Peter Schmeichel, wie viele
Instrumente spielen Sie eigentlich?
Peter Schmeichel: Mehrere. Mein Vater
war Jazz-Musiker, da passiert das fast
wie von selbst.
Und wer wird in der Gruppe A der
Champions League für Musik sorgen?
Manchester United, hoffe ich. Aber das
ist alles andere als ein Selbstläufer. Viele
Leute sprachen nach der Auslosung von
Losglück. Aber wir haben mit jedem
Gegner eine Vorgeschichte. Benfica hat
uns im Old Trafford geschlagen. ZSKA
schaffte zweimal ein Unentschieden.
Und gegen Basel ...
... hat United zuletzt auch nicht gerade
brilliert.
Basel hat uns rausgeworfen! Man erwartet,
dass es ein Spaziergang wird für
uns. Aber das wird es nicht: Manchester
wird in jeder Partie das Maximum abrufen
müssen, sonst wird's richtig
schwierig.
Im Ernst?
Ich glaube, es wäre für uns einfacher in
einer Gruppe mit Barcelona, Juventus
und Tottenham. Da hat man Top-Qualität.
Da weiss man, dass man jedes
Mal sein absolut Bestes geben muss, um
zu gewinnen.
Und gegen Basel?
Für sie ist das Spiel gegen Manchester
United etwas sehr, sehr Spezielles. Die
Basler werden über sich hinauswachsen.
Für United dagegen ist es ein
Spiel, in dem jeder einen Sieg erwartet.
Ein Pflichtsieg.
Sie sagen also, dass die Konstellation
ein Vorteil für Basel ist?
Sagen wir es so: Ich habe beide Seiten
erlebt und ich weiss, dass ein kleines
Team in solchen Momenten unglaubliche
Kräfte entwickeln kann. Das
macht es ungemein schwierig für den
Favoriten.
Wann waren Sie denn in der
Aussenseiterposition?
Anfang der 90er-Jahre hatten wir mit
Bröndby ein äusserst erfolgreiches Jahr
im UEFA-Cup. Wir schlugen Frankfurt
zu Hause mit 5:0. Das war damals ein
Topteam der Bundesliga. Wir stiessen
bis in den Halbfinal vor. Im Vergleich
zum Liga-Alltag spielten wir in jeder
dieser Partien eine Klasse besser. Das
passiert, wenn Teams wie Basel gegen
United spielen.
Sie wechselten danach für 500'000
Pfund zu Manchester United.
Ja, ich war damals richtig teuer (lacht).
Wenn Sie die Transfersummen betrachten,
die heute bezahlt werden,
zum Beispiel die 220 Millionen für
Neymar, was denken Sie da?
Was derzeit abgeht, ist komplett verrückt.
Das muss aufhören. Die Fifa und
die Uefa müssen einschreiten. Es braucht
Regeln.
Warum?
Weil nur noch ein exklusiver Kreis von
Klubs die absoluten Top-Spieler kaufen
kann. Für mich aber ist Fussball ein
Wettbewerb, der auf dem Platz entschieden
werden soll. Nicht mit Geld
allein. Verstehen Sie mich nicht falsch,
ich begrüsse es, dass so viel Geld in den
Fussball fliesst, dass die Spieler genug
verdienen, um nach der Karriere glücklich
zu leben. Aber derzeit eskaliert es.
Und was mir völlig widerstrebt, ist die
Tatsache, dass ein Spielerberater mit
einem Transfer 35 Millionen Pfund einstreichen
kann.
Warum ist das falsch?
Weil man so viel Gutes machen könnte
für den Fussball mit diesem Geld. Ganz
unten, beim Nachwuchs, der Ausbildung.
Wir könnten alle Fussballer
medizinisch versichern. Viele kriegen
nach ihrer Karriere Probleme mit alten
Verletzungen – und dann haben sie keine
Ansprüche mehr.
Bevor Sie Profi wurden, arbeiteten
Sie in verschiedenen Jobs. Unter
anderem als Reinigungskraft. Wie
hat Sie das geprägt?
