«Ich wusste am Abend nicht, ob ich am nächsten Tag noch lebe.» Diesen schockierenden Gedanken hatte Marion Bartoli im letzten Sommer, als sie fürs Fernsehen aus Wimbledon berichtete. «Ich dachte mir: ‹Wenn ich schon sterbe, dann ist dieser Ort hier wenigstens ein würdiger dafür.›»
Auf dem «heiligen» Rasen in London hatte die Französin 2013 den Gipfel ihrer Karriere erklommen und das Grand-Slam-Turnier gewonnen. «Das war beinahe ein göttliches Wunder», staunt Bartoli noch heute. Denn just als sie so gut wie nie war – die Nummer 7 der Weltrangliste – warfen sie schwere gesundheitliche Probleme aus der Bahn. Nur etwas mehr als einen Monat nach dem Triumph trat sie zurück, weil ihr Körper einfach nicht mehr mitmachte.
Marion Bartoli addresses her incredible recovery from mystery illness that caused her to "waste away" https://t.co/NXC71ovGpp pic.twitter.com/3Oq8x3Pzqg
— New York Post Sports (@nypostsports) 9. Juni 2017
Richtig schlimm, ja gar todernst, wurden die gesundheitlichen Probleme im vergangenen Jahr. Plötzlich tauchten Bilder von Bartoli auf, auf denen sie nicht mehr kräftig gebaut war, sondern plötzlich spindeldürr. Rasch wurde über eine Magersucht spekuliert. Die Französin bekam natürlich mit, wie hinter ihrem Rücken getuschelt wurde. «Am liebsten hätte ich die Leute angeschrien und ihnen gesagt, sie hätten ja keine Ahnung, durch welche Hölle ich gerade gehe.»
Bislang wusste kaum jemand ausserhalb ihres engsten Zirkels Näheres. Nun verriet sie in der Times, weshalb sie sich so rasant derart auffallend verändert hatte. Es war eine Krankheit, durch die Marion Bartoli so viele Kilos verlor: Sie hatte sich mit der Schweinegrippe angesteckt, dem H1N1-Virus.
All the story about what happened to me last year and everything I had to overcome in today's edition of @thetimes pic.twitter.com/4g1CkTlSDO
— Marion bartoli (@bartoli_marion) 3. Juli 2017
Vier Monate verbrachte Marion Bartoli nach der Diagnose im Spital in Paris. Anschliessend konnte sie an ihrem Wohnsitz in Dubai weitergepflegt werden, von einer Krankenschwester, die sie täglich besuchte.
Jeder Tag sei ein Kampf zwischen Leben und Tod gewesen. «Ich verlor meine Haare – und ich liebe mein langes Haar – und meine Zähne fielen beinahe aus, auch meine Haut war höchst empfindlich. Ich konnte mich nicht mit normalem Wasser waschen.» Bartolis Alltag war auf den Kopf gestellt. «Ich konnte nicht einmal ein Email schreiben. Meine Haut war so dünn geworden, dass ich den Strom in den Fingern spürte. Ich hatte Arthritis und musste Kleider für 14-Jährige kaufen.»
Die Erkrankung schlug verständlicherweise auch aufs Gemüt. Bartoli hatte viel Zeit, um nachzudenken. Und sie kam zum Fazit: «Ich hatte den Eindruck, dass mir das nicht grundlos widerfahren ist. Mein Körper erinnerte mich daran, dass ich ihn pausenlos stark beanspruchte, seit ich ein achtjähriges Mädchen war.»
Viel Kraft gab ihr bei der Genesung der Wimbledon-Triumph, mit dem Finalsieg über die Deutsche Sabine Lisicki. «Ich habe auf den Tennis-Courts viel erlebt, aber das war alles gar nichts gegen diesen Kampf.» Nun gehe es ihr wieder besser, freut sich Marion Bartoli. «Ich beginne, mich wieder lebendig zu fühlen.»