Stell dir vor, du quälst dich zehn Stunden auf dem Mountainbike über 113 Kilometer, meisterst 2800 Höhenmeter und musst dich zum Schluss auch noch durch den Schlamm kämpfen. Nur um auf der Zielgeraden zu merken: Du bist zu spät. Um 16 Sekunden. Unvorstellbar? Dann frag mal bei Hein Venter nach. Der Südafrikaner schaffte die maximal vorgegebene Zeit für die erste Etappe des Cape Epic wegen genau diesen 16 Sekunden nicht. Seine Nummer wurde entfernt, das Abenteuer ist zu Ende, bevor es richtig angefangen hat.
«Ich musste am Ende durch den Schlamm, immer wieder das Velo reinigen. Ich dachte es reicht noch, meine Uhr zeigt noch 9:59 Stunden an», fasst der 50-Jährige im Ziel mit Tränen in den Augen zusammen. Er zeigt auf seine Uhr, blickt hoffnungsvoll. 2012 beendete er das Cape Epic, 2013 scheiterte er. Doch die Organisatoren bleiben knallhart. Hein ist draussen. Sein Partner, der einiges vorher im Ziel ankam, muss ab jetzt alleine fahren. So wollen es die Regeln.
Während Hein das Herz bricht, kann der 17,7 Sekunden vorher ins Ziel kommende Johannes sein Glück kaum fassen. 1,7 Sekunden rettete er mit einem beherzten Schlussspurt ins Ziel. «Ich wollte noch auf meinen Partner warten, als die Zuschauer schrieen, ich müsse mich beeilen. Da habe ich auf den letzten Metern Gas gegeben», so der 52-Jährige.
Sein Partner Malcom verpasst den Cut um gut zwei Minuten und scheidet aus. «Ich bin glücklich, dass ich es geschafft habe, aber traurig für meinen Partner und unser Team. Ich glaube, ich muss ihm einige Bier zahlen.»
Rund zehn Kilometer vor dem Ziel dämmerte es Johannes, dass es mit der Zeit sehr knapp werden würde. Malcom war zuvor schwer gestürzt und sichtlich angeschlagen. «Da habe ich ihm gesagt, ich muss es versuchen. Die letzten Kilometer waren verdammt hart. Zwei Kilometer vor dem Ziel dachte ich, ich schaffe es nicht. Das ist unglaublich.»
Dass Johannes überhaupt am Cape Epic, einem der härtesten Mountainbikerennen der Welt, dabei ist, verdankt er einem (un)glücklichen Zufall. «Ich habe während Cape Country (ein anderes 7-Tage-Rennen in Südafrika, d. Red.) Malcom kennengelernt. Einen Tag später stürzte ich und als ich noch am Boden lag, fragte mich Malcom, ob ich mit ihm ans Cape Epic wolle», erinnert sich der Südafrikaner. Das war im Juli 2014, er brach sich eine Rippe.
«Ab August konnte ich wieder trainieren. Jetzt bin ich hier.» Sieben Etappen stehen noch aus. Wird er am Sonntag das Ziel auf dem Weingut Meerendal erreichen? «Ja, klar. Ich muss. Ich glaube nicht, dass ich noch einmal die Chance habe, beim Cape Epic teilzunehmen.» Und wie will er sich nach den Strapazen der ersten Etappe erholen? «Wenn ich kann, nehme ich jetzt ein Bier.»
Während Johannes' und Heins Teams schon nach der ersten Etappe Geschichte sind, retteten sich die Argentinier Evangelina Vinci und Cristian Pablo Dalessandro nach 9:49 Stunden über die Ziellinie. Hat's Spass gemacht, will ich wissen. «Terrible, terrible, terrible! Very, very difficult», so Evangelina.
Was war denn das Härteste? «Die Abfahrten. Die waren muuuuy peligroso, pero muy peligroso.» Sehr schwierig also. Wegen den Steinen. Und dem rutschigen Untergrund. Aber: Das Ehepaar aus Buenos Aires ist noch im Rennen. Nur je einen Sturz erlitten sie auf der ersten Etappe, wie Cristian stolz ergänzt.
Seit sechs Monaten haben die passionierten Biker wirklich hart trainiert. «Dafür mussten wir jeweils nach Cordoba oder Salta in die Bergen, weil in Buenos Aires ist es zu flach.» Aber wie kommt man denn überhaupt auf die Idee, das Cape Epic zu fahren? Evangelina: «Unser Trainer meinte, das sei das härteste Rennen der Welt. Da wollten wir hin. Aber er ist ein Ironman – ich nicht.»
20 Fahrer haben die erste Etappe aus verschiedenen Gründen nicht erfolgreich absolviert. Für alle anderen geht das Rennen heute weiter. Jeder einzelne Fahrer kann hier mit dem Live-Tracking verfolgt werden.