Es sei vorweggenommen: Ein Besuch im neu eröffneten 9/11 Memorial Museum in New York lohnt sich. Die zentrale Gedenkstätte für die Terroranschläge vom 11. September 2001 ist gelungen, aller Kritik und Kontroversen zum Trotz.
Ein Ticket zu bekommen war selbst kurz nach Eröffnung vergangene Woche einfach: Noch aus der Schweiz übers Internet ein Zeitfenster gebucht, per Kreditkarte bezahlt, Tickets ausgedruckt und an der Schlange vorbei direkt zum Haupteingang. Es ist Freitag vor dem Memorial-Day-Wochenende, unter den Besuchern befinden sich viele Angehörige der Streitkräfte.
Wer es nicht weiss oder vergisst, wird im Verlauf des Rundgangs daran erinnert: Das Museum liegt in den ehemaligen Untergeschossen des World Trade Centers. Davon zeugen Reste der Stützmauer und Armierungseisen, die noch immer tief in die Erde reichen.
Trotz der zahlreichen Besucher herrscht eine würdevolle Atmosphäre. Gesprochen wird mehrheitlich im Flüsterton, denn hier starben fast 3000 Menschen, viele liegen hier begraben. Manch ein Angehöriger hatte sich im Vorfeld darüber empört, dass das Museum gleichzeitig als Massengrab dient. Nun ist es so.
Hinter einem Wall, so blau wie der Himmel an jenem grauenhaften Tag, befinden sich nicht identifizierbare sterbliche Überreste aus den Trümmern der Twin Towers. Mit Schaudern wird einem klar, dass sich darunter auch Mohammed Atta, Marwan al-Shehhi und die anderen Flugzeugentführer befinden. In grossen Lettern steht ein Zitat des römischen Dichters Vergil: «Soll kein kommender Tag dem Gedächtnis der Zeit euch entreissen.» Die einen in liebevoller Erinnerung, die anderen in ewiger Schande.
Das 9/11-Museum besteht im Wesentlichen aus zwei Teilen. Der erste ist den Anschlägen gewidmet und enthält Gegenstände, die aus den Trümmern geborgen wurden, darunter Flugzeugteile, Fassadenbruchstücke, aber auch die «Treppe der Überlebenden», über die viele fliehen und ihr Leben retten konnten.
Auch wer die Szenen immer und immer wieder auf YouTube gesehen hat: Grossflächige Projektionen der Einschläge, des Brandes und des Einsturzes entfalten eine beklemmende Wirkung und vermitteln buchstäblich einen Eindruck von den Dimensionen der Tragödie.
Der zweite Teil gilt den Opfern – Flugzeuginsassen, Angestellte und Besucher in den Twin Towers und im Pentagon, Rettungskräfte. In einer Galerie mit den Portraits von fast allen 2999 Toten (ohne die Attentäter) bekommt die kalte Zahl ein Gesicht. Über einen Touchscreen lassen sich die Einzelschicksale abrufen.
Es ist der berührendste Teil des Museums. Man blickt in die Augen der Kinder, die an jenem Tag starben. Man wird an jene erinnert, die zunächst entkamen, aber später an Lungenkrebs starben, weil sie grossen Mengen Staub ausgesetzt waren. Man liest die herzzerreissende Aussage einer Witwe: «Ich wollte nicht, dass der Tag zu Ende ging, obwohl er grauenvoll war. Denn es war der letzte Tag, den ich mit Sean teilte.»
Zurück im Obergeschoss steht der Souvenirladen, wo Besucher T-Shirts, Schmuck und Plüsch-Rettungshunde kaufen können. Viele Hinterbliebene empfinden das als geschmacklos. Die Verantwortlichen haben reagiert und gewisse Artikel aus dem Angebot entfernt. Für weitere Verbesserungen in Zusammenarbeit mit den Hinterbliebenen sei man offen, erklärte Museumschef Joe Daniels.