Sport
Ringmeister Zaugg

Kläglich gescheitert! Aber das Problem darf niemand nennen: Patrick Fischer

Patrick Fischer, head coach of Switzerland, during the men ice hockey play-off qualification match between Switzerland and Germany in the Kwandong Hockey Center in Gangneung during the XXIII Winter Ol ...
Der Wunsch vieler Fans: Greift Fischer etwa zum Stift, um sein Rücktrittsschreiben zu formulieren?Bild: KEYSTONE
Ringmeister Zaugg

Kläglich gescheitert! Aber das Problem darf niemand nennen: Patrick Fischer

Zauberlehrling Patrick Fischer ist bei seiner Abschlussprüfung kläglich gescheitert. Die Schweiz verliert gegen Deutschland nach Verlängerung 1:2 und scheidet schon im Olympia-Achtelfinal aus. Wir haben ein unlösbares Problem.
20.02.2018, 18:2221.02.2018, 09:45
Klaus Zaugg, pyeongchang
Mehr «Sport»

Ein Bild der Ratlosigkeit und der Überforderung. Sportdirektor Raëto Raffainer und sein Nationaltrainer Patrick Fischer versuchen, das klägliche Scheitern im olympischen Turnier von Pyeongchang zu erklären. Sie sind sympathische, selbstkritische, aber überforderte Verlierer. Ihre Erklärungen müssten eigentlich, wenn sie ernst genommen würden, zu Fischers Entlassung führen. Sie reden sich sozusagen um Kopf und Kragen – und niemand scheint es zu merken.

Patrick Fischer sagt, er wisse nicht, warum das Überzahlspiel nicht funktioniere. «Das Powerplay war nicht schlecht, es war grottenschlecht». Fischer sagt, er wisse nicht, warum so viele Spieler ihr Potenzial nicht abrufen konnten. Fischer hat schon im Laufe des Turniers darüber geklagt, dass ihm die Spieler nicht zuhören und nicht umsetzen würden, was er sagt. Fischer sagt, zu viele Spieler seien nicht im Turnier angekommen.

Niederschmetternde Bilanz

Der Trainer erkennt die Probleme. Aber er hat wieder einmal keine Antworten. Kein Wunder. Als Trainer ist er schon in Lugano an dieser Ratlosigkeit gescheitert. Er musste gehen, als seine Mannschaft bis auf den letzten Platz abgesunken war. Sein Nachfolger Doug Shedden führte sie noch in der gleichen Saison bis ins Playoff-Finale.

Wer den Auftritt hier von Raëto Raffainer und Patrick Fischer als neutraler Beobachter ganz unbefangen hörte, glaubte seinen Ohren nicht. Ratlosigkeit. Sympathische Ratlosigkeit, gewiss. Aber hier geht es um die Nationalmannschaft. Hier zählen nur die Resultate. Die Nationalmannschaft ist auch nicht ein Ausbildungsprojekt für junge Trainer. Sie muss vom bestmöglichen Trainer geführt werden.

Raeto Raffainer, General Manager, poses during a media conference of the Swiss men ice hockey national team in the House of Switzerland at the XXIII Winter Olympics 2018 in Pyeongchang, South Korea, o ...
Da war er noch gut gelaunt: Raffainer vor dem House of Switzerland in Pyeongchang.Bild: KEYSTONE

Die Bilanz dieser Saison ist niederschmetternd. Die Nationalmannschaft hat sieben von neun Partien verloren (die Spiele gegen Klubteams am Spengler Cup nicht mitgezählt). Bei Olympia waren es drei Niederlagen in vier Spielen. Aber auch die Gesamtbilanz ist ernüchternd. Bei allen Turnieren unter Patrick Fischer – bei der WM 2016 und 2017 und nun beim olympischen Turnier – waren wir am Anfang nicht bereit. Bei keiner ernstzunehmenden Hockeynation bleiben ein Trainer und ein Sportdirektor nach einer solchen Bilanz im Amt. Bei uns schon.

