Sport
Fussball

Entführung, Totschlag, Prostitution: Wie viel Dreck hat dieser Boss von Super-League-Aufsteiger Lugano am Stecken?

Pablo Martin Bentancur Rubianes hat 40 Prozent der Lugano-Aktien und eine dunkle Vergangenheit.
Pablo Martin Bentancur Rubianes hat 40 Prozent der Lugano-Aktien und eine dunkle Vergangenheit.Bild: TI-PRESS

Entführung, Totschlag, Prostitution: Wie viel Dreck hat dieser Boss von Super-League-Aufsteiger Lugano am Stecken?

13 Jahre nach dem finanziellen Kollaps kehrt der FC Lugano zurück in die Super League. Doch das Tessiner Fussballmärchen hat auch eine dunkle Seite: 40 Prozent des Klubs werden von einem peruanischen Spielervermittler mit krimineller Vergangenheit kontrolliert. 
27.05.2015, 14:2327.05.2015, 22:39
Alex Dutler
Folge mir
Mehr «Sport»

Petrus ist doch kein Tessiner. Der FC Lugano vertritt die Sonnenstube der Schweiz, aber die Rückkehr in die Super League muss er am Pfingstmontag nach 13 Jahren Wartezeit im strömenden Regen feiern. Die Mannschaft, Trainer Livio Bordoli und Präsident Angelo Renzetti kümmert das herzlich wenig. Sie liegen sich nach dem entscheidenden Sieg gegen Biel im Stadion Gurzelen in den Armen und lassen sich von rund 200 mitgereisten Fans bejubeln.

Euphorie in Biel: Mittelfeldmotor Mattia Bottani feiert den Aufstieg Luganos mit den Fans.
Euphorie in Biel: Mittelfeldmotor Mattia Bottani feiert den Aufstieg Luganos mit den Fans.Bild: TI-PRESS

Luganos sportlicher Aufstieg ist für die Liga ein Segen. Immerhin werden so sämtliche Diskussionen über die Lizenzvergabe im Keim erstickt. Vor Monatsfrist hat die Swiss Football League Luganos ärgsten Konkurrenten Servette und Wohlen die Bewilligung für die oberste Spielklasse verweigert. Hätte einer von ihnen die Saison sportlich auf Platz 1 beendet, wäre die Challenge League wohl endgültig zur Farce verkommen.

Wiederauferstehung nach 13 Jahren

Für die Tessiner selbst geht ein langer Leidensweg zu Ende. 2009 und 2010 scheitern sie in der Barrage an Luzern und Bellinzona. 2011 verspielen sie nach der Entlassung von Marco Schällibaum innert sieben Runden 14 Punkte Vorsprung und müssen Lausanne den Vortritt lassen. Und über allem schwebt der dunkle Schatten von 2002. Damals wird der FC Lugano als Dritter der Nationalliga A zwangsrelegiert. Alleinherrscher Helios Jermini hat sich verzockt und den FC Lugano in ein Zehn-Millionen-Franken-Loch gestossen. Der Finanzjongleur endet mit seinem Audi im Luganersee, die Behörden gehen von Selbstmord aus. Ein Jahr später muss der Klub Konkurs anmelden.

Verzweiflungstat: Lugano-Präsident Helios Jermini nimmt sich im März 2002 das Leben. 
Verzweiflungstat: Lugano-Präsident Helios Jermini nimmt sich im März 2002 das Leben. Bild: KEYSTONE

Diese dunklen Zeiten will Lugano nun vergessen machen. Unter der Leitung des fussballverrückten Architekten Angelo Renzetti hat der neugegründete Verein seinen alten Glanz Schritt für Schritt zurückerobert. Knapp 6'000 Zuschauer werden in der Super League durchschnittlich erwartet, eine neue Arena neben dem Stadio Cornaredo ist auf gutem Weg. Um im Oberhaus nicht als Schiessbude zu enden, wird das Budget auf rund 5 Millionen Franken erhöht.

Die fragwürdige Vergangenheit des Miteigentümers

Luganos Rückkehr, ein Fussballmärchen ohne Schattenseiten? Mitnichten. Denn unter die freudetrunkenen Tessiner mischt sich in Biel auch ein Mann mit fragwürdiger Vergangenheit. Pablo Martin Bentancur Rubianes ist seit letztem Sommer zu 40 Prozent am Klub beteiligt. Der Peruaner hat sein Vermögen hauptsächlich als Spielervermittler und Geschäftsmann in Uruguay gemacht. Unter anderem soll er Millionendeals für Edinson Cavani und Luis Suarez eingefädelt haben.

