Eintrag vom 8. Dezember 2016:
Liebes Tagebuch,
ich sage nicht, dass ich unglücklich bin – aber glücklich bin ich auch nicht. Weisst du, ich habe lange darüber nachgedacht. Warum ich mich so todunglücklich absonderlich fühle. Und nach unzähligen schlaflosen Nächten bin ich der Wurzel meiner missglückten Existenz Probleme auf die Spur gekommen:
Weisst du, es ist kein Wunder, dass ich beziehungsunfähig bin. Ich hatte halt keine einfache Kindheit. Ich weiss, das behauptet jeder – aber bei mir stimmt es wirklich!
Meine Mutter hat uns früh verlassen – daher wohl die Bindungsängste – und als sie noch da war, hat sie mich nie gelobt. Im Gegenteil: Manchmal musste ich die letzten Schritte zur Kartonkiste sogar selbst laufen.
Und es gab Momente, da wurde sie richtig aggressiv und knurrte unseren Menschen an:
Das war es, was sie immer sagte. Schrecklich, oder? Dieses Kindheitstrauma prägt mich wohl noch heute. Meine Bindungsängste, das fehlende Selbstvertrauen und die Tatsache, dass ich manchmal unausstehlich und gemein bin – ich kann nichts dafür! Meine Mutter ist schuld!
Aber weisst du, was das Schlimmste ist? Die Dinge wurden nur noch schrecklicher. Vor einigen Jahren wurde ich im Garten meines jetzigen Menschen von einigen Nachbarkatzen gemobbt. Sie sagten:
Auch in der Liebe hatte ich nicht besonders viel Glück. Immer wieder wurde ich verstossen und gedemütigt.
Wenn ich daran denke, kommen mir immer noch die Tränen. Immer habe ich nur Pech! Und weisst du auch warum? Wegen meiner Mutter natürlich!
Hätte sie mich damals die letzten Schritte bis zur Kartonkiste getragen, hätte ich heute mehr Selbstbewusstsein. «B-Post» hätte mich nie verlassen und «Gartenzwerg» hätte mir die Welt zu Füssen gelegt.
Viele verstehen das nicht. Sie sagen:
Aber sie haben alle keine Ahnung. Schliesslich bin ich hier das traumatisierte Opfer – aber davon verstehen die natürlich nichts. Verwöhnte Bälger!
Ja, liebes Tagebuch, ich weiss, dass ich gerade etwas gemein bin. Aber ich kann nichts dafür. Bedank dich bei meiner Mutter!
Mit traumatisierten Grüssen,
Olga von Schnurrhausen