Gute Ansätze, mehr nicht

Bei uns ist es eben anders: Patrick Fischer hat einen Vertrag bis 2020. Seine Position steht nicht zur Debatte. Er kann so schön bei Sponsorenanlässen reden, er ist Schweizer, er ist sympathisch. Und so haben wir die kuriose Situation, dass Sportdirektor Raëto Raffainer das zentrale Problem gar nicht erwähnen kann, nicht erwähnen darf, nicht erwähnen will. Weil es tabu ist. Das zentrale Problem lautet: Patrick Fischer.

Wenn es aber nicht an Fischer liegt, dann ist der Weg nicht mehr weit zur Versuchung, das regelmässige Scheitern der Nationalmannschaft auf die Qualität der Liga zurückzuführen. Dabei ist die Liga besser als zu Zeiten, als uns Ralph Krueger in die Weltklasse zurückgeführt hat.

Tristan Scherwey of Switzerland, Simon Moser of Switzerland, Patrick Fischer, head coach of Switzerland, and Simon Bodenmann of Switzerland, from left, react after the men ice hockey play-off qualific ...
Der Moment der Entscheidung: Die Schweiz scheitert an Deutschland.Bild: KEYSTONE

Der sympathische Zauberlehrling Patrick Fischer ist und bleibt also weiterhin ein Zauberlehrling. Er hat hier zwischendurch gute Ansätze gezeigt. Etwa bei der Vorbereitung aufs zweite, allerdings bedeutungslose Spiel gegen Südkorea. Aber wenn es wirklich zählt, ist er überfordert. Ein Lehrling halt. Er darf bereits in etwas mehr als zwei Monaten schon wieder zu einer Prüfung antreten, bei der WM in Kopenhagen. Und auch da spielt es keine Rolle, ob er diese Prüfung besteht. Er darf dann auch bei der WM 2019 und bei der WM 2020 wieder ran. Und wer weiss, vielleicht hat er ja Glück und kann bis zur WM 2020 seine Trainerausbildung erfolgreich abschliessen.

Ziel- und planloses Taumeln von Turnier zu Turnier

Unser Nationaltrainer ist ein sympathischer und charismatischer Kommunikator. Und wenn es läuft, so ist er durchaus dazu in der Lage, dafür zu sorgen, dass es noch besser läuft. So war es bei der WM in Paris, beim bisher einzigen Turnier, bei dem er nicht völlig versagt hat. Aber er ist nicht dazu in der Lage, eine Mannschaft auf Kurs zu bringen, wenn es nicht läuft. Oder als Bandengeneral die Impulse zu geben, die ein Spiel wenden können.

epa06546648 Players of Switzerland celebrate after winning the men's play-offs Qualifications match between Germany and Switzerland at the Kwandong Hockey Centre during the PyeongChang 2018 Winte ...
Lange Gesichter bei den Spielern: Nix wurde es mit einer Medaille.Bild: EPA

Bei seinem Aufgebot hat er wieder einmal dem Bauchgefühl vertraut. Es geht nicht darum, jetzt einzelne Aufgebote zu hinterfragen. Es geht um etwas anderes: es gibt keinen systematischen Aufbau. Keine mittel- und langfristige Strategie bei der Auswahl der Spieler wie dies Ralph Krueger einst auf so meisterhafte Weise vorgemacht hat und wie sie auch Sean Simpson betrieb. Die Entscheidungen kommen heute aus den Emotionen des Tages oder der Woche. Die Schweiz kann sich ein so ziel- und planloses Taumeln von Turnier zu Turnier eigentlich nicht leisten.

Jahrhundert-Chance verpasst

Wir sind nicht mehr dazu in der Lage, das Potenzial unseres Hockeys auszuschöpfen. Wir müssen darauf hoffen, dass Patrick Fischer an einem Turnier gerade noch rechtzeitig eine Welle der positiven Emotionen erwischt wie in Paris. Dann können wir ihn feiern. Weil er ja ein netter Kerl ist und ihn alle mögen. Aber wenn es gilt, Widerstände zu überwinden und schwierige Situationen zu lösen – dann scheitern wir.

epa06546491 Goalie Jonas Hiller (R) and Swiss head coach Patrick Fischer during the men's play-offs Qualifications match between Germany and Switzerland at the Kwandong Hockey Centre during the P ...
Goalie Jonas Hiller erklärte nach dem Ausscheiden den Nati-Rücktritt.Bild: EPA

Das Potenzial der Schweizer ist gross – wie in Paris bei den Siegen gegen Kanada und Tschechien. Wie hier beim 8:0 gegen Südkorea. Wir haben genug Talent, um die Grossen der Welt herauszufordern. Wir haben auch genug Talent, um an diesen Olympischen Spielen um eine Medaille zu spielen.

