Noch nie war es bei dieser EM so laut im Letzigrund-Stadion wie am Freitagabend. Als der Schweizer Hürdenläufer Kariem Hussein in die letzte Kurve einbog, verwandelte sich der Letzi das erste Mal in einen wahren Hexenkessel. Noch hundert Meter fehlten zur ersten Medaille der Schweiz. Zehn Sekunden später war sie Tatsache. Und glänzte golden. «Eine unglaubliche Kulisse», so Hussein nach dem Rennen.
Hussein hat für den Exploit gesorgt, der nötig war, um der Schweiz eine Medaille zu bescheren. Den Exploit, welchen zuvor alle sein Kollegen verpassten. Die Fans trugen den 25-Jährigen förmlich über die Ziellinie.
Dem Esten Rasmus Mägi und dem Russen Denis Kudryavtsev blieben nur die Plätze zwei und drei. Hussein war zu stark, was auch der Thurgauer nicht ganz glauben konnte: «Ich war fast ein wenig überrascht über die Zeiten der Gegner.»
Den perfekten Lauf fasste der frischgebackene Europameister so zusammen: «Ich kontrollierte das Rennen, blieb locker und ruhig, ich wartete bis zum richtigen Zeitpunkt und attackierte. Es ist unglaublich.»
Der Lauf zu Gold war der Höhepunkt eines von A bis Z grandiosen Auftrittes in Zürich. Den Vorlauf dominiert, souverän als Erster für den Final qualifiziert und nun mit der persönlichen Bestzeit von 48,96 Sekunden seiner Leistung gleich selbst die Krone aufgesetzt. «Ich wusste nicht, wie ich die zwei Vorläufe verdauen werde, aber ich versuchte, einfach cool zu bleiben. Habe nichts gelesen, nichts geschaut, mich ganz normal vorbereitet.»
Dass es ihm gelungen ist, derart cool zu bleiben, war vor dem Rennen nicht klar. «Ich sagte mir, es fängt wieder von Null an. Ich war wirklich ruhig – bis zwei Stunden vor dem Start. Da habe ich mir fast in die Hose gemacht», verrät Hussein, der nach jedem Wort noch glücklicher wirkte. Was er jetzt fühle, konnte er aber nicht genau beschreiben: «Ich bin völlig leer, auch jetzt noch. Ich realisiere es noch gar nicht.» Lange Pause. «Keine Ahnung, ich weiss es nicht.»
Bei der Siegerehrung überwältigen ihn noch einmal die Emotionen. Die Tränen, welche er kurz nach dem Rennen noch unterdrücken konnte, kullern über den Dreitagebart. Zum ersten Mal ertönt die Schweizer Hymne, gesungen vom ganzen Letzigrund-Stadion. Ein Moment für die Ewigkeit. Ein Moment, an den wir uns gewöhnen könnten.