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Ukrainische Armee auf dem Vormarsch – 20'000 Rebellen wollen Donezk zur Festung ausbauen

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Ein zerstörtes Militärfahrzeug in der Nähe der ostukrainischen Stadt Slaviansk.
Ein zerstörtes Militärfahrzeug in der Nähe der ostukrainischen Stadt Slaviansk.Bild: GLEB GARANICH/REUTERS

Ukrainische Armee auf dem Vormarsch – 20'000 Rebellen wollen Donezk zur Festung ausbauen

Bei ihrer «Anti-Terror-Operation» zieht die ukrainische Armee den Ring um die Grossstädte Donezk und Lugansk enger. Die Separatisten drohten im Gegenzug damit, Gespräche über eine mögliche Waffenruhe zu boykottieren. 
07.07.2014, 18:4008.07.2014, 09:19
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Die Führung in Kiew hatte angekündigt, mit einer Belagerung von Donezk und Lugansk im Osten des Landes den Widerstand der Aufständischen brechen zu wollen. Die ukrainische Armee habe vor der Millionenmetropole Donezk die Zufahrten weitgehend abgeriegelt, sagte Anton Geraschtschenko vom Innenministerium. 

An Strassensperren würden Zivilisten und Fahrzeuge streng kontrolliert. «Donezk wird schon bald befreit sein», meinte Geraschtschenko. Auch um Lugansk werde der Ring enger gezogen. «Unsere Truppen stehen am Stadtrand. Die Terroristen haben keine Perspektiven mehr.» 

Die ukrainische Armee hat die Rebellen-Hochburg Lugansk schon am 2. Juli aus der Luft angegriffen.
Die ukrainische Armee hat die Rebellen-Hochburg Lugansk schon am 2. Juli aus der Luft angegriffen.Bild: ITAR-TASS

Gefechte und Verhöre 

Geraschtschenko bestätigte, dass es in den befreiten Orten Verhöre gebe. «Wir prüfen, wer den Terroristen geholfen hat. Niemand, der Blut an den Händen hat, bleibt unbestraft», meinte er. 

Bei Gefechten in einer Vorstadt von Lugansk seien mindestens ein Aufständischer getötet und sieben weitere verletzt worden, teilten die Behörden mit. Mehrere Detonationen erschütterten die Gebiete. Mindestens drei Eisenbahnbrücken seien von Unbekannten gesprengt worden, hiess es. 

Der ukrainische Präsident Petro Poroschenko hatte vor einer Woche eine ohnehin brüchige Feuerpause nach zehn Tagen aufgekündigt. Seitdem ist die Armee im Osten auf dem Vormarsch. 

Waffenruhe als wichtigstes Ziel 

Russland kritisierte das Vorrücken der ukrainischen Armee scharf. «Es scheint sinnlos, einen Stopp der Attacken zu verlangen – die Ