Hol dir jetzt die beste News-App der Schweiz!
- watson: 4,5 von 5 Sternchen im App-Store ☺
- Tages-Anzeiger: 3,5 von 5 Sternchen
- Blick: 3 von 5 Sternchen
- 20 Minuten: 3 von 5 Sternchen
Du willst nur das Beste? Voilà:
Welches ist die wahre Nationalmannschaft? Jene, die gegen Kanada chancenlos war (1:5) oder jene, die Korea vom Eis gefegt hat (8:0)? Die Frage geht an Eric Blum. Er war ein «Lotterverteidiger» gegen Kanada und nun ein überragender Verteidigungsminister gegen Korea. Er musste Captain Raphael Diaz ersetzen. Nationaltrainer Patrick Fischer gibt Entwarnung: «Nach einem Check im Spiel gegen Kanada hatte er Rückenbeschwerden. Deshalb haben wir ihn geschont. Aber er kann auf dem Eis trainieren und er hätte spielen können, wenn wir ihn unbedingt gebraucht hätten.» Er lässt offen, ob er seinen Captain auch noch im letzten Gruppenspiel gegen Tschechien schonen wird.
Wegen der Absenz von Raphael Diaz musste Eric Blum länger arbeiten als alle seine Teamkollegen (22:05 Minuten). So gesehen personifiziert er die Rehabilitation.
Auf die Frage, welches nun das wahre Gesicht der Mannschaft sei, sagt er rückblickend auf den missglückten Auftakt: «Wir wollten zu viel. Durch die frühen Tore sind wir verunsichert worden und fanden nicht mehr zu unserem Spiel. Wir sind unter unserem Wert geschlagen worden.»
Aber das Selbstvertrauen ist offensichtlich nicht erschüttert worden. Eric Blum sagt: «Wir hatten etwas gutzumachen und das ist uns gelungen.» Er mag das Resultat nicht kleinreden. «Wir haben unser Spiel bis am Schluss durchgezogen und sind dafür belohnt worden. Nun sind wir im Turnier angekommen.» Und damit haben wir die Antwort auf unsere Frage: das wahre Gesicht der Mannschaft ist jenes, das sie gegen Südkorea gezeigt hat.
Bemerkenswert an dieser starken Reaktion ist zweierlei.
Erstens war es eine heftige Reaktion. Ein Spiel des Zorns. Aber es war ein kluger Zorn. Die Schweizer stürmten nicht blind drauflos. Es war eine geordnete, strukturierte, mit kühlem Kopf geführte «Strafexpedition» und die Koreaner hatten das Pech, nun im zweiten Spiel der Gegner zu sein. Die Schweizer hätten mit dieser starken Leistung auch die Tschechen besiegt – und gegen Kanada nicht verloren.
Südkorea ist zwar im Eishockey ein exotischer Name. Der erste Gedanke ist deshalb: 8:0 gegen Korea – na und? Aber es ist ein zäher Gegner. Viel besser als es dieses 8:0 vermuten liesse. Tschechien gewann zum Auftakt nur 2:1.
Die Südkoreaner sind im letzten Frühjahr aufgestiegen (wir spielen bei der WM wieder gegen diese Mannschaft) und in dieser Saison nie so «auseinandergenommen» worden. Das 8:0 steht für die Stärke der Schweizer. Nicht für die Schwäche des Gegners.
Zweitens zeichnet sich eine Lösung des Torhüterproblems ab. Leonardo Genoni war gegen Südkorea nicht einmal mehr Ersatz. Zugs Tobias Stephan sass auf der Bank. Eric Blum sagt, das solle man bitte nicht überbewerten. «Leo weiss, wie mit solchen Situationen umgehen.» Und beruhigt auch gleich: «Keine Sorge, er ist fit.»
Aber den Status der Nummer 1 ist er möglicherweise los. Jonas Hiller hat gegen Kanada während 33:12 Minuten keinen Treffer mehr zugelassen (das 1:5 fiel ins leere Tor) und er hielt nun gegen Südkorea dicht. Seine Fangquote beträgt also formidable 100 Prozent. Auf den ersten Blick mag das bei einem 8:0 noch keine rühmenswerte Heldentat sein. Aber in der Anfangsphase gelingen ihm ein paar gute Paraden, die seinen Vorderleuten Sicherheit geben.
Und da ist noch etwas: Jonas Hiller hat wieder eine starke Ausstrahlung. Wir sehen hier im Vergleich zum Oktober einen «neuen», einen charismatischen Jonas Hiller. Cool, nicht mehr zweifelnd. Sicher, nicht mehr hektisch. Kaum mehr Abpraller und wenn einen Puck nicht gleich festhalten kann, dann sicher im Nachfassen. Er ist unsere neue Nummer 1.
Mit ziemlicher Sicherheit haben wir das Goalie-Problem gelöst. So wie Roger Federer auf wundersame Weise wieder die Nummer 1 der Welt geworden ist, so hat Jonas Hiller auf wundersame Weise die Position einer Nummer 1 im Nationalteam wieder zurückgeholt. Dabei schien es, als hätte er sie bei der letzten WM in Paris für immer verloren.
Vor einem Jahr war Biel mit einem durchschnittlichen Jonas Hiller in den Playoffs gegen den SCB im Viertelfinale chancenlos. Kein Polemiker, wer jetzt sagt: aufgrund der Tabellenlage ist durchaus möglich, dass der Meister im Halbfinale auf Biel trifft (so denn beide Teams die erste Runde überstehen). Und wenn dann der Unterschied zwischen Jonas Hiller und Leonardo Genoni so gross ist wie hier – dann ist der Meister in höchster Gefahr. Die Vorgänge auf der Torhüterposition hier in Südkorea können die Meisterschaft entscheiden. Gut, das ist ein wenig zugespitzt. Aber ein wenig Polemik muss sein.
Patrick Fischer war nach dem missglückten Auftakt gegen Kanada ruhig geblieben. Diese Gelassenheit hat viel zur starken Reaktion seiner Mannschaft beigetragen. Er hat nun auch auf die geglückte Reaktion mit staatsmännischer Gelassenheit reagiert. «Das Resultat ist vielleicht etwas zu hoch ausgefallen. Aber wir nehmen es so wie es ist.»
Der Nationaltrainer steht nur vor seiner heikelsten Personalentscheidung: Wen er gegen Tschechien ins Tor stellt, ist nicht so wichtig. Er sagt auch nicht, wer am Sonntag im Tor stehen wird. Entscheidend ist, wen er im Achtelfinale oder, wenn wir uns direkt qualifizieren, im Viertelfinale einsetzt. Ist auf die Hochform von Jonas Hiller Verlass? Oder könnte es sein, dass Leonardo Genoni auf die schwache Partie gegen Kanada genauso stark reagieren wird wie sie seine Vorderleute gegen Südkorea und uns in die nächste Runde hext?
Die Schweiz «reloaded» tritt bereits am Sonntag (8:40 Uhr Schweizer Zeit) zum dritten und letzten Gruppenspiel gegen Tschechien an. Auch mit drei Punkten ist der Gruppensieg nach menschlichem Ermessen wegen der Niederlage gegen Kanada nicht mehr machbar. Aber dank dem korrigierten Torverhältnis haben wir im Falle eines Sieges nun gute Chancen, der beste Gruppenzweite zu werden – und so direkt ins Viertelfinale zu kommen.