Es ist das ewige Spielchen, wenn Roger Federer oder Rafael Nadal ein Grand-Slam-Turnier gewinnen: Sofort wird verglichen, wer denn jetzt am Ende der Karriere die grossen Rekorde für sich beanspruchen kann. Und wenn im nächsten Jahr Novak Djokovic wieder antritt, wird auch mit ihm spekuliert. So sehr diese Spekulationen eigentlich alle Tennis-Fans seit Jahren nerven, die Fragen stellt man sich trotzdem.
Nadal steht neu bei 16 Grand-Slam-Titeln, Federer weiterhin bei 19. Der Vorsprung von drei Major-Trophäen ist seit Ende 2016 gleich geblieben, weil beide in diesem Jahr zwei Grand-Slams gewinnen konnten. Der Unterschied: Beide Spieler sind wieder ein Jahr älter geworden.
Dem 31-jährigen Nadal läuft die Zeit also weiter davon, aber er ist noch immer in Schlagdistanz. Mats Wilander sagt: «Federer wird im nächsten Jahr 37. Kann er da noch Grand Slams gewinnen? Ich weiss es nicht. Es ist möglich. Aber Nadal hat noch vier oder fünf Jahre mehr zu spielen als der Schweizer. Er wird sicher noch ein- oder zweimal das French Open gewinnen und dann braucht's nicht mehr viel.»
Aber was glaubt Experte Wilander selbst: «Nadal hat sehr gute Chancen, Federer in Sachen Grand Slams noch einzuholen.»
Fix ist noch nichts, aber sicher ist heute folgendes: Federer und Nadal bestreiten vom 22. bis 24. September den Laver Cup. Dort gibt es keine ATP-Punkte zu gewinnen. Zudem werden beide auch beim Saisonfinale in London (12. bis 19. November) antreten.
Weitere Starts von Federer werden hier erwartet:
Nadal hat aktuell ein Turnier mehr auf der Liste:
Die Aussichten für dieses Jahr sind schlecht. Nadal führt im Race mit 1860 Punkten Vorsprung, was zwei grossen Turniersiegen entspricht. Spielt Federer tatsächlich bei allen oben genannten Turnieren und würde er diese alle gewinnen, würde er zwar 4000 Zähler sammeln. Aber nur schon, wenn Nadal überall «lediglich» das Endspiel erreichen würde, käme er auf 2500 Punkte – dann bräuchte der Spanier nur noch einen Turniersieg (oder bei einem 500er-Erfolg daneben noch wenige Punkte), um die Führung im Ranking zu verteidigen.
2017 wird es also kaum reichen. Zum Start der Saison 2018 wird es ebenfalls schwierig werden. Federer müsste beim Australian Open wohl mindestens das Endspiel erreichen, da ihm die 2000 Zähler vom diesjährigen Triumph wegfallen. Aber Nadal muss da ebenfalls 1200 Punkte verteidigen.
Der Zweikampf an der Spitze um den ATP-Thron wird im Normalfall bis Mitte Jahr eine Angelegenheit zwischen den beiden Titanen bleiben – ausser Alexander Zverev startet durch.
Nadal ist die Weltnummer 1 zum Saisonende also kaum mehr zu nehmen. Damit wäre der Spanier nach 2008, 2010 und 2013 zum vierten Mal der beste Spieler einer Saison. Er würde mit Novak Djokovic gleichziehen. Federer war bisher fünfmal (2004 bis 2007 und 2009) der beste Spieler eines Kalenderjahres. Noch besser war einzig Pete Sampras, der sechs Jahre in Folge die Nummer 1 war.
It's a bird...it's a plane...
— US Open Tennis (@usopen) 11. September 2017
Nope - it's just @RafaelNadal flying high after winning his 3rd #USOpen title! pic.twitter.com/ULJFXjpalz
Ein weiteres Glanzjahr von Nadal ist nicht auszuschliessen, aber auch Djokovic, Andy Murray und Stan Wawrinka dürften im neuen Jahr bei der Aufteilung der grossen Titel wieder ein Wörtchen mitreden.
Wir haben aufgehört, bei Nadal und Federer Dinge kategorisch auszuschliessen. Wenn wir es in einem Punkt noch machen können, dann vielleicht hier. Federers 302 Wochen bedeuten rund drei Jahre Vorsprung auf Nadals 145 Wochen. Es müsste mit dem Teufel zu- und hergehen, wenn sich der Mallorquiner diesen «Konstanz-Rekord» noch schnappen würde.
Nadal ist 31 und ziemlich genau fünf Jahre jünger als Federer. Nach dem Triumph in New York erklärte der Spanier: «Ich würde gerne noch ein paar Jahre weiterspielen. Vermutlich aber nicht wie Federer bis 36. Allerdings hätte ich mit 26 auch nicht gedacht, dass ich mit 31 noch hier sein werde.»
Sicher ist: Nadal stellte sein Spiel in diesem Jahr vor allem auf den Hartplätzen um, damit er sich körperlich nicht mehr so stark abnutzt. Und wer immer noch glaubt, Nadal sei bald völlig ausgelaugt, dem widerspricht Mats Wilander: «Seine Art zu spielen, entspricht einfach seinem Naturell. Er würde durch die Wand rennen, wenn er könnte. Er verletzt sich zwar, aber er kommt immer noch besser zurück.»
Sein Leben bestehe nicht nur aus Tennis, sagte der Spanier selbst. Und «nur» Federer die Rekorde abzuluchsen, sei für ihn keine Motivation. «Mir ist es egal, ob Federer 2, 4 oder 24 Grand-Slam-Titel hat. Ich arbeite jeden Tag hart und gebe mein Bestes. Aber wenn ich irgendwann nicht mehr glücklich bin mit Tennis, höre ich auf.»