Pablo Martin Bentancur Rubianes und Angelo Renzetti sind die starken Männer beim FC Lugano.
Pablo Martin Bentancur Rubianes und Angelo Renzetti sind die starken Männer beim FC Lugano.Bild: TI-PRESS

Spielervermittler haben im Fussballbusiness grundsätzlich mit dem Generalverdacht unsauberer Machenschaften zu kämpfen. Viele zu Unrecht, doch ein Blick in Pablo Bentancur Rubianes' Vergangenheit lässt einem die Haare zu Berge stehen.

So soll er gemäss uruguayischen Medienberichten vor knapp fünf Jahren den minderjährigen Stürmer Nicolás López nach Italien entführt und ihm den Reisepass abgenommen haben. Ziel der spektakulären Aktion: Besitzerklub Nacional de Football für einen Transfer in die Serie A mit einem kleinen Schweigegeld statt einer Millionenablöse abzuspeisen. Ein Erpressungsversuch, der gründlich misslingt. Der Klub geht auf die Barrikaden, erstattet Anzeige – und zieht diese erst nach der Zahlung von einer Million Dollar durch Bentancur Rubianes zurück. 

Junge Frau getötet und aus dem Staub gemacht

Noch ernster ist die Lage für Luganos Mitbesitzer einige Jahre zuvor. Am 24. November 2002 überfährt Bentancur Rubianes kurz nach 7 Uhr morgens am Strandboulevard eines Aussenbezirks von Montevideo eine 16-jährige Fussgängerin. Er steht unter dem Einfluss von Kokain und ist stark alkoholisiert. Da er mit fast 150 Stundenkilometern rast und in diesem Zustand nicht reagieren kann, schleift er die junge Frau mit seinem Mercedes knapp 80 Meter mit. Sie hat keine Überlebenschance.

In Punta Gorda, einem Wohnbezirk von Montevideo, verursacht Bentancur Rubianes unter Drogen- und Alkoholeinfluss einen tödlichen Unfall und begeht Fahrerflucht.  
In Punta Gorda, einem Wohnbezirk von Montevideo, verursacht Bentancur Rubianes unter Drogen- und Alkoholeinfluss einen tödlichen Unfall und begeht Fahrerflucht.  bild: maps.google.ch

Statt sich der Polizei zu stellen, entzieht sich Bentancur Rubianes der Verantwortung. Er flüchtet und stellt sein Auto an einem entfernten Ort ab. Anschliessend überzeugt er einen seiner Angestellten, die Tat an seiner Stelle zu gestehen. Doch die Ermittler schenken der erfundenen Geschichte keinen Glauben und verhaften stattdessen den Peruaner. Der gesteht schliesslich die Tat.

Am Gericht des siebten Bezirks von Montevideo wird Bentancur Rubianes durch Richter Pedro Hackenbruch des Totschlags und der unterlassenen Hilfeleistung für schuldig befunden und zu einer mehrjährigen Haftstrafe verurteilt. Der heutige Lugano-Boss tritt die Massnahme im Compen-Gefängnis von Montevideo an, doch bereits nach elf Monaten wird er vorzeitig entlassen.

Am 17. Oktober 2004 wird der Peruaner nahe der Unfallstelle erneut wegen einer Geschwindigkeitsübertretung von 39 Stundenkilometern aus dem Verkehr gezogen. Am Steuer seines Jaguars ist er diesmal so stark alkoholisiert, dass das Messgerät einen Wert von 6,3 Promille anzeigt. Bentancur Rubianes' Anwälte vermuten einen Defekt. Zu allem Überfluss sind diesmal auch mehrere Minderjährige im Wagen. Das Strafmass hält sich erneut in Grenzen: Dem Wiederholungstäter wird nun der Führerschein entzogen. Eine Massnahme, auf welche der Richter nach dem tödlichen Unfall erstaunlicherweise noch verzichtet hatte.

Auch Argentinien hat den Lugano-Boss im Visier

Auch ausserhalb des Fussballgeschäfts wird dem peruanischen Spielervermittler Menschenhandel vorgeworfen. Mehrfach wird er während der Ermittlungen zu einem Prostitutionsskandal in Argentinien und Uruguay durch die Polizei vernommen. Der Vorwurf: Beteiligung an einer kriminellen Organisation, welche junge südamerikanische Frauen mit der Aussicht auf Modelverträge nach Italien gelockt und dort ins Milieu gezwungen hat. Zu einer Anklage kommt es nie.

Doch die argentinische Staatsanwaltschaft hat den Lugano-Boss auch wegen weiterer Delikte im Visier. Die «Handelszeitung» berichtet 2014, dass die mittlerweile vollständig von Bentancur Rubianes kontrollierte Schweizer Firma Vansomatic Suisse AG in einen Bestechungsskandal verwickelt sei, der bis in die höchsten Kreise der argentinischen Politik reichen soll. Im Zentrum steht Präsidentin Cristina Fernández de Kirchner, die Vorwürfe sind mit Geldwäsche via Offshore-Firmen, illegalem Waffenhandel und Scheinkäufen von Immobilien mannigfaltig.

