Sport
Sepp Blatter

Sepp Blatter macht Rekurs: ein bisschen wie Napoléon, ein bisschen wie Luther

Er kann nicht anders: Sepp Blatter sieht seine Zeit noch nicht abgelaufen.
Er kann nicht anders: Sepp Blatter sieht seine Zeit noch nicht abgelaufen.
Bild: AP/Keystone

Sepp Blatters Rekurs: Ein bisschen wie Napoléon, ein bisschen wie Luther

Er kann es nicht lassen. Der filmreife Abgang genügt ihm nicht. Sepp Blatter setzt den Adelsstand der Legende aufs Spiel.
09.10.2015, 08:0909.10.2015, 09:23
Folge mir
Mehr «Sport»

Ach, hätte er doch den erzwungenen, 90-tägigen Verzicht auf seinen Thron, die Suspendierung durch die FIFA-Ethik-Kommission akzeptiert. Dann wäre Sepp Blatter nach Ablauf seiner Amtszeit im Februar in den Adelsstand der Legende erhoben worden. Eine Legende ist in diesem Zusammenhang eine Persönlichkeit, die auf Grund besonderer Leistung und Bedeutung zu ewiger Berühmtheit gelangt. Und die wäre dem Fussball-Sonnenkönig, der seit 1998 über ein Reich von 209 Ländern und 1,6 Milliarden Untertanen (Menschen, die direkt oder indirekt mit dem Fussball in Verbindung stehen) herrscht, sicher gewesen.

Und seine Bewunderer hätten ihn als letzten absolutistischen Herrscher des 21. Jahrhunderts in Erinnerung behalten. Als Fussball-Sonnenkönig, der nur von einem Gericht zum vorübergehenden Thronverzicht gezwungen werden konnte, das er selber geschaffen und legitimiert hatte.

Blatter, der Sonnenkönig, umgeben von seinen Kumpanen Hayatou und Platini.
Blatter, der Sonnenkönig, umgeben von seinen Kumpanen Hayatou und Platini.
Bild: REUTERS

Mit der Berufung gegen die 90-tägige Suspendierung (Sperre) kann Sepp Blatter nichts gewinnen. Ist sein Einspruch erfolgreich, dann wird es politisch-psychologisch ein «Freispruch zweiter Klasse». Jene Kritiker werden recht behalten, die monieren, die mit dem Segen von Sepp Blatter kreierte Ethik-Kommission der FIFA sei halt doch nichts anderes als die juristische Prätorianer-Garde des Sonnenkönigs. Also ein Teil eines Justiz-Apparats, der vor allem eifrig gegen die Feinde Sepp Blatters ermittelt – aber den Präsidenten am Ende doch ungeschoren davonkommen lässt.

Kehrt Blatter tatsächlich noch einmal auf den FIFA-Thron zurück?

Wird der Einspruch abgewiesen, bleibt der Eindruck von Uneinsichtigkeit zurück. Es wäre Sepp Blatter kein Zacken aus der Krone der Ehre und der Redlichkeit gefallen, wenn er das Verdikt, den 90-tägigen Thronverzicht akzeptiert hätte. Es handelt sich bei diesem FIFA-internen Gremium ja nicht um ein weltliches Gericht und um ein Verfahren, das mit einem Strafregister-Eintrag endet.

«Hier stehe ich und kann nicht anders!»

Aber Sepp Blatter ist, wie er ist. Von seiner eigenen Unfehlbarkeit überzeugt wie die Helden der griechischen Tragödien, die schuldlos schuldig endeten. «Wenn es jetzt diese Zeiten sind, dann braucht es eines solchen Mannes», huldigte einst Andrew Marwell dem barocken Machtmenschen Oliver Cromwell. So sieht sich Sepp Blatter. In diesen struben Zeiten braucht es oben auf dem Zürichberg, im Versailles des Fussballs, eines Mannes wie ihn.

Eines Mannes, der noch nie etwas anderes gewollt hat, als die Welt mit einem Spiel namens Fussball zu einem besseren Ort zu machen. Wie Martin Luther, der vor dem Reichstag in Worms seine Thesen wiederrufen sollte. Er weigerte sich mit der weltberühmten Begründung: «Hier stehe ich und kann nicht anders! Gott helfe mir, Amen!» Wie einst Napoléon, der es nicht lassen konnte und aus der Verbannung von Elba noch einmal für 100 Tage an die Macht zurückkehrte. Ein Comeback, das mit der welthistorischen Pleite von Waterloo endete.

