Mit dem Griff seines Schlägers zeichnet er ein Herz in den Sand des Court Philippe Chatrier und legt sich in den Mittelpunkt. Nur wenige Wolken trüben den Himmel über Paris an diesem 17 Grad warmen Frühlingstag. Novak Djokovic hatte das erreicht, wovon er immer geträumt hatte: Er gewann erstmals in Roland Garros und war damit gleichzeitig Titelhalter bei allen vier Grand-Slam-Turnieren, als erst zweiter Spieler seit Rod Laver 1969. Das waren selbst jene nicht, in deren Schatten er stets gestanden hatte: Roger Federer und Rafael Nadal.
Der Frühlingstag teilte seine Karriere in ein Davor und ein Danach. Davor war Novak Djokovic der Getriebene. Verbissen. Unnachgiebig, bisweilen stur, vor allem aber auch: äusserst loyal. Ein Jahrzehnt lang hielt er an seinem Team fest: Trainer Marjan Vajda, Fitnesstrainer Gebhard Gritsch, Physiotherapeut Miljan Amanovic. Gemeinsam erreichten sie durch Beharrlichkeit jedes Ziel – mal früher, mal später. Sie überwanden Widerstände, Rückschläge, Zweifel und Kritik. Das verbindet. Doch es führt auch zu Abnutzung. Und im letzten Jahr zur Trennung.
Nun ist Novak Djokovic im Danach. Er sagt, er sei ein besserer, ein glücklicherer Mensch. Das Problem: Er ist ein schlechterer Tennisspieler. Das ist schwer zu akzeptieren, für einen, der alles gewonnen hat. Es hat ihn zu drastischen Schritten greifen lassen. Von Andre Agassi und Radek Stepanek trennte er sich schon nach wenigen Monaten wieder. Boris Becker ging von sich aus. Er wurde noch drahtiger. Er liess sich in der Muttenzer Rennbahnklinik an der Hand operieren. Er stellte seine Aufschlagtechnik um. Und zuletzt wechselte er sein Racket.
Geholfen hat es nicht, Djokovic hat seine inneren Kompass verloren und auf der Suche danach dreht er sich im Kreis. So gesehen ist es kein Zufall, was sich in den letzten Tagen abspielt: Djokovic dreht die Zeit zurück und schart in seiner alten Heimat Belgrad, die er als 13-Jähriger in Richtung München verlassen hat, wieder jene Menschen um sich, mit denen er den Grundstein für seine Erfolge gelegt hat: erst Marian Vajda, nun auch Fitnesstrainer Gebhard Gritsch, der vor einem Jahr zur «Aargauer Zeitung» gesagt hatte: «Die Luft war draussen.»
Die Zusammenarbeit sei vorerst auf die Sandsaison beschränkt, richtet Djokovic (30) aus. Stan Wawrinka sagte im «Le Matin»: «Ich hatte meine Zweifel, aber dass Novak jetzt wieder mit Vajda arbeitet, ist die beste Entscheidung.» Der 12-fache Grand-Slam-Sieger selber sagt, er sei endlich wieder schmerzfrei. «Ich habe Fehler gemacht. Ich kam zu früh zurück, ich war nicht bereit und zahlte einen hohen Preis dafür. Aber das Verlangen war grösser», sagt er am Mittwoch der serbischen Zeitung «Večernje novosti».
Djokovic hat in diesem Jahr fünf Spiele gewonnen, fünf verloren. Darunter zwei Mal gegen Spieler, die ausserhalb der Top 100 der Weltrangliste klassiert sind. Selber ist er inzwischen auf den 12. Platz abgerutscht. Kommende Woche kehrt er in Madrid, wo er 2011 und 2016 gewonnen hat, in den Turnierzirkus zurück. Djokovic sagt: «Mir war bewusst, dass Geduld die einzige Medizin ist.» Und das Feuer brenne noch immer in ihm. Über die Rückkehr zu seinen Wurzeln, zu Vajda und Gritsch, sagte er: «Ich bin dankbar, dass sie wieder bei mir sind.»