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Wie erleichtert sind Sie, dass die Schweiz die Qualifikation für die WM geschafft hat?
Xherdan Shaqiri: Ich glaube, wir sind alle sehr erleichtert. Aber ich denke auch, dass wir an eine WM gehören. Wir haben nach dem Spiel alle zusammen angestossen, aber eine grosse Party gab es nicht.
Ist die Teilnahme an einer WM für die Schweiz so selbstverständlich, dass man nicht mal gross feiert?
Es ist schon nicht mehr so aussergewöhnlich. Unsere Qualität ist viel höher als früher. Auch deshalb ist es ganz klar immer unser Ziel, dabei zu sein.
Und was ist das Ziel fürs Turnier?
Wir wollen endlich mal etwas Historisches erreichen, und dafür müssen wir eben weiter kommen als bislang. Und genau das ist folglich auch das Ziel.
Was fehlt der Schweiz für den grossen Coup?
Wir müssen im richtigen Moment da sein. Auf den Punkt. Dann, wenn es drauf ankommt. Dass wir das können, haben wir in letzter Zeit nicht bewiesen. Natürlich haben wir eine gute Qualifikation gespielt und mit neun Siegen mehr geholt, als man uns nach der Auslosung zugetraut hatte. Aber als es dann darauf angekommen ist, im Spiel gegen Portugal, haben wir etwas versagt. Das sind die grossen Spiele, in denen alle zuschauen, nicht jene gegen Andorra oder die Färöer-Inseln.
In weniger als 200 Tagen beginnt die WM. Ist schon Vorfreude da?
Nein, das ist noch zu weit weg. Ich bin froh, dass wir es geschafft haben und man das abhaken kann bis nächsten Sommer. Jetzt geht es darum, diese positiven Gefühle mit in die Klubs zu nehmen und dort erfolgreich zu sein.
Heute ist aber noch die Auslosung. Haben Sie einen Wunsch?
Ich messe mich immer gerne mit den Besten. Von dem her ist mir eine starke Gruppe recht.
Also lieber Brasilien als Polen?
Sicher wäre Polen besser für uns. Aber wenn man sich mit den Besten messen und etwas erreichen will, muss man gegen die Grossen bestehen. Daher ist es egal, ob man bereits in der Gruppe oder erst später auf Teams wie Brasilien trifft. Irgendwann kommen sie eh.
Sie sind seit acht Jahren in der Nati. Wie hat sich Ihr Status verändert?
Ich gehöre zu denen, die am längsten dabei sind. Ich habe mich weiterentwickelt, menschlich und auch sportlich. Je mehr man erreicht, umso höher sind die Erwartungen. Ich bin ein Leader in der Mannschaft, alleine schon aufgrund meiner Erfahrungen. Die Statistik lügt ebenfalls nicht, und die sagt, dass ich aktuell der Topskorer des Teams bin. Von dem her versuche ich auch, den anderen Spielern etwas mitzugeben.
Zum Beispiel?
Ich versuche, den Jungen zu helfen. Aber ich bin einfach ich selbst, verstelle mich nicht. Bin relativ locker und hilfsbereit. Ich behandle jeden gleich. Am Ende entscheidet der Trainer, auf wen er setzt. Wobei einen schon ein Aufgebot mit Stolz erfüllen kann.
Sie sprechen den Trainer an. Was macht ihn in Ihren Augen aus?
Er weiss genau, wie er mit uns umgehen muss. Das Allerwichtigste ist seine Kommunikation. Er redet viel mit den Spielern und auch vor der Mannschaft. Er ist viel kommunikativer als andere Trainer. Das zeichnet ihn aus. Dass er auch noch verschiedene Sprachen spricht, ist ein weiteres Plus.
Sie schwärmen von ihm. Ist die Nicht-Nomination zum dritten Captain vergessen?
(lacht) Ich glaube, es wissen alle, dass ich da enttäuscht war. Ich bin ein Spieler, der lange dabei ist. Normalerweise berücksichtigt man das. Genauso wie Leistungen und Statistiken. Daher denke ich, dass zu diesem Thema schon alles gesagt wurde. Jeder weiss Bescheid.
Wie hat er es Ihnen damals erklärt?
Eigentlich gar nicht gross.
Nicht?
Nein.
Wieso ist ein Leistungsträger wie Sie nicht im Mannschaftsrat?
Das war ich davor eigentlich immer. Ich muss das akzeptieren. Aber wir werden sehen, was die Zukunft bringt.
Würden Sie alles noch einmal genau so machen? Oder bereuen Sie gewisse Karriereschritte, wie den Transfer zu Inter Mailand?
Viele denken, dort sei alles schlecht gewesen, aber das ist gar nicht so.
Sie sagten gar, neben dem Platz war es die beste Zeit Ihres Lebens.
Das ist so. Die Familie war nahe, der Klub an der Grenze zur Schweiz. Nur der Fussball eben nicht. Der war nicht so attraktiv. Aber ich hatte keine Probleme dort, wenn Sie das meinen.
Wieso sind Sie denn gegangen?
Weil ich etwas Anderes wollte. Ich hatte das Gefühl, dass mich der Fussball dort in diesem Moment nicht weitergebracht hat.
Inwiefern?
