Nun also doch: Denis Hollenstein wechselt auf die nächste Saison hin zu den ZSC Lions. Noch ist der Transfer zwar nicht bestätigt, aber das Schweigen der Beteiligten spricht Bände. Von Kloten sind es nur 5,6 Kilometer Luftlinie zum Erzrivalen in Oerlikon. Ausgerechnet Denis Hollenstein, der Sohn von Felix «Fige» Hollenstein. Der Junge mit dem Namen, der wie kein anderer für den EHC steht.
Natürlich gehen sofort die Emotionen hoch, als die Meldung die Runde macht. Als Verrat wird der Wechsel bezeichnet. «Sollte dies wirklich stimmen, schliesse ich ab mit dem Schweizer Hockey», schreibt ein watson-User. Als «charakterlich schwach von beiden Seiten» bezeichnet ein anderer den Entscheid.
Das ist alles blanker Unsinn.
Natürlich sind die Fans frustriert, wenn ein langjähriger Leistungsträger den Klub verlässt – das ist durchaus verständlich. Insbesondere wenn es eine Identifikationsfigur wie Hollenstein ist und er ausgerechnet noch zum Erzrivalen wechselt.
Doch die Fans müssen sich endlich von der Illusion lösen, dass die Spieler ihnen ewige Vereinstreue oder sonst etwas schulden. Eishockeyspieler sind heutzutage, wie Fussballer und andere Mannschaftssportler auch, einfache Arbeitnehmer. Sie geben alles für den Verein, solange sie dort engagiert sind. Aber die tägliche Arbeit in Training und Spiel ist das einzige, was sie ihrem Verein schulden.
Regelmässige Wechsel gehören mittlerweile zur Tagesordnung und sind nichts als normal. Wenn du als Mitarbeiter irgendeiner Firma von einem rivalisierenden Unternehmen ein gutes Angebot erhältst, denkst du zwangsläufig darüber nach. Egal, wie gut es dir in deinem aktuellen Betrieb gefällt und wie lange du schon dabei bist.
Der einzige Kritikpunkt, den ich anbringen möchte, sind Hollensteins Interview-Aussagen vom vergangenen Wochenende. Dort bekräftigte er noch, dass er seinen bis 2020 laufenden Vertrag bei Kloten auf jeden Fall erfüllen werde. Angesichts der aktuellen Transfermeldung lässt ihn dieses Zitat nun in einem schlechten Licht dastehen.
Ob es das Geld war, das Hollenstein zu seinem Wechsel motiviert hat, ob der ZSC ihm andere Anreize bieten konnte oder ob er einfach eine berufliche Veränderung brauchte, darüber können wir momentan nur spekulieren.
Fakt ist, der Flügel hat während acht Jahren immer alles für Kloten gegeben und wird dies auch weiterhin tun, solange er noch in der Flughafenstadt unter Vertrag steht. Doch wenn er sich nach all dieser Zeit eine Veränderung wünscht, ist ihm dies nicht zu verübeln.
Und auch der Gegenseite, den ZSC Lions, kann man bei diesem Transfer nichts vorwerfen. Mit Denis Hollenstein kriegen sie einen Top-Flügel mit Schweizer Pass, der die Mannschaft enorm verstärken kann. Jeder Sportchef hätte in dieser Situation wohl dieselbe Entscheidung getroffen.
Die ZSC-Fans werden Hollensteins Herkunft alsbald vergessen haben oder zumindest ignorieren, auch wenn sie sich im Moment noch dagegen sträuben. Das war schon so, als Andres Ambühl von Davos via Nordamerika nach Zürich wechselte. Oder, um ein Beispiel aus dem Fussball zu bemühen, auch die Fans des FC Basel haben den Zuzug von Renato Steffen mittlerweile akzeptiert.
Ich will nicht sagen, dass man es nicht schätzen darf, wenn ein Spieler seinem Verein ewig treu bleibt. Karrieren wie jene eines Julien Sprunger oder eines Andrei Bykov, die schon ihr ganzes Leben beim selben Verein spielen, sind ausserordentlich und darf es auch weiterhin geben.
Doch realistisch gesehen werden sie Einzelfälle bleiben. Viel häufiger wird es vorkommen, dass Spieler deines Lieblingsvereins ab und an zu einem Rivalen wechseln. Auch langjährige, verdiente Leistungsträger.
Besser, wir gewöhnen uns schnellstmöglich daran.