Sein Name ist Robert O'Neill, er ist 38 Jahre alt, war Mitglied der US-Eliteeinheit Navy Seals. Und er will der Mann sein, der Anfang Mai 2011 Qaida-Chef Osama bin Laden tötete. Der Washington Post sagte O'Neill jetzt, er habe bei der Operation in Pakistan bin Laden durch einen Schuss in die Stirn getötet. Er habe die letzten Atemzüge des Terroristenführers miterlebt.
US-Spezialkräfte töteten bin Laden im Mai 2011 in seinem Versteck in Abbottabad. Der Qaida-Chef hielt sich einem Untersuchungsbericht der pakistanischen Regierung zufolge nach seiner Flucht aus Afghanistan Ende 2001 fünf Jahre lang unerkannt in mehreren pakistanischen Städten auf, bevor er sich in dem Anwesen in Abbottabad niederliess.
Was weiss man über O'Neill? Warum geht er jetzt an die Öffentlichkeit? Ein Überblick über die Fakten.
Robert O'Neill stammt aus dem US-Bundesstaat Montana. Berichten zufolge hat er fast 15 Jahre bei den Seals gedient. Er soll bereits Ende 2012 freiwillig aus dem Militärdienst geschieden sein. Im Februar 2013 hatte das US-Magazin «Esquire» berichtet, bin Ladens Todesschütze stehe nach eigenen Angaben vor dem finanziellen Ruin. Da er das vorgeschriebene Pensionsalter nicht erreicht habe, bekomme er keine Abfindung. Den Namen nannte das Magazin damals nicht.
Den Reportern der «Washington Post» sagte O'Neill, er sei damals im Mai 2011 in Abbottabad an zweiter Stelle der Seals-Speerspitze gewesen, die in bin Ladens Versteck eindrang. Als der Qaida-Chef an der Tür seines Schlafzimmers auftauchte, habe der Frontmann des Kommandos ihn mit seinem Schuss zunächst verfehlt. Hinter seinem Mitkämpfer sei er dann in den Raum gestürmt. «Da stand er dann, der bin Laden. Er hatte seine Hände auf den Schultern einer Frau, die er vor sich schob.» Durch seine Nachtsichtgläser habe er bin Laden trotz des dunklen Raums eindeutig identifizieren können und abgedrückt, sagte O'Neill. Die Kugel habe bin Laden in den Kopf getroffen. O'Neills Aussagen zufolge gaben ausser ihm mindestens zwei weitere Seals-Soldaten Schüsse ab.
Laut «Washington Post» war die Identität des mutmasslichen Todesschützen in den vergangenen Monaten bereits durchgesickert. Zunächst wussten einige Militärs und Kongressabgeordnete Bescheid, danach erfuhren auch einige Journalisten von O'Neill. Er habe lange mit sich gerungen, ob er sich zu erkennen geben soll, berichtete die «Washington Post» nun. Letztlich habe er sich dafür entschieden, da seine Identität in einigen Kreisen ohnehin bekannt gewesen sei und deshalb aufzufliegen drohte. O'Neill selbst hat sich zudem nach eigenen Angaben bereits im vergangenen Sommer spontan bei einer Rede vor Familienangehörigen der Opfer der Anschläge vom 11. September 2001 offenbart. Er sagte, er habe das Gefühl gehabt, dass dies den Menschen, die ihre Angehörigen verloren hatten, ein Trost gewesen sei.
Fox News hatte Ende Oktober bereits angekündigt, die Identität des Todesschützen von bin Laden zu enthüllen. In der zweiteiligen Produktion mit dem Titel «The Man Who Killed Osama bin Laden» rekonstruiert der Sender nach eigenen Angaben minutiös, wie der Terrorchef von dem Seals-Kommando erschossen wird. Die von ehemaligen Seals-Kameraden betriebene Internetseite Sofrep hatte O'Neills Identität daraufhin vorzeitig enthüllt – aus Protest gegen dessen geplanten Gang an die Öffentlichkeit.
Die Militärführung ist verärgert über Rob O'Neill. Als bekannt wurde, dass der Ex-Soldat an die Öffentlichkeit geht, warnten ihn hohe Militärs vor Geheimnisverrat. Die Bewahrung der Anonymität sei «eine lebenslange Verpflichtung», betonte Konteradmiral Brian Losey in einem Schreiben. Das Militär dulde keine Missachtung dieser Grundwerte «aufgrund des Strebens nach Bekanntheit oder aus finanziellen Interessen».
Die New York Times zitiert einen Kämpfer mit Kenntnissen über den Einsatz, der ebenfalls davon ausgeht, dass O'Neill die tödlichen Schüsse abgab. Zu den Veröffentlichungen seines ehemaligen Kameraden äussert er sich zurückhaltend: «Wir wussten, dass Rob O'Neill sich früher oder später zu erkennen geben würde.» Kritisch über O'Neills Bericht äussert sich Matt Bissonnette, der damals ebenfalls an dem Einsatz beteiligt war. Bissonnette hatte unter einem Pseudonym vor zwei Jahren ein Buch über den Bin-Laden-Einsatz veröffentlicht. Demnächst erscheint ein weiteres Buch von ihm. «Zwei verschiedene Menschen erzählen zwei verschiedene Geschichten aus zwei verschiedenen Gründen», sagte Bissonnette dem Sender NBC News.
Rob O'Neills Vater Tom zeigte sich in einem Interview mit der «Mail Online» sehr selbstsicher. Angst vor Rache aus dem Terroristen-Milieu scheint er nicht zu haben. «Die Leute fragen, ob wir Angst haben, dass ISIS kommt und uns etwas antut, weil Rob nun enttarnt ist. Ich sage, ich werde eine grosse Zielscheibe an meine Eingangstür malen und sagen: Kommt und holt uns.» (ler/dpa/AFP)