Die Bergfeste Schwägalp und Weissenstein, das Nordostschweizer Teilverbandsfest sowie das «Thurgauer», «Glarner» und «Bündner» hat Armon Orlik in diesem Jahr gewonnen. Der 21-jährige Teilverbandskranzer führt damit die Jahreswertung an und gehört zu den Topfavoriten fürs «Eidgenössische» vom kommenden Wochenende in Estavayer. Der Maienfelder reist am Freitag mit seinen Kollegen des Bündner Schwingerverbandes in die Westschweiz.
Armon Orlik, sechs Kranzfestsiege in einer Saison hat landesweit
kein zweiter Schwinger geschafft. Gibt es eine Erklärung für diesen
Lauf?
Armon Orlik: Erwartet habe ich das auch nicht.
Vielleicht gehofft. Ich habe viel dafür aufgegeben. Weil ich das
«Eidgenössische» vor Augen hatte, bin ich immer voll motiviert gewesen
und habe Gas gegeben. Bereits im Winter habe ich gemerkt, dass sich das
Training auszahlt und es aufwärts geht. Glücklicherweise blieb ich ohne
Verletzungen.
An der Motivation fehlte es also nie?
Nein, es macht Spass,
mit den Kameraden zusammen. Alleine macht das Training weniger Spass. Im
Vergleich zu früheren Jahren habe ich deshalb mehr im
Schwingkeller gearbeitet. Das ist sicher einer der Gründe für die
Leistungssteigerung.
Monotones Kraft- und Konditionstraining gehörten aber auch dazu.
Sicher,
ja. Allein ist das manchmal schon schwierig. Wichtig ist, dass man
jemanden im Hintergrund hat, der die Trainings plant und einen
motiviert.
Ihre Trainingsplanung macht seit diesem Jahr eine Zürcher Firma.
Ich
bin über Kollegen zur Firma Training & Diagnostics gekommen. Der
grosse Vorteil ist, dass ich weiterhin zu Hause trainieren kann. Sie
geben mir sozusagen Hausaufgaben. Für mich ist das motivierend. Man
absolviert so auch Einheiten, die man sonst vielleicht weggelassen
hätte.
Man muss Sie fürs Training also manchmal auch motivieren?
Das
ist so. Ich habe fast nie ein Problem, auch einmal ein Training
auszulassen. Ich betrachte diese Einheit dann als Erholung. Die ist
wichtig (schmunzelt).
Insider sagen, dass Sie mehr Trainingseinheiten als viele Ihrer Konkurrenten absolvieren.
Fünf,
sechs Einheiten sind der Normalfall. Klar, manchmal waren es auch
mehr. Solange man gerne in den Schwingkeller geht, fehlt es an der
Motivation nicht.
Im Hinblick auf Estavayer haben Sie fast Ihr gesamtes Leben dem Schwingen untergeordnet. Ein Wagnis, das sich ausgezahlt hat.
Wahrscheinlich
geht es nicht anders. Es kommt halt darauf an, was man erreichen will.
Wenn man zufrieden ist, an einem Fest pro Jahr vorne dabei zu sein, dann
braucht es diesen Aufwand nicht. Wenn man immer vorne mitmachen und
gegen jeden Gegner gewinnen will, dann muss man mehr investieren.
Schwingerkönig Matthias Sempach geht einen ähnlichen Weg wie Sie.
Vor drei Jahren triumphierte er damit in Burgdorf. Ist er für Sie ein
Vorbild?
Vorbild nicht, nein. Er ist aber einer der Schwinger, die den Sport professionell ausüben. Das beeindruckt mich.
Bei der Hauptprobe auf der Schwägalp haben Sie gegen den Nidwalder
Marcel Mathis Ihren dritten Gang verloren. Wissen Sie, wie viele
Niederlagen es in diesem Jahr insgesamt waren?
Vier. Da muss ich
nicht lange überlegen. Im ersten Moment ärgert mich jede Niederlage. Auf
der Schwägalp verletzte sich aber unmittelbar vor mir Joel Wicki schwer.
Im Nachhinein hat mich das wohl abgelenkt. Als mir ein Schwingerkollege
danach sagte, dass meine Niederlage im Vergleich zu Wickis Verletzung
nichts sei, hat das in mir etwas ausgelöst. Ich war danach noch stärker.
Sie betreiben seit Jahren Mentaltraining. Hilft das in solchen Momenten?
Es
ist schwierig, den Wert des Mentalen zu messen. Ich habe gelernt, mich
aus dem Mittelpunkt zu nehmen. Für mich ist das wichtig. Mir gibt es
Stabilität. Man muss Nein sagen können, wenn es nicht passt. Das musste
ich lernen.
Lernen mussten Sie auch, medial im Mittelpunkt zu stehen. Ihrem Naturell entspricht das nicht.
Ich
suche das nicht, das stimmt. Das ist eine Herausforderung. Mein Vorteil
ist, dass ich noch jung bin. Ich kann das aber meistern. Auch in diesen
Momenten auf mich zu hören, das ist das Wichtigste (überlegt). Im Moment
wird schon viel über das Schwingen gesprochen. Irgendwann ist es dann
auch gut. Es ist mir recht, dass alles bald vorbei ist und wieder andere
Sachen im Mittelpunkt stehen.
Nach Ihren Festsiegen sind Sie nun aber zuerst in Estavayer einer der Mitfavoriten.
Dass
mir der Sieg zugetraut wird, liegt auch daran, dass mehrere der letzten
Könige auch jung waren. Kilian Wenger war in Frauenfeld 19 Jahre alt.
Jörg Abderhalden war bei seinem ersten Sieg ebenfalls jung. Deshalb hat
man wohl das Gefühl, dass das bei mir auch möglich ist.
Haben Sie dieses Gefühl nicht?
Ich weiss nicht. In vielen
Bereichen kann und muss ich mich noch verbessern. Ich habe in den
nächsten Jahren weitere Möglichkeiten, ein solches Fest zu gewinnen.
Priorität hat für mich in Estavayer klar der Gewinn des Kranzes. Ich bin
überzeugt, dass ich das schaffen werde (überlegt). Zurück zum König.
Ich habe null Druck. Am Sonntagabend werden wir sehen, was
herausgekommen ist. Das Leben geht danach für mich so oder so weiter.
Reüssieren Sie, wird das Ihr Leben total verändern.
Nein,
wird es nicht. Im September nehme ich mein Studium auf, egal, was in
Estavayer passiert. Nach dem ersten Trubel wird sich alles legen. Ich
werde der bleiben, der ich bin. Dafür wird auch mein Umfeld sorgen.
Als Gegner im ersten Gang könnte Ihnen Schwingerkönig Matthias Sempach zugeteilt werden. Löst das mehr Freude oder Frust aus?
Frust
nicht, nein. Freude? Ja, vielleicht. Ich nehme es, wie es kommt. Mit
Sempach anzuschwingen, wäre sicher nicht schlecht. Wenn nicht er,
könnten es Bernhard Kämpf oder Matthias Glarner sein. Ich gehe schon
davon aus, dass mir ein grosser Brocken serviert wird. (Ihm wurde Kilian Wenger zugeteilt, Red.)