Wenn es eine Show gibt, die das Klischee der naiven, oberflächlichen US-Tussi bestätigt, kann es nur «I Wanna Marry Harry» sein. Das Machwerk läuft zur Zeit in den USA auf Fox TV und in Grossbritannien auf ITV2: Zwölf Amerikanerinnen werden nach England verschifft, wo sie in einem herrschaftlichen Landsitz um die Hand eines wohlhabenden und berühmten Junggesellen anhalten, so die Prämisse. «Der Bachelor» auf Polo-Ponys quasi.
Der Clou: Der Bachelor ist Prinz Harry.
Erzählen zumindest die Produzenten den weiblichen Teilnehmern. Die sind natürlich ganz aufgelöst, als sie den angeblich adligen Engländer treffen.
Eine gewisse Ähnlichkeit mit Prinz Harry ist dem Rotschopf nicht abzusprechen.
Doch es handelt sich natürlich nicht um einen echten Windsor. Der Kerl heisst Matt Hicks und ist eigentlich Berater für Umweltfragen.
Aber kann es wirklich sein, dass die zwölf amerikanischen Bachelorettes – so heisst die Gattung, aus der sich als Kandidatinnen für typenähnliche TV-Shows speisen – tatsächlich auf dieses Possenspiel hereinfallen?
«The Telegraph» nannte die Show «Futter für Hirntote». Man muss sich den Vorgang nochmals vor Augen halten: Zwölf kleinstädtische US-Girls bewerben sich darum, bei einer fiktiven Realityshow namens «Dream Date» mitzumachen. Es gehe dabei vor allem um «die Erlebnisse der Girls» und weniger darum, «Liebe zu finden», wird ihnen bedeutet. «Don’t compare it to The Bachelor», so das Mantra.
Es kann losgehen: Die Kandidatinnen werden über den grossen Teich ins ländliche Berkshire spediert, wo sie sich vor einer malerischen Kulisse wiederfinden, die sämtliche amerikanischen Klischees über die britische Upper Class erfüllt – von «Downton Abbey» bis «Four Weddings and a Funeral».
Auftritt Matt – Pardon! – Prinz Harry: Er kommt «standesgemäss» im Helikopter. Was auffällt: Niemand nennt ihn bei seinem falschen Namen. Die allgegenwärtige Security und die Bediensteten sprechen ihn nur mit Sir an. Hinweise und Andeutungen gibt es aber zuhauf: «Ich wurde vor Kurzem Onkel» oder «Damals, in Sandhurst», heisst es. Man überlässt es den Girls, sich den Rest dazuzudichten. Das hört sich dann so an: «Wer hat sonst noch Secret Service? Der Präsident, die Queen ... Michael Jackson. Und ich glaube nicht, dass er einer von denen ist.»
Ist er auch nicht – die Verblendung ist beinahe perfekt. Zu erfolgreich sind englische TV-Serien zur Zeit in den USA, zu allumfänglich der Erfolg der britischen Monarchie mit ihrer Charme-Offensive, die von William und Kate und deren putzigen Sohnemann George getragen wird. Da ist es scheinbar leicht, ein paar Huschelis aus Texas oder Alabama zu täuschen.
Zwei dieser amerikanischen Grazien überkommen gar leise Zweifel an der Echtheit der Abstammung des berittenen Rotschopfes. Ihrem Ehrgeiz tut dies aber keinen Abbruch: Mister Hicks fühlt sich bald angesichts überbordender sexueller Aggression akut bedroht.
Der Pseudo-Prinz erweist sich übrigens als zu wenig spannend, um die Show zu tragen. Also müssen die Goldgräberinnen für die Unterhaltung des TV-Publikums sorgen. Die junge Chelsea etwa, die ihren Traummann als «reich ... also reich-reich» beschreibt. Oder Rose, die Kindergärtnerin, die dem überraschten Harry/Matt etwas vorschnell an die Wäsche will.
Am Ende ist «I Wanna Marry Harry» ein weiterer Sonderposten auf der Resterampe des Reality-Dating-Formats. «Don’t compare it to The Bachelor» ist eine ziemlich peinliche verzweifelte Verweigerung.
Die Naivität der Kandidatinnen hingegen vermag immer wieder zu erstaunen. Das Landhaus, der Butler, die Security, der englische Akzent, Afternoon Tea auf dem Rasen – so einfach lassen sich die US-Girls durch Äusserlichkeiten und Kulisse täuschen. Und selbst wenn ihnen Zweifel aufkommen, die Hoffnung stirbt zuletzt: Den Märchenprinz ihrer Kindheit lassen sie sich nicht nehmen.