Aber wir haben nicht mehr die Führung, die wir brauchen, um dieses Potenzial auszuschöpfen. Wir haben hier eine Jahrhundert-Chance auf olympischen Ruhm auf klägliche Art und Weise verpasst. Um es wieder einmal mit einem uralten, bösen Spruch auf einen Nenner zu bringen: Löwen, geführt von Eseln. Aber durchaus sympathischen Eseln.

Die besten Bilder von Olympia

1 / 99
Die besten Bilder von Olympia 2018
Mit Lastwagenladungen voller Feuerwerk verabschiedet sich Pyeongchang an der Schlussfeier von den Olympischen Spielen.
quelle: ap/ap / michael probst
Auf Facebook teilenAuf X teilen

Unvergessene Eishockey-Geschichten

Alle Storys anzeigen
DANKE FÜR DIE ♥
Würdest du gerne watson und unseren Journalismus unterstützen? Mehr erfahren
(Du wirst umgeleitet, um die Zahlung abzuschliessen.)
5 CHF
15 CHF
25 CHF
Anderer
twint icon
Oder unterstütze uns per Banküberweisung.
Das könnte dich auch noch interessieren:
90 Kommentare
Weil wir die Kommentar-Debatten weiterhin persönlich moderieren möchten, sehen wir uns gezwungen, die Kommentarfunktion 24 Stunden nach Publikation einer Story zu schliessen. Vielen Dank für dein Verständnis!
Die beliebtesten Kommentare
avatar
sste87
20.02.2018 18:38registriert Februar 2014
Hätte er ein Rückgrad, würde er selber zurücktreten ...
40918
Melden
Zum Kommentar
avatar
zebber
20.02.2018 18:35registriert September 2015
Für mich völlig unverständlich wie man Patrick Fischer noch für trasgbar halten kann. Wir brauchen keinen Cheerleader oder Verkäufer der Nati sondern eine Führungsperson. Gegen Südkorea 8:0 zu gewinnen ist nicht erwähnenswert wenn man desolat gegen Deutschland ausscheidet. Das Auftreten der Nati war nur peinlich.
36912
Melden
Zum Kommentar
avatar
deed
20.02.2018 18:38registriert Januar 2014
Fischer per sofort raus. An die WM interimistisch mit dem Duo Del Curto/Schläpfer.
27863
Melden
Zum Kommentar
90
Johan Djourou: «Yakin will offensiv und dominant spielen, aber ich sehe das nicht»
Für die Schweiz hat Johan Djourou 76 Länderspiele absolviert. Der 37-Jährige ist heute in Frankreich und in der Romandie TV-Experte und sagt: «Gewisse Dinge hat Xhaka mit Yakin nicht gefunden. Aber den Trainer entlassen? Nein, das ist keine Frage für mich. Er ist da. Punkt. Schluss.»

Nach Stationen in England (Arsenal, Birmingham), Deutschland (HSV, Hannover), in der Schweiz (Sion, Xamax), der Türkei (Antalyaspor) und Dänemark (Nordsjælland) trat Johan Djourou mit 34 Jahren als Fussballer zurück. Heute wohnt er in Genf, hat drei Töchter. Im Lancy FC ist der 37-Jährige mit dem UEFA-B-Diplom Trainer der C-Junioren, er hat eine Firma für Online-Marketing und zwei weitere Unternehmen, mit denen er Popcorn herstellt und Mate-Getränke verkauft. Zum Gespräch im Hotelzimmer in Dublin erscheint Djourou in Sportkleidung, es geht nachher ins Fitness.

Zur Story