Es war viel hin und her, viel «casino», wie man so sagt. Ich gebe Ihnen ein Beispiel: Als ich in der Vorbereitung in die Kabine gekommen bin, waren da 50 Spieler. Die waren alle ausgeliehen und mussten sich dann irgendwie neu orientieren. Da habe ich gemerkt: Das wird ein riesiges Durcheinander. Ich aber habe gerne Strukturen, mag es, wenn alles funktioniert. Deshalb war es für mich das Beste, zu gehen.
Wieso ausgerechnet zu Stoke?
Sie haben mir geboten, was ich brauchte: Spielminuten, eine Top-Liga und eine Top-Infrastruktur. Ich wollte etwas Neues erleben. In Deutschland habe ich schon alles erreicht. Daher, aber auch, weil mich die Premier League als beste Liga der Welt immer gereizt hat, habe ich so entschieden. Hier wollte ich mich beweisen, denn wer das schafft, ist ein guter Spieler.
Was macht die englische Liga zur besten der Welt?
Es ist die kompetitivste Liga, jeder kann jeden schlagen, nicht wie in Deutschland, wo Bayern alles dominiert. Und die besten Spieler kommen nach England, die Teams werden immer stärker.
Also sehen Sie Ihre Zukunft hier?
Ich fühle mich sehr wohl hier und will nicht weg. Ich habe alles, was ich brauche. Aber man weiss nie, was der Fussball bringt. Er ist so schnelllebig.
Auf Dauer wollen Sie aber zu einem Team mit Titelambitionen, oder?
Mein Ziel ist es immer noch, wieder Champions League zu spielen. Das ist für mich in Zukunft sehr wichtig, weil es mir ehrlich gesagt sehr fehlt. Die Hymne wieder geniessen und wieder mitspielen können, das will ich. Und ich bin sicher auch ein Spieler, der dort hingehört.
Sie sind ein Familienmensch. Zeit, in die Schweiz zu reisen, haben Sie aber kaum.
Sie kommen immer zu mir. Auch Weihnachten und Neujahr, auch wenn wir Ersteres nicht feiern. Einen Tannenbaum haben wir zwar, Geschenke gibt es aber keine mehr.
Wie schwer fällt das Alleinsein?
Ich habe mich daran gewöhnt. Aber es ist schöner, wenn man heimkommt und das Essen bereitsteht und die Wäsche gemacht ist.
Um die Wäsche kümmern Sie sich aber auch jetzt kaum selber?
Nein, ich habe eine Putzfrau. Aber wenn die mal frei hat, muss ich halt auch mal waschen. Und ich kann das sogar (lacht)! Das habe ich von meiner Mutter gelernt. Und wenn ich mal etwas nicht weiss, dann rufe ich sie an.
Wann musste sie zuletzt helfen?
Vor einem Monat. Ich habe nicht begriffen, wo man bei der Geschirrspülmaschine diese, ach wie heissen die …?
Tabs?
Genau, Tabs. Ich wusste nicht, wo die reinmüssen. Aber ohne bringt es ja nichts (lacht). Also habe ich meine Mutter gefragt und es hingekriegt.
In der Schweiz hat man Sie lange zu einem Weltstar hochstilisiert. War dies eine Bürde?
Erwartungen und ein gewisser Druck sind immer da. Aber ich setze mich damit nicht gross auseinander. Ich lege den Druck beiseite und versuche, meinen Fussball durchzuziehen.
Dennoch wirken Sie nicht mehr so unbeschwert wie auch schon.
Nein, so einfach ist es auch wieder nicht. Aber es wäre auch nicht gut, wenn ich noch immer so wäre wie vor fünf Jahren. Jeder entwickelt sich weiter. Man wird zu einem Mann. Als Mensch, aber auch als Fussballer.
Haben Sie auch gelernt, mit Kritik – wie beispielsweise Pfiffen wie jenen gegen Seferovic – umzugehen?
Ja, auch damit lernt man umzugehen. Ich wäre einfach rausgegangen und hätte nichts dergleichen getan.
Sicher?
Ja. Logisch war es nicht richtig, dass die Leute gepfiffen haben und dass es ihn sehr getroffen hat. Aber man darf das nicht zu persönlich nehmen. Ich denke auch, dass die Pfiffe gegen die Mannschaft waren, nicht gegen ihn.
Sie wünschten sich einmal, keine öffentliche Person zu sein. Wieso?
Ab und zu wäre es schön, wenn dich nicht jeder kennt. Aber dass dem so ist, zeigt, dass ich meinen Job gut mache. Ich muss mich nicht verstecken, das Rampenlicht gehört zu meinem Job, den ich sehr liebe, dazu. Aber natürlich gibt es Tage, wo ich mir eine Kappe überziehe. Eher noch in der Schweiz, da werde ich gar beim Tanken erkannt und um Fotos gebeten.
Sie könnten auch Nein sagen.
Und dann heisst es, ich sei arrogant …
Haben Sie noch nie Nein gesagt?
Doch. Beispielsweise beim Essen oder wenn ich in einem Club bin und tanzen will. Dann sage ich den Leuten, sie sollen es lieber geniessen.
Gibt es Dinge, die Sie nicht mehr tun können?
Ich kann in der Schweiz nicht mehr ins Schwimmbad. Ich war einmal da, bin reingesprungen, und als ich wieder aufgetaucht bin, waren überall Leute um mich herum. Seither lasse ich das bleiben. Ein Pool vor dem Haus – und das Problem ist gelöst (lacht)!