Katy Perry weiss, wie man eine grosse Bühne für sich nutzt. Als die Popsängerin zur Pressekonferenz für ihre Halbzeitshow beim Super Bowl im Phoenix Convention Center erschien, war ihr sämtliche Aufmerksamkeit sicher. Sie sei zwar keine Football-Expertin, sagte die 30-Jährige, aber sie könne garantieren, dass bei ihrem Auftritt die Luft nicht ausgehen werde. Gelächter im Saal, der Seitenhieb hatte gesessen.
Nicht ganz so witzig dürfte die National Football League die Anspielung auf «Deflate Gate» gefunden haben. Der NFL passt es ohnehin nicht, dass seit zwei Wochen mehr über die Vorfälle beim 45:7-Erfolg der New England Patriots im Halbfinale gegen die Indianapolis Colts geredet wird als über den Super Bowl zwischen New England und Meister Seattle Seahawks. Eine Untersuchung brachte ans Licht, dass elf der zwölf Patriots-Bälle in der ersten Halbzeit nicht fest genug aufgepumpt waren. Die NFL steht mal wieder in der Kritik, vor allem Commissioner Roger Goodell.
Der sprach am Freitag ebenfalls mit den Journalisten, auf jener Bühne, auf der Perry 24 Stunden zuvor ihre Witze gemacht hatte. Bei Goodell gab es wenig zu lachen, erst recht nicht für ihn selbst. Der 55-Jährige hat eine anstrengende Saison mit etlichen Problemen hinter sich, und man kann nicht gerade sagen, dass er dadurch an Vertrauen gewonnen hat. Selten überzeugte Goodell durch Ehrlichkeit und Transparenz, viel wichtiger war und ist es ihm, das Ansehen der NFL in der Öffentlichkeit zu pflegen.
Mehrfach hatte Goodell die Chance, zu erklären, warum immer noch keine konkreten Ergebnisse zu dem Fall vorliegen. Nicht nur die Medien, sondern auch Millionen Fans hätten gerne wahre Worte gehört von dem Mann, der durch seine Fehler beim Skandal um den ehemaligen Baltimore-Ravens-Runningback Ray Rice die Vorbehalte gegen die NFL noch verschärft hat.
Doch Goodell blieb erneut echte Antworten schuldig. «Wir haben noch kein Urteil gefällt. Wir wissen nicht genug, um sagen zu können, wer der Schuldige ist oder ob es einen Regelverstoss gegeben hat», sagte der Commissioner.
Zwei Wochen nach dem Vorfall ist die reichste Liga der Welt (10 Milliarden Dollar Jahreseinnahmen) also immer noch arm an Informationen. Warum? Unter anderem, weil beispielsweise noch immer nicht mit jenem Mann geredet worden ist, der erster Ansprechpartner hätte sein müssen: Patriots-Quarterback Tom Brady. Es waren schliesslich seine Footbälle, aus denen Luft entwichen war.
Man würde «alles ernst nehmen, was möglicherweise die Integrität unseres Spiels beeinträchtigen könnte», sagte Goodell. Da er weiss, dass die Öffentlichkeit seiner Liga nach dem Fall Rice nicht mehr zutraut, derartige Ermittlungen selbst zu führen, hat Goodell unabhängige Gutachter beauftragt. Doch wie unabhängig können sie sein, wenn sie von der NFL bezahlt werden?
Die renommierte CNN-Reporterin Rachel Nichols ist – wie viele – skeptisch. Sie fragte, was die Liga machen könne, um künftig derartige Interessenkonflikte zu vermeiden. Goodell holte kurz Luft, lobte sich selbst («Ich denke, wir haben einen exzellenten Job gemacht mit unseren Gutachtern») und kanzelte Nichols ab: «Jemand muss sie bezahlen, Rachel. Soweit du das nicht freiwillig machst, was ich nicht glaube, werden wir es tun.»
Goodell bezieht seine 44 Millionen Dollar Jahresgehalt übrigens von den 32 Team-Besitzern der NFL, so auch von Patriots-Eigner Robert Kraft. Beide pflegen ein gutes Verhältnis. Am Tag vor dem Duell zwischen New England und Indianapolis besuchte Goodell Kraft in dessen Haus, zusammen liessen sie sich fotografieren.
Für Seattles Cornerback Richard Sherman ist seitdem klar, dass die Patriots «wahrscheinlich nicht» bestraft werden. «Jedenfalls nicht, so lange Robert Kraft und Roger Goodell zusammen Fotos in ihren Häusern machen.»