Jetzt können wir endlich mal ein Loblied auf Juventus Turin singen – und dann ist unser Juventino, Rasenmeister Zappella, nicht im Büro. Darum wird mir die Aufgabe zugeteilt. Es fällt mir etwas schwer. Denn Juve mag ich nicht.
Aber gestern hatte ich grossen Spass am italienischen Serienmeister. Vor dem Spiel kündete ich einem anderen Arbeitskollegen, der an das Wunder von Barcelona glaubte, zwar noch an: «Italiener lassen sich nicht mit 3:0 oder 4:0 abschiessen.» Aber dass Juventus dann so souverän auftreten würde, das hätte ich nicht gedacht. In den letzten zwei Saisons blieb nur Malaga im Camp Nou ohne Gegentor. Die Südspanier wussten wohl kaum warum. Juventus kennt die Gründe genau: BBC und Betonmischen 2.0.
Nie musste man Angst haben, dass die «alte Dame» im Camp Nou noch stolpern würde. Dabei spielte Barcelona nicht mal schlecht. Aber spätestens in der entscheidenden Zone ging nichts mehr. Der vielgelobte MSN-Sturm blieb impotent. Lionel Messi hatte zwar Torchancen, aber die Genauigkeit fehlte; Neymar war bemüht, aber glücklos; Luis Suarez ein Ausfall. Die «Marca» gibt dem Uruguayer gar das Prädikat: «Schlechtester Mann auf dem Platz.»
Es fehlte einfach die Magie, die es für ein zweites Wunder wie gegen den PSG gebraucht hätte. Denn Juventus hat zwar kein MSN, dafür aber das italienische BBC: Buffon, Bonucci, Chiellini. Wie diese drei die Mannschaft dirigierten, war schlicht phänomenal. Allen voran Giorgio Chiellini. Der 32-Jährige ist ein Meister des Spiellesens, grätscht wie kein Zweiter und war eine unüberwindbare Hürde. Gegenspieler Suarez verdankt sein «Marca»-Prädikat dem Abwehrrecken.
Neben Chiellini verteidigt Leonardo Bonucci, 29-jährig, Nationalmannschaftskollege und mit ähnlichen Attributen wie sein Nebenmann gesegnet. Dass dann dahinter noch Gigi Buffon im Tor steht, trägt das Übrige zum genialen Defensivverbund Juventus' bei. Gestern musste er zwar nicht oft eingreifen, aber wenn – dann war der Goalie da.
Dumm für Juventus' Marketingchef ist einzig, dass sich Shirts von Verteidigern und Goalies deutlich schlechter verkaufen als Stürmer-Leibchen. Seit 2010 verteidigen die drei zusammen bei der Juve und in der Nationalmannschaft. Man sieht es ihnen jede Sekunde an.
Den Triumph mit einer Mauertaktik zu begründen, wäre allerdings viel zu kurz gegriffen. Natürlich stand der italienische Meister defensiv extrem solid und spulte sein Programm unaufgeregt und nie nervös ab. Aber vom alten italienischen Catenaccio war das weit entfernt. Denn selbst als neutraler Zuschauer machte Juventus' Darbietung Spass.
Betonmischen 2.0 können wir es nennen: Aktiv verteidigen, aggressiv und hart, aber fair spielen und auch nach vorne agieren. Juve hatte über beide Spiele gesehen kaum weniger Torchancen als Barcelona. Im Hinspiel überraschte Juventus insbesondere in der ersten Halbzeit offensiv mit Dybala, Higuain, Mandzukic und Cuadrado in Spiellaune und auch im Rückspiel zeigten sich die Gäste frech und hätten mehrfach ein Tor erzielen können.
Semifinal !!! 🏆 ⬛️⬜️⬛️ #forzajuve #finoallafine #UCL #FCBJuve pic.twitter.com/K3fZ8J3J2N
— MBenatia5 (@MedhiBenatia) 19. April 2017
Barcelonas Trainer Luis Enrique musste an der Pressekonferenz nach der Partie gestehen: «Wir haben zwei Teams gesehen, die angriffen. Wir, weil wir mussten, aber sie haben sich auch nicht einfach nur eingeigelt.» Sein Gegenüber Massimiliano Allegri lobte seine Squadra derweil: «Barcelona hatte heute weniger Chancen als in Turin. Wir standen sehr gut. In zwei Spielen gegen Barcelona kein Tor kassieren, das kommt nicht oft vor. Offensiv hätten wir unsere Chancen konsequenter zu Ende spielen müssen.»
Allegri steht am Ursprung dieser Leistung. Im Sommer 2016 vollzog er den Umbruch und sorgte nach Startschwierigkeiten für die Auferstehung der alten Dame. Jetzt hat er sein Team so weit geschult, dass der Titel in der Königsklasse zuzutrauen ist. Erst zwei Gegentore kassierte Juventus in der diesjährigen Champions League, in der K.o.-Phase hielt Buffon seinen Kasten bisher gar noch rein. Das schaffte seit der Saison 2005/06 (Arsenal) seither niemand mehr.
Der 39-jährige Goalie will diesen Titel unbedingt. Neben der Europameister-Trophäe ist er der einzige, der im Palmares noch fehlt. «Wir haben mit unserer Vorstellung hier gezeigt, was wir können. Da waren vor allem in der Defensive einige Momente, in denen wir bewiesen, dass wir ein echtes Team sind. Aber der Erfolg heute bringt nichts, wenn wir den Titel nicht gewinnen.»
2015 stand Juventus letztmals im Final. Damals unterlagen die Turiner Barcelona klar mit 1:3. Jetzt soll der erste Champions-League-Titel seit 1996 her. Es ist ein altes Sprichwort, das Juventus Mumm macht: «Mit dem Sturm gewinnst du Spiele, mit der Verteidigung Meisterschaften.» Die Serie A ist zwar seit Jahren nicht mehr die beste Liga der Welt, aber Juventus aktuell sicherlich eines der besten Teams des Planeten. Mit dieser taktischen Reife würden die Bianconeri die Premier League gewinnen. Und so gewinnen sie auch die Champions League.
PS: Falls du das liest, Rasenmeister Zappella: Das heisst nicht, dass ich Juventus nun plötzlich mag. Und wichtig ist jetzt, dass alle auf dem Boden bleiben.