier sind (lacht). Wir wissen, dass es ein schönes Land ist, sehr viele schöne Orte hat. Berge, die zum Skifahren einladen. Aber ich war zuvor noch nie in der Schweiz, auch nicht mit dem Team Canada.

Erzählen Sie von Ihren ersten Eindrücken.
Ich bin positiv beeindruckt. Es sieht so aus, als hätten wir hier eine coole, talentierte Truppe beisammen, die grossen Spass am Eishockeyspielen hat. Auch das erste Spiel in Rapperswil machte Spass. Es fand in einer hübschen Umgebung statt mit einem wichtigen Sieg für uns. Es wird nicht nur für mich persönlich eine aufregende Erfahrung, sondern auch für meine Frau und unsere beiden Kinder. Sie werden während der Nationalmannschaftspause in die Schweiz reisen. Ausserdem haben bereits Freunde und Verwandte gesagt, dass sie mich besuchen möchten, sie planen eine Reise in die Schweiz.

Sportlich dürften Sie einen Kulturschock haben nach elf Jahren NHL. Sie müssen jetzt die Eishockeytasche selber tragen.
Ach, das ist kein Problem (lacht). Ja, es ist bestimmt vieles anders als in Nordamerika. Aber es geht doch unter dem Strich darum, Spass zu haben und konkurrenzfähiges Eishockey zu spielen. Ich werde viel mehr noch etwas Zeit brauchen, bis ich mich an das grössere Eisfeld gewöhnt habe. Auch die Fanszene und die Atmosphäre sind nicht zu vergleichen. Wir haben keine Trommeln im Stadion und keine Fangesänge. Ich habe gestaunt, dass es das ganze Spiel hindurch sehr laut ist.

Maskottchen "Speedy" vom EHC Olten waehrend dem Swiss Ice Hockey Cup 1/8 Final zwischen dem EHC Olten und dem EHC Biel-Bienne am Sonntag, 22. Oktober 2017, im Stadion Kleinholz in Olten. (KE ...
Von der Powermaus wusste Clement bisher natürlich auch noch nichts.Bild: KEYSTONE

Sie haben sich in der NHL als Defensivcenter einen Namen gemacht. In der NLB sind die Erwartungen an die Ausländer jedoch auch in Sachen Offensive extrem hoch. Ist es schwierig für Sie, wieder in eine Offensivrolle zu schlüpfen?
Mir ist bewusst, dass von mir viel verlangt wird. Aber es braucht nicht nur Spieler, die Tore schiessen. Ich hoffe, dass ich auch mit meiner Erfahrung dem Team helfen kann. Es braucht viel Erfahrung, um Meisterschaften und Playoffspiele gewinnen zu können. Für eine offensivere Rolle im Spiel werde ich mich sicher etwas umstellen müssen, aber ich denke, damit werde ich mich zurechtfinden.

Sie haben auch eine grosse Erfahrung im Nationalteam, wurden mit dem Team Canada Weltmeister. Sind die olympischen Spiele ein Thema für Sie?
Natürlich wäre es eine grosse Ehre, noch einmal für Kanada spielen zu dürfen. Aber ich weiss es ehrlich gesagt nicht, wie die ganze Situation aussieht. Ich habe keine Informationen dazu.

Jetzt auf

Es gibt Gerüchte, wonach Sie ins Olympia-Team passen würden, zumal die NHL-Spieler nicht teilnehmen werden.
Klar, es wäre grossartig. Aber alles was ich beeinflussen kann, ist mein persönliches Spiel für Olten. Die Olympischen Spiele waren nicht der Grund, weshalb ich hierhin kam.

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15 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Pana
31.10.2017 14:51registriert Juni 2015
Auch hier, liebes Watson-Team: Bitte vermehrt über die NLB berichten. Auch wenn es nur zwei mal pro Woche die Agentur-Meldung mit ein paar Fotos wäre. Die NLB wird in den nationalen Medien totgeschwiegen. Das wieso ist mir schleierhaft (das selbe gilt für die Fussball NLB).
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Slotter
31.10.2017 13:57registriert Juli 2015
Ein Beweis dafür, dass in der NLB (ich kann mit den neuen Bezeichnungen nichts anfangen) durchaus ambitionierte Teams am Werk sind. Hoffentlich hört bei uns der Artenschutz für langjährige Klubs mal auf und sportliche Abstiege wieder "normal" und nicht künstlich verunmöglicht. Bern - Olten oder ZSC - Rapperswil wäre mal eine Abwechslung zu den wiederkehrenden Partien gegen die immer gleichen Schwanzklubs.
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sowhatopinion
31.10.2017 14:28registriert August 2015
Ist ja schon nicht schlecht, wenn ein Nordamerikaner weiss wo ungefähr die Schweiz liegt
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