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WM 2014

Kaum einer kennt ihn, aber die ganze Welt beneidet unsere Nati um diesen Mann

Jean-Benoit Schüpbach bei der Arbeit im Schweizer Teamhotel in Weggis.Bild: null
«Lord of the Shoes»

Kaum einer kennt ihn, aber die ganze Welt beneidet unsere Nati um diesen Mann

Zlatan Ibrahimovic schwört auf seine Kreationen und ausländische Verbände versuchen ihn abzuwerben. Doch der Schuhchef der Schweizer Fussball-Nati bleibt seiner Delegation auch in Brasilien treu.
01.06.2014, 20:4324.06.2014, 13:18
Alex Dutler
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Bei jedem Tor, welches Josip Drmic und seine Teamkollegen an der WM in Brasilien schiessen, hat er seine Finger im Spiel. Jean-Benoit Schüpbach ist «Lord of the Shoes» – der Schuhchef der Schweizer Nationalmannschaft.

Mit diesen Schuhen fährt Johan Djourou an die WM. Eingestickt: Der Name seiner Tochter.
Mit diesen Schuhen fährt Johan Djourou an die WM. Eingestickt: Der Name seiner Tochter.Bild: Alex Dutler

Im ersten Moment tönt das nach einem höchstens mittelmässig aufregenden Job. In Tat und Wahrheit beneidet uns die halbe Welt um den Schuhexperten und sein Fachwissen. «Ich habe Angebote von anderen Verbänden erhalten, aber sie allesamt abgelehnt. Mein Herz schlägt für die Schweiz», erklärt der 51-jährige Romand vor seiner Werkstatt im Hotel der Nati-Delegation in Weggis und klopft grinsend auf das Wappen an seinem Trainingsanzug.

Seit 1999 in Diensten der Nationalmannschaft

Schon 15 Jahre tüftelt Schüpbach im Auftrag der Nati an der optimalen Einstellung des Schuhwerks. Seit der WM 2006 begleitet er die Mannschaft auch auf jeder Auswärtsfahrt. Viele WM-Teilnehmer haben mangels verfügbarer Spezialisten keine vergleichbare Position in ihrem Betreuerstab. 

Die halbe Welt leckt sich die Finger nach Jean-Benoit Schüpbach, aber er bleibt der Schweizer Nati treu.Bild: Alex Dutler

Der Schuhpionier wundert sich darüber und versteht auch nicht, dass sein Spezialgebiet nicht schon früher mehr Aufmerksamkeit erhalten hat: «Der Fuss ist ja schon im Namen des Spiels. Der Ball wird ständig neu erfunden, aber bis vor zehn Jahren rannten fast alle Spieler mit unangepassten Standardschuhen herum.»

Das hat sich mittlerweile geändert: Die Spieler haben gut dotierte Einzelverträge mit den grossen Marken und kicken in eigens für sie massgefertigten Ausgaben der neusten Modelle.

Scannen, anpassen, kicken

Schüpbachs Konzept geht noch einen grossen Schritt weiter. In jahrelanger Arbeit hat er eine Spezialsohle entwickelt. Mit einem Scanner vermisst er die Füsse der Nati-Stars bis ins kleinste Detail. Anhand der gewonnenen Daten fertigt er jede einzelne Einlage exakt nach ihren Bedürfnissen an. «Der Trick dabei ist, dass sich die Sohle dem Fuss anpasst – und nicht umgekehrt.»

Barnetta lässt seine Füsse von Jean-Benoit Schüpbach scannen.
Barnetta lässt seine Füsse von Jean-Benoit Schüpbach scannen.Bild: Alex Dutler

Die richtigen Stollen für jeden Spielertyp

Sein zweites Geheimnis betrifft die Stollen. Für die WM in Brasilien hat der Tüftler eigenhändig zwei komplett neue Versionen kreiert. Es gibt ein Modell mit vier Kanten, das viel Standfestigkeit bietet. Schüpbach erklärt: «Die Goalies und Defensivspieler schätzen das, aber für die Offensivakteure ist es nicht sehr geeignet.» Der Grund: Die Mittelfeldspieler und Stürmer werden öfter gefoult. Wenn der Stollen sich im Boden festhakt, dann überträgt sich der Schlag stärker auf den Fuss – das Risiko einer Verletzung wird grösser.

Die Lösung hat Schüpbach mit dem «Twist» erfunden. Es ist ein spiralförmiger Stollen, der meistens etwas kürzer ist. Somit verringert sich der Halt des Spielers, aber er löst er sich bei einem harten Aufprall auch eher aus dem Boden.

Den «Twist» werden die Schweizer Stürmer in Brasilien tragen.Bild: Alex Dutler

Auch Ibra ist begeistert

Obwohl Schüpbach der Nati treu bleibt, profitieren auch einzelne ausländische Superstars von seinen Produkten. Zlatan Ibrahimovic, Samuel Eto'o und Daniel Van Buyten schwören auf seine Stollen und lassen sich diese in ihren Klubs an die Treter montieren.

Im Nati-Camp ist Schüpbach ständig mit den Spielern in Kontakt. Anhand ihrer Feedbacks erarbeitet er die optimale Stollenkombination: «Mit der Länge lässt sich viel machen. Man kann sogar Fehler in der Fussstellung korrigieren, indem man auf der einen Seite kürzere Stollen montiert und auf der anderen Seite längere.»

Die Vorlieben seiner Schützlinge weiss der Schuhchef allesamt auswendig: «Stephan Lichtsteiner trägt meistens eine Dreierkombination: Vorne 10 Millimeter, dann 12,5 Millimeter und hinten 13,5 Millimeter. Diego Benaglio bevorzugt sehr lange Stollen. Er hat vorne 14,5 Millimeter und hinten 16 Millimeter.»

Sonderbehandlung für das Schuhwerk von Stephan Lichtsteiner.Bild: Alex Dutler

In Basel die Türken nass gemacht

Eine wichtige Rolle spielt auch das Terrain und der Wetterbericht. Schüpbach erinnert sich an ein Schmankerl während der EM 2008. Im Basler St. Jakob-Park traf die Schweiz damals auf die Türkei. «Ich bekam vom Wetterdienst die Information, dass während der Partie ein Unwetter über das Stadion ziehen wird und zog deshalb sehr lange Stollen auf. Die Spieler haben sich beim Einlaufen noch beschwert, aber als der Himmel seine Schleusen öffnete, waren wir perfekt eingestellt. Die Türken sind nur noch herumgerutscht.»

Um in Brasilien wieder hervorragend vorbereitet zu sein, reist jeder Spieler mit fünf bis zehn Paar Schuhen an. Die Matchexemplare tragen sie im Flugzeug sogar im Handgepäck – um sie ja nicht zu verlieren. Für Schüpbach werden am Spieltag rund 300 Kilogramm Maschinen und Material ins Stadion geschleppt. So kann er vor Ort auf jede unvorhersehbare Entwicklung reagieren. 

Die Taschen sind gepackt. Schüpbach ist bereit für Brasilien.
Die Taschen sind gepackt. Schüpbach ist bereit für Brasilien.Bild: Alex Dutler

Nach dem WM-Abenteuer wird Schüpbach wieder in sein Sportartikelgeschäft in Marnand zurückkehren. Dieses betreibt er gemeinsam mit seiner Frau. Wenn es nach ihm geht, ist er dann Teil einer Weltmeisterdelegation: «Ich denke nie daran, dass wir ein Spiel verlieren könnten. Und wenn das immer stimmt, dann gibt es am Schluss einen schönen Pokal.»

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