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Du willst nur das Beste? Voilà:
Im Nachhinein ist
man immer klüger. «Ich hätte nach der erfolgreichen WM 2014 in
Brasilien zurücktreten sollen», sagte Sepp Blatter im
Interview mit der «Weltwoche», die ihn zum «Schweizer des
Jahres» gekürt hat. Stattdessen kandidierte der Walliser im
Frühjahr für eine weitere Amtsperiode als FIFA-Präsident,
angeblich weil ihn fünf von sechs Kontinentalverbänden – ausser
der UEFA – «angefleht» hätten, wie er der
russischen Agentur TASS erklärte.
Hätte Blatter
rechtzeitig aufgehört, wäre ihm einiges erspart geblieben. Seinen
Ruf hätte er kaum retten können, die Ermittlungen der Justiz liefen
so oder so. Ein Abgang in Ehren aber wäre ihm sicher gewesen. Nun
ist ihm nicht einmal das vergönnt. Die von der FIFA-Ethikkommission
verhängte achtjährige Sperre bedeutet, dass er nicht an der Wahl
seines Nachfolgers am 26. Februar teilnehmen und sich ein letztes Mal
von der FIFA-«Familie» feiern lassen kann.
Bis zuletzt blieb
Blatter stur und uneinsichtig. Die Überweisung von zwei Millionen
Franken an UEFA-Präsident Michel Platini, die ihm zum Verhängnis
wurde? «Die Zahlung wurde von allen zuständigen Stellen korrekt
verbucht», sagte er der «Weltwoche». Während der achtstündigen
Befragung durch die Ethikkommission am letzten Donnerstag versicherte
er: «Ich habe in meinen 40 Jahren bei der FIFA weder gegen ethische
noch juristische Regeln verstossen.» Und dem «SonntagsBlick» sagte er: «Ich hatte am Schluss das Gefühl, die Gerechtigkeit wird
obsiegen.»
Zweckoptimismus?
Oder Realitätsverlust? Manches spricht für das Letztere. In den
Monaten seit seinem Rücktritt hat sich Sepp Blatter an jeden erdenklichen Strohhalm geklammert, um dem Schicksal zu entfliehen.
Die Ethikkommission könne ihn gar nicht suspendieren, weil er kein
gewöhnlicher FIFA-Funktionär sei, sondern «der vom Kongress
gewählte Präsident», sagte er Ende November in der «Rundschau».
Juristen quittierten das Argument mit Kopfschütteln.
Den Gipfel der
Absurdität erklomm der 79-Jährige in der «Weltwoche» mit der
Behauptung, am FIFA-Kongress müsse «der alte Präsident abtreten,
damit der neue antreten kann». Wenn er suspendiert sei, könne er
nicht abtreten: «Das geht nicht.» In Sepp Blatters Augen ist der
Weltfussballverband offenkundig führungslos. Dabei amtiert der
bisherige Vize Issa Hayatou als Interimspräsident, und die Exekutive
hat Anfang Dezember weitreichende Reformen beschlossen.
Man kann über
Blatter lachen, aber irgendwie hat sein Verhalten eine tragische
Komponente. Was soll man sonst davon halten, wenn er im «SonntagsBlick» über die Medien herzieht mit der Behauptung: «Es
ist plötzlich modern geworden, auf Sepp Blatter zu schlagen.» Wie
bitte? Schon nach seiner Wahl zum FIFA-Präsidenten 1998 wurde er mit
Kritik eingedeckt wegen den ominösen Briefumschlägen voller Geld,
die angeblich in der Nacht zuvor an Delegierte verteilt worden waren.
Auch später liessen
hartnäckige Journalisten vorab aus Deutschland und England nie
locker. Die Schweizer Medien aber behandelten ihn lange pfleglich,
vielleicht ein Grund, warum er sich heute über den «Liebesentzug» nervt. Selbstkritik war noch nie seine Stärke. Zu lange drückte er
beide Augen zu vor den Machenschaften von Funktionären wie Jack
Warner, Nicolas Leoz oder Mohammed Bin Hammam, die ihn im Gegenzug
die Stimmen für seine Wiederwahl zuschanzten.
Niemand kann
behaupten, Sepp Blatter wäre blauäugig gewesen. Der
Untersuchungsbericht zum Konkurs des Zuger Sportvermarkters ISL 2001
hielt fest, dass der FIFA-Präsident von den Schmiergeldzahlungen an
korrupte Exekutivmitglieder gewusst haben muss. Durchgegriffen hat er
nicht, denn das hätte ihn wohl den Job gekostet. Dieses Risiko
wollte Blatter nicht eingehen. Weil er nicht von der Macht lassen
wollte? Oder weil er sich ein Leben ohne die geliebte FIFA nicht
vorstellen konnte?
Nun hat ihm diese
FIFA einen Abgang in Unehren beschert. In seiner Medienkonferenz
schwankte er zwischen Selbstmitleid und Kampfgeist. «Ich bedauere,
dass ich zum Prügelknaben geworden bin», jammerte er und kündigte
gleichzeitig an, beim Internationalen Sportgerichtshof Beschwerde
gegen seine Sperre einzureichen. Auch vor einem Schweizer Gericht
will er klagen.
Ein Eindruck bleibt
haften: Blatter sucht die Schuld an seinem Fall bei allen – nur
nicht bei sich selbst. Dabei dürfte die Zukunft noch einiges
Ungemach bereit halten. Die in Zürich verhafteten
Funktionäre stimmten zuletzt reihenweise einer freiwilligen
Auslieferung an die USA zu. Dort werden sie aussagen, als
Gegenleistung für Strafminderung. Das FBI ermittelt bereits gegen
den gefallenen Präsidenten. Er wird in seinen letzten Jahre wohl im
Wallis festsitzen.
Hart für einen, der
so gerne mit den Mächtigen der Welt auf Augenhöhe parliert hat.
Vielleicht lädt ihn Wladimir Putin zur WM 2018 in Russland ein.
Letzte Woche hatte der russische Präsident Blatter für den
Friedensnobelpreis vorgeschlagen. Man denkt an eine
bekannte Redensart: Wozu braucht man Feinde, wenn man solche Freunde
hat. Darüber beklagen darf sich Sepp Blatter nicht. Er hat sein
Schicksal letztlich selbst gewählt.