42,195 Kilometer: Für jeden Hobbyläufer lautet das Ziel in einem Marathon zunächst, ins Ziel zu kommen. Vielleicht gar unter vier Stunden. Die besten Läufer der Welt sind doppelt so schnell unterwegs. Bei 2:02:57 steht der Weltrekord. Aufgestellt hat ihn Dennis Kipruto Kimetto vor zweieinhalb Jahren in Berlin.
Doch die Zeit des Kenianers soll schon bald pulverisiert werden. Der Sportartikel-Gigant Nike hat mit #Breaking2 ein ambitioniertes Projekt lanciert: Schon in wenigen Monaten soll die Schallmauer von zwei Stunden geknackt werden.
Das Magazin Runners World begleitet den Versuch und hat erste Details des Plans enthüllt. Nike hat demnach während der letzten zwei Jahre hunderte Läufer und ihr Potenzial unter die Lupe genommen. Die 18 vielversprechendsten wurden schliesslich ins Hauptquartier nach Beaverton (Oregon) eingeladen, wo sie Tests unterzogen wurden.
Drei Läufer überstanden alle Cuts und sind nun die Kandidaten für den ersten Marathon in unter zwei Stunden: Olympiasieger Eliud Kipchoge (32) aus Kenia und die beiden Eritreer Lelisa Desisa (26) und Zersenay Tadese (34).
Noch ist nicht bekannt, wo der Weltrekord-Versuch stattfinden soll. Denn klar ist: Der Kurs und die klimatischen Bedingungen müssen perfekt passen, wenn der Rekord um beinahe drei Minuten gesenkt werden soll. Schliesslich bedeutet dies, dass jeder Kilometer im Schnitt rund vier Sekunden schneller gelaufen werden muss. Für eine Marathon-Zeit unter zwei Stunden ist ein Kilometer-Schnitt von 2:50 Minuten notwendig.
Es ist gut vorstellbar, dass der Versuch nicht im Rahmen eines bereits bekannten Marathons stattfindet, sondern dass dafür möglicherweise ein eigener Anlass organisiert wird. Nichts soll dem Zufall überlassen werden, es dürften weder Kosten noch Mühen gescheut werden.
Im vergangenen Jahr zitierte Runners World aus Windkanal-Studien, die den Einfluss von Tempomachern untersuchten. Diese kamen zum Schluss, dass man durch optimales Ausnutzen des Windschattens einen Marathon rund 100 Sekunden schneller bewältigen kann. Der Haken: Die Tempomacher müssen in der Lage sein, so schnell wie der Weltrekordler in spe zu sein. Und das sind die wenigsten, sonst würden sie ja selber Siegläufer sein und nicht Tempomacher, die nach 20, 30 oder 35 Kilometern aussteigen.
Nehmen wir an, dass diese 100 Sekunden beim Weltrekord-Versuch eingespart werden können. Dann bleiben immer noch 70 Sekunden, die der neue Rekordler schneller laufen muss. Natürlich, wenn Nike der Initiant des Projekts ist, wird viel Geld in noch optimalere Ausrüstung investiert: leichtere Schuhe, windschnittige Trikots. Laufen ist längst Hightech und seit den Zeiten von Spyridon Louis, dem ersten Olympiasieger der Neuzeit im Jahr 1896, hat sich im Marathon fast alles geändert. Nicht einmal die Distanz blieb gleich.
Kann vielleicht auch mit der richtigen Ernährung vor und während des Laufs etwas herausgeholt werden? Man wird nichts unversucht lassen. Und wie sieht es mit Doping aus? Jeden Weltrekord umweht in unserer Zeit der Geruch des Illegalen. In der Nike-Mitteilung zum Projekt #Breaking2 findet sich kein Hinweis darauf, dass es von einem unabhängigen Arzt begleitet wird. Das Unternehmen schreibt bloss von einer Zusammenarbeit mit Experten auf verschiedenen Gebieten der Wissenschaft und des Sports. Transparenz in Sachen medizinischer Betreuung der Athleten ist eigentlich ein Muss, wenn Nike glaubwürdig sein will.
Kann ein Mensch den Marathon in unter zwei Stunden absolvieren? Den bisherigen Rekord gleich um fast drei Minuten unterbieten? Irgendwann vielleicht schon. Aber ob es, wie Nike es hofft, tatsächlich schon im nächsten Frühling so weit ist, ist schwer vorzustellen. Mit viel Pathos entgegnet die Firma ihren Kritikern: «Das wirklich grosse Scheitern wäre es, gar nicht zu versuchen, dieses kühne Vorhaben in die Tat umzusetzen.»