Bisher haben Tom Lüthi (28) und Dominique Aegerter (24) sozusagen Seite an Seite gekämpft. Sie fahren zwar in juristisch unabhängigen Teams, treten aber vereint unter einem Dach auf. Also waren sie in den bisherigen fünf Rennen immer in nebeneinanderliegenden Boxen untergebracht. Optisch ein Team.
Nun staunte Dominique Aegerter heute Nachmittag bei der Ankunft im Fahrerlager nicht schlecht. Er ist beim GP von Italien in Mugello mit seinen Leuten nicht mehr in der Box neben Tom Lüthi untergebracht. Sondern ausserhalb des inneren Fahrerlagers in einem Zelt. Bei den Anfängern. Dort wird er das gesamte Wochenende verbringen. (Freitag und Samstag die Trainings und am Sonntag das Rennen).
Die Boxen werden grundsätzlich von den MotoGP-Teams belebt. Die übrigen Kategorien (Moto2 und Moto3) bekommen nach dem aktuellen sportlichen Erfolg die heiss begehrten restlichen Boxen zugeteilt. Tom Lüthi (WM-2.) hat eine der schönen, komfortablen, klimatisieren Boxen mit Dusche, Toilette und reichlich Platz bezogen.
Dominique Aegerter (WM-20.) hingegen logiert im Zelt. Dort wird es an diesem Wochenende heiss (Temperaturen bis 30 Grad sind angesagt). Komfort gibt es auch keinen. Die am nächsten liegende Toilette ist ein Plastikhäuschen. So läuft das hier seit Jahren.
Diese spektakuläre Degradierung hat Dominique Aegerter schon getroffen. Er könne sich nicht entsinnen, hier jemals zu den Anfängern verbannt worden zu sein. «Aber ich bin selber schuld. So ist es halt, wenn man nur 20. im Zwischenklassement ist.» Die Unterbringung im Zelt sei ja sowieso das kleinste Problem.
Der Sieger vom Sachsenring ist diese Saison noch nicht über einen 10. Platz hinausgekommen. Seit Saisonbeginn drängt Teammanager Fred Corminboeuf darauf, dass sich Dominique Aegerter von einem Mentaltrainer helfen lässt.
Aber in der Macho-Welt der Asphaltcowboys sind Mentaltrainer oft unpopulär. Keiner gibt gerne zu, dass er Probleme im Kopf hat. Zu wohlfeil sind die technischen Ausreden (Motor, Fahrwerk, Reifen, Zündung etc.). Und so ist es kein Zufall, dass Dominique Aegerter nach wie vor keinen «Seelen- Doktor» aufgesucht hat. Er sagt: «Ich hatte ein paar Kontakte mit Mental-Trainern. Aber es hat sich noch nichts Passendes ergeben.»
Aber vielleicht hilft ihm ja eine GP-Denkpause, ein Ausflug in eine andere Rennszene, um sein Selbstvertrauen wieder zu finden. Er wird erneut das Acht-Stunden-Rennen in Suzuka fahren und am 15. Juni einen MotoGP-Boliden testen.
Bereits letzte Saison hat Dominique Aegerter das prestigeträchtige Acht-Stunden-Rennen in Suzuka bestritten. Mit dem privaten Suzuki-Team (Kagayama) erreichte er Platz 3. Logisch, dass er für diese Saison erneut Angebote erhalten hat.
Dominique Aegerter wird das Rennen am 26. Juli 2015 mit dem privaten Honda-Team von FCC bestreiten. Anfang nächste Woche fliegt er für erste Trainings nach Suzuka.
Nach dem GP von Katalonien wird er am 15. Juni zudem erneut für Kawasaki als Entwicklungsfahrer das neue MotoGP-Bike testen. Ob und wie Kawasaki denn tatsächlich in die Königsklasse zurückkehren wird, ist offen. Alles in allem für Dominique Aegerter eine willkommene Ablenkung von den Sorgen in der Moto2-WM.