Ich bin überzeugt, dass ich profitiert
habe. Es hat mir eine andere Perspektive
gegeben. Heute werden die besten
Fussballer so früh verpflichtet, dass sie
keine Chance haben, irgendwann mal
einen normalen Job zu machen. Das ist
schon speziell.
Muss man diese Erfahrung machen?
Natürlich nicht. Aber manchmal schaut
man sich einen Spieler an, einen mit
sehr viel Talent, sehr gutem Lohn und
fragt sich, warum er keine Leistung
liefert. Wer nur ein bisschen etwas vom
Leben gesehen hat, hätte vielleicht den
nötigen Kampfgeist in einer solchen
Situation, den Biss.
Die Zeiten haben sich geändert.
Das können Sie laut sagen. Heute ist es
nicht einmal mehr erlaubt, dass die
Junioren die Schuhe der Spieler der
ersten Mannschaft putzen. Das war in
England gang und gäbe. David Beckham
hat mir erzählt, dass er als Bub zu den
Schuhen von Bryan Robson Sorge tragen
musste. Jeden Morgen hat er dem
Captain die sauberen Schuhe gebracht.
Wenn er ein Lob bekam, platzte er fast
vor Stolz.
Was lehrt einen das?
Demut.
Und die fehlt den Fussballern der
Gegenwart?
Ja, das glaube ich.
Hat sich der Fussball in England
unter all den Trainern vom
Festland eigentlich verändert?
Ja. Und wie ich finde, nicht zum Guten.
Aber das ist meine ganz persönliche
Meinung. Ich liebe nun mal die Körperlichkeit
des Fussballs. Mich entzückt ein schönes Tackling. Wenn nur noch
Messis spielen würden, fände ich das
langweilig.
Warum?
Come on! Das ganze Ballgeschiebe,
dieses ewige Hin und Her? Irgendwann
muss doch irgendetwas passieren.
All die Guardiolas, Klopps und
Contes haben dem englischen
Fussball also die Physis geraubt?
Nein, das nicht. Aber viele kamen mit
einer Idee, wie das Spiel zu funktionieren
hat. Sie haben sich nicht angeschaut,
was hier für eine Fussball-Kultur
herrscht, welche Spieler sie im Kader
haben, welche Qualitäten, sondern sie
versuchten einfach, ihr Schema auf die
Mannschaft zu drücken. Aber so geht
das nicht im Fussball.
Glauben Sie, dass Manchester bald
so stark ist wie in früheren Zeiten?
Der geglückte Saisonstart stimmt mich
optimistisch.
Nach dem Meistertitel 2013 und
dem Rücktritt von Alex Ferguson
als Trainer fiel Manchester United
in ein tiefes Loch. Waren die Fussstapfen
von Ferguson zu gross?
Natürlich war sein Schatten gross. Aber
viele Leute scheinen zu vergessen, dass
mit ihm auch David Gill als Vorstandsvorsitzender
zurücktrat. Er hat die
Transfers gemacht. Sein Nachfolger, Ed
Woodward, hatte vom Business keine
Ahnung, als er anfing.
Und die Folgen?
Als David Moyes Trainer wurde, war da
niemand, der ihm Spieler kaufen konnte.
Der einzige Neuzuzug in dieser Transferperiode
war Fellaini.
Ist das tragisch?
Wenn man ein Team nicht in jeder
Transferperiode verstärkt, fällt man zurück.
Und Moyes hätte zu Beginn die
besten Spieler gebraucht, die man sich
vorstellen kann. Aber so nahm die Geschichte
einen anderen Lauf.
Manchester United verlor einen Teil
seines Glanzes, schaffte zweimal die
Qualifikation für die Champions
League nicht.
Man kann seinen Ruf schnell verlieren.
Unter Moyes verlor United sieben Mal
im Old Trafford. Das spricht sich rum
unter den Gegnern, wir haben viel von
dieser natürlichen Überlegenheit eingebüsst.
Auch deshalb war der gute Start
diese Saison so wichtig. Die Gegner
müssen ins Old Trafford kommen mit
dem Wissen, dass es nichts zu holen
gibt. Gar nichts. Das müssen wir ihnen
in die Köpfe hämmern.