Nach 16 von 18 WM-Rennen liegt Tom Lüthi 29 Punkte hinter Leader Franco Morbidelli. In Sepang geht es für ihn also vor allem darum, den Titelkampf bis zum letzten GP der Saison in Valencia offen zu halten. Es wird in Malaysia schon der 250. Grand Prix sein, bei dem der 31-jährige Emmentaler am Start steht. Das Jubiläum macht Lüthi «doch etwas stolz. Um so viele Grands Prix bestreiten zu können, muss man einiges gezeigt und richtig gemacht haben.»
Dank einer Wildcard gibt der 15-jährige Lüthi auf dem Sachsenring sein GP-Debüt. Seine Rangierung fernab der Punkte (26.) lässt nicht unbedingt auf die folgende, grosse Karriere schliessen. Lüthi selbst war aber zufrieden mit dem Resultat, «denn ich liess alle anderen Wildcard-Fahrer hinter mir». Schon wenige Wochen später klassierte er sich in Estoril als Neunter erstmals in den Top 10.
Sein erster von mittlerweile 57 Podestplätzen ist Lüthi noch immer gut präsent: «Mir gelang von Position 14 ein guter Start, und plötzlich war ich in der Spitzengruppe dabei.» Am Schluss kämpfte er mit dem nachmaligen Weltmeister Dani Pedrosa um den Sieg. «Ich weiss heute noch nicht, wie das ging, und ich Zweiter werden konnte.»
Nie in den letzten 15 Saisons bestritt Lüthi in einem Jahr weniger Rennen (13) als 2004. Grund dafür war ein heftiger Rennsturz in Mugello, bei dem er sich erstmals das Schlüsselbein brach und danach einige Grands Prix verpasste. Lüthi: «Stürze gehören im Rennsport dazu. Auf der Suche nach dem Limit stürzt man manchmal, dann tut es eben weh.»
In seiner 125-ccm-Weltmeistersaison feierte Lüthi vier GP-Siege, den ersten im Mai in Le Mans. Beim Saisonfinale in Valencia reichte der 9. Rang zum Gewinn des WM-Titels. «Das war wohl das einzige Rennen in meiner Karriere, das ich nicht gewinnen wollte», so Lüthi. Vielmehr sei es darum gegangen, «nicht einzuschlafen, durchzukommen und die nötigen Punkte zum Gewinn des WM-Titels zu holen».
Bei der Premiere der neu eingeführten Moto2-Klasse spielte Lüthi eine Nebenrolle. Nach einer Aufholjagd reichte es ihm immerhin zum 7. Platz – eine ehrenvolle Rangierung in jenem Bereich, die er in den drei eher missglückten Saisons zuvor in der 250-ccm-Klasse oftmals herausgefahren hatte. Drei Wochen später und nach dem 3. Rang in Jerez wusste er bereits, «dass mir die Moto2-Klasse mehr Spass macht als die 250er». Mit 135 Starts ist er der erfahrenste Pilot in der mittleren WM-Klasse. In exakt einem Drittel der Rennen (45) resultierte eine Top-3-Platzierung.
Nach fast fünfeinhalb Jahren Sieglosigkeit empfand Lüthi den Triumph in Sepang «wie eine Befreiung. Da habe ich die Bestätigung erhalten, dass ich es noch kann». Dieser Tag in Malaysia ist allerdings auch mit äusserst negativen Erfahrungen behaftet. Eine Stunde nach Lüthis Siegerehrung kam es im MotoGP-Rennen zum tödlichen Unfall des Italieners Marco Simoncelli. «Erst der Sieg, die Freude und dann die schreckliche Nachricht. Alles andere wurde auf einmal unwichtig», so Lüthi damals.
Das erste Rennen in Argentinien gehört zu den schlechtesten überhaupt in Lüthis Karriere: «Ich kam mit der neuen Strecke nicht zurecht. Zudem war ich richtig krank.» Ins Rennen startete er nur von Position 27, doch damit nicht genug. «Nach einem Verbremser befand ich mich ganz am Schluss des Feldes.» Schlechter als im 19. Rang war Lüthi in seiner bald zu Ende gehenden Moto2-Zeit nie klassiert.
Den letzten Jubiläums-GP hatte sich Lüthi «klar anders vorgestellt. Ich hätte gerne mehr als nur vier WM-Punkte gewonnen.» Wegen Elektronik-Problemen war der Berner nur von Position 17 ins Rennen gestartet.
Zwei Wochen vor dem GP von Grossbritannien war Lüthi in Brünn heftig gestürzt. Dabei erlitt er eine Gehirnerschütterung. Als Folge davon verbrachte er eine Nacht zur Beobachtung im Spital, an einen Rennstart war nicht zu denken. «Eine Vorbereitung auf das Rennen in Silverstone war mir nicht möglich. Deshalb ist mir auch jetzt noch unerklärlich, wie ich dort gewinnen konnte», erinnert sich Lüthi. In den folgenden 19 Rennen sollte er 13-mal auf dem Podest stehen.
Lüthis 16. und bislang letzter GP-Sieg war eigentlich gar keiner. In Misano war Dominique Aegerter im Regen schneller. «Es war ein grossartiger Schweizer Doppelsieg. Der zweite Platz war für mich im WM-Kampf der Hammer», so Lüthi. Doch Wochen später wurde Aegerter wegen Unregelmässigkeiten beim Motoröl der Sieg aberkannt, Lüthi rückte nach. «Es tut mir sehr leid für ‹Domi›, das ist wirklich sehr bitter für ihn, der ja ohne Schuld ist», so Lüthi. Seit der Disqualifikation fanden die zwei Berner Kollegen noch keine Zeit, sich zu unterhalten. (ram/sda)