Eiszeit zwischen den Bossen?

Auch beim FC Lugano hat Bentancur Rubianes sein Netz gesponnen. Mit Leonardo Melazzi, Matias Malvino, Renato César, Sergio Cortelezzi und Jonathan Barboza bringt er im vergangenen Sommer gleich fünf Spieler mit uruguayischem Pass ins Tessin – wohl in der Absicht, dereinst an ihrem Weiterverkauf zu partizipieren. Dieser Interessenkonflikt führt immer dann zu Spannungen mit Trainer Livio Bordoli, wenn Bentancur Rubianes' Anlageobjekte nicht regelmässig zum Einsatz kommen. Obwohl der Coach mit Lugano einen wahnwitzig hohen Schnitt von 2,02 Punkten pro Challenge-League-Partie erreicht hat, soll der peruanische Mitbesitzer immer wieder an dessen Stuhl gesägt haben.

Abwehrchef Matias Malvino hat bei Lugano als einziger der Schützlinge von Bentancur Rubianes einen Stammplatz.
Abwehrchef Matias Malvino hat bei Lugano als einziger der Schützlinge von Bentancur Rubianes einen Stammplatz.Bild: freshfocus

Nun hat Lugano den Vertrag mit seinem Aufstiegstrainer via Option um eine Saison verlängert. Angesichts der Differenzen erstaunt es, dass Präsident Angelo Renzetti diese Entscheidung in Tessiner Medien auf Bentancur Rubianes' Initiative zurückführt. Ohnehin ist unklar, ob Bordoli den Job auch wirklich weiterhin macht. «Es ist derselbe Vertrag wie in der Challenge League, deshalb werden wir noch diskutieren müssen», zitiert ihn der «Tagesanzeiger».

Die Entscheidung des Trainers könnte auch davon abhängen, ob Bentancur Rubianes noch eine Zukunft beim Super-League-Aufsteiger hat. Obwohl Präsident Renzetti dem Peruaner trotz seiner dunklen Vergangenheit öffentlich immer den Rücken gestärkt hat, scheinen die Zeichen auf Sturm zu stehen. Beobachter wollen während der Aufstiegsfeier eine veritable Eiszeit zwischen den beiden Klubeigentümern bemerkt haben. 

Vielleicht bieten sich den Tessinern durch den Sprung ins Oberhaus nun neue Investoren-Optionen, welche mit weniger Altlasten zu kämpfen haben. Andernfalls dürfte Bentancur Rubianes auch in der Super League bald von sich reden machen. Vorerst ist er auf Anfrage beim FC Lugano für eine Stellungnahme nicht erreichbar.

Fussball
AbonnierenAbonnieren

Der FC Aarau nach dem Abstieg

1 / 11
Der FC Aarau nach dem Abstieg
Durchs Band weg bedrückte Gesichter auf Seiten der Aarauer nach der 1:5-Niederlage gegen St.Gallen und dem damit verbundenen definitiven Abstieg in die Challenge League.
quelle: keystone / walter bieri
Auf Facebook teilenAuf X teilen
No Components found for watson.appWerbebox.
DANKE FÜR DIE ♥
Würdest du gerne watson und unseren Journalismus unterstützen? Mehr erfahren
(Du wirst umgeleitet, um die Zahlung abzuschliessen.)
5 CHF
15 CHF
25 CHF
Anderer
twint icon
Oder unterstütze uns per Banküberweisung.
Das könnte dich auch noch interessieren:
3 Kommentare
Weil wir die Kommentar-Debatten weiterhin persönlich moderieren möchten, sehen wir uns gezwungen, die Kommentarfunktion 24 Stunden nach Publikation einer Story zu schliessen. Vielen Dank für dein Verständnis!
Die beliebtesten Kommentare
avatar
Donaldo Perez
27.05.2015 22:30registriert Juni 2014
Eine Frage der Zeit bis auch dieses Pulverfass hochgeht und der FC Lugano erneut vor dem Nichts steht.
201
Melden
Zum Kommentar
3
Dringend gesucht: Ein Stürmer für Murat Yakin
Nach zwei Testspielen und null Gegentoren ist beim Nationalteam das Vertrauen in die Defensive zurück. In der Offensive sucht Trainer Murat Yakin nach Alternativen.

Es sind Worte, die erstaunen. Als Murat Yakin auf die Situation im Angriff angesprochen wird, fallen plötzlich Namen wie Haris Seferovic und Joël Monteiro. «Für Seferovic ist die Tür nicht zu», sagt der Nationaltrainer. Und zu Monteiro, dessen Einbürgerung noch nicht abgeschlossen ist, meint er: «Wir hätten ihn gerne schon jetzt dabei gehabt.»

Zur Story