Ein Bild der Ratlosigkeit und der Überforderung. Sportdirektor Raëto Raffainer und sein Nationaltrainer Patrick Fischer versuchen, das klägliche Scheitern im olympischen Turnier von Pyeongchang zu erklären. Sie sind sympathische, selbstkritische, aber überforderte Verlierer. Ihre Erklärungen müssten eigentlich, wenn sie ernst genommen würden, zu Fischers Entlassung führen. Sie reden sich sozusagen um Kopf und Kragen – und niemand scheint es zu merken.
Patrick Fischer sagt, er wisse nicht, warum das Überzahlspiel nicht funktioniere. «Das Powerplay war nicht schlecht, es war grottenschlecht». Fischer sagt, er wisse nicht, warum so viele Spieler ihr Potenzial nicht abrufen konnten. Fischer hat schon im Laufe des Turniers darüber geklagt, dass ihm die Spieler nicht zuhören und nicht umsetzen würden, was er sagt. Fischer sagt, zu viele Spieler seien nicht im Turnier angekommen.
Der Trainer erkennt die Probleme. Aber er hat wieder einmal keine Antworten. Kein Wunder. Als Trainer ist er schon in Lugano an dieser Ratlosigkeit gescheitert. Er musste gehen, als seine Mannschaft bis auf den letzten Platz abgesunken war. Sein Nachfolger Doug Shedden führte sie noch in der gleichen Saison bis ins Playoff-Finale.
Wer den Auftritt hier von Raëto Raffainer und Patrick Fischer als neutraler Beobachter ganz unbefangen hörte, glaubte seinen Ohren nicht. Ratlosigkeit. Sympathische Ratlosigkeit, gewiss. Aber hier geht es um die Nationalmannschaft. Hier zählen nur die Resultate. Die Nationalmannschaft ist auch nicht ein Ausbildungsprojekt für junge Trainer. Sie muss vom bestmöglichen Trainer geführt werden.
Die Bilanz dieser Saison ist niederschmetternd. Die Nationalmannschaft hat sieben von neun Partien verloren (die Spiele gegen Klubteams am Spengler Cup nicht mitgezählt). Bei Olympia waren es drei Niederlagen in vier Spielen. Aber auch die Gesamtbilanz ist ernüchternd. Bei allen Turnieren unter Patrick Fischer – bei der WM 2016 und 2017 und nun beim olympischen Turnier – waren wir am Anfang nicht bereit. Bei keiner ernstzunehmenden Hockeynation bleiben ein Trainer und ein Sportdirektor nach einer solchen Bilanz im Amt. Bei uns schon.
Bei uns ist es eben anders: Patrick Fischer hat einen Vertrag bis 2020. Seine Position steht nicht zur Debatte. Er kann so schön bei Sponsorenanlässen reden, er ist Schweizer, er ist sympathisch. Und so haben wir die kuriose Situation, dass Sportdirektor Raëto Raffainer das zentrale Problem gar nicht erwähnen kann, nicht erwähnen darf, nicht erwähnen will. Weil es tabu ist. Das zentrale Problem lautet: Patrick Fischer.
Wenn es aber nicht an Fischer liegt, dann ist der Weg nicht mehr weit zur Versuchung, das regelmässige Scheitern der Nationalmannschaft auf die Qualität der Liga zurückzuführen. Dabei ist die Liga besser als zu Zeiten, als uns Ralph Krueger in die Weltklasse zurückgeführt hat.
Der sympathische Zauberlehrling Patrick Fischer ist und bleibt also weiterhin ein Zauberlehrling. Er hat hier zwischendurch gute Ansätze gezeigt. Etwa bei der Vorbereitung aufs zweite, allerdings bedeutungslose Spiel gegen Südkorea. Aber wenn es wirklich zählt, ist er überfordert. Ein Lehrling halt. Er darf bereits in etwas mehr als zwei Monaten schon wieder zu einer Prüfung antreten, bei der WM in Kopenhagen. Und auch da spielt es keine Rolle, ob er diese Prüfung besteht. Er darf dann auch bei der WM 2019 und bei der WM 2020 wieder ran. Und wer weiss, vielleicht hat er ja Glück und kann bis zur WM 2020 seine Trainerausbildung erfolgreich abschliessen.
Unser Nationaltrainer ist ein sympathischer und charismatischer Kommunikator. Und wenn es läuft, so ist er durchaus dazu in der Lage, dafür zu sorgen, dass es noch besser läuft. So war es bei der WM in Paris, beim bisher einzigen Turnier, bei dem er nicht völlig versagt hat. Aber er ist nicht dazu in der Lage, eine Mannschaft auf Kurs zu bringen, wenn es nicht läuft. Oder als Bandengeneral die Impulse zu geben, die ein Spiel wenden können.
Bei seinem Aufgebot hat er wieder einmal dem Bauchgefühl vertraut. Es geht nicht darum, jetzt einzelne Aufgebote zu hinterfragen. Es geht um etwas anderes: es gibt keinen systematischen Aufbau. Keine mittel- und langfristige Strategie bei der Auswahl der Spieler wie dies Ralph Krueger einst auf so meisterhafte Weise vorgemacht hat und wie sie auch Sean Simpson betrieb. Die Entscheidungen kommen heute aus den Emotionen des Tages oder der Woche. Die Schweiz kann sich ein so ziel- und planloses Taumeln von Turnier zu Turnier eigentlich nicht leisten.
Wir sind nicht mehr dazu in der Lage, das Potenzial unseres Hockeys auszuschöpfen. Wir müssen darauf hoffen, dass Patrick Fischer an einem Turnier gerade noch rechtzeitig eine Welle der positiven Emotionen erwischt wie in Paris. Dann können wir ihn feiern. Weil er ja ein netter Kerl ist und ihn alle mögen. Aber wenn es gilt, Widerstände zu überwinden und schwierige Situationen zu lösen – dann scheitern wir.
Das Potenzial der Schweizer ist gross – wie in Paris bei den Siegen gegen Kanada und Tschechien. Wie hier beim 8:0 gegen Südkorea. Wir haben genug Talent, um die Grossen der Welt herauszufordern. Wir haben auch genug Talent, um an diesen Olympischen Spielen um eine Medaille zu spielen.
Aber wir haben nicht mehr die Führung, die wir brauchen, um dieses Potenzial auszuschöpfen. Wir haben hier eine Jahrhundert-Chance auf olympischen Ruhm auf klägliche Art und Weise verpasst. Um es wieder einmal mit einem uralten, bösen Spruch auf einen Nenner zu bringen: Löwen, geführt von Eseln. Aber durchaus sympathischen Eseln.