Ein bisschen wie Napoleon: Blatter will aus der Verbannung zurückkehren.
Ein bisschen wie Napoleon: Blatter will aus der Verbannung zurückkehren.
Bild: KEYSTONE

Es ist dieser Stolz, der sich so wunderbar im Ausspruch von General Pierre Cambronne zeigt. Als ihn die Briten in Waterloo aufforderten, sich zu ergeben, erwiderte er stolz: «Die Garde stirbt, aber sie ergibt sich nicht.» «La garde meurt, mais se ne rends pas.»

Am Ende wartet die Lächerlichkeit

So ist es jetzt beim Fussball-Sonnenkönig. Sepp Blatter riskiert noch einmal alles. Seine Bewunderer mögen sagen, mit dieser stolzen, unbeugsamen Haltung sei Sepp Blatter sozusagen eine Mischung aus Napoléon und Luther. Und als eine der bekanntesten Persönlichkeiten der Zeitgeschichte dürfen wir ihn ja schon mit solchen Grössen der Weltgeschichte vergleichen. Er hat sicherlich nichts dagegen.

Sepp Blatter ist nur noch ein Schatten seiner selbst.
Sepp Blatter ist nur noch ein Schatten seiner selbst.
Bild: Getty Images AsiaPac

In Tat und Wahrheit reitet er auf ein Waterloo der Justiz, der Ehre und des Prestiges zu. Er setzt nicht nur den Adelsstand der Legende aufs Spiel. Am Ende dieser grandiosen griechischen Funktionärs-Tragödie wartet die Lächerlichkeit.

Tschau Sepp – Blatters Karriere in Bildern

1 / 30
Tschau Sepp – Blatters Karriere in Bildern
Joseph Blatter, aufgenommen im Jahre 1966: Der Walliser mit Jahrgang 1936 studierte an der Universität in Lausanne Volkswirtschaft und schloss 1958 mit Diplom ab.
quelle: keystone / widmer
Auf Facebook teilenAuf X teilen

Hol dir jetzt die beste News-App der Schweiz!

  • watson: 4,5 von 5 Sternchen im App-Store ☺
  • Tages-Anzeiger: 3,5 von 5 Sternchen
  • Blick: 3 von 5 Sternchen
  • 20 Minuten: 3 von 5 Sternchen

Du willst nur das Beste? Voilà:

DANKE FÜR DIE ♥
Würdest du gerne watson und unseren Journalismus unterstützen? Mehr erfahren
(Du wirst umgeleitet, um die Zahlung abzuschliessen.)
5 CHF
15 CHF
25 CHF
Anderer
twint icon
Oder unterstütze uns per Banküberweisung.
Das könnte dich auch noch interessieren:
7 Kommentare
Weil wir die Kommentar-Debatten weiterhin persönlich moderieren möchten, sehen wir uns gezwungen, die Kommentarfunktion 24 Stunden nach Publikation einer Story zu schliessen. Vielen Dank für dein Verständnis!
7
PSG auf der Suche nach dem Auswärtssieg in Barcelona und offensive Sorgen in Dortmund
Paris Saint-Germain droht gegen Barça mal wieder ein vorzeitiges Aus in der Champions League. Der BVB ist gegen Atlético auf Tore angewiesen – aber von wem bloss? Beide Spiele starten um 21 Uhr.

Unter besonderer Beobachtung steht im Olympiastadion von Barcelona Kylian Mbappé. Der Stürmerstar von Paris, der das Achtelfinal-Duell gegen Real Sociedad mit drei Treffern quasi im Alleingang entschieden hatte, blieb im ersten Spiel des Viertelfinals erstaunlich blass. Nach 90 Minuten mit wenigen gelungenen Aktionen prasselte die Kritik auf den 25-Jährigen ein, von dem erwartet wird, dass er sich erhobenen Hauptes aus der französischen Hauptstadt verabschiedet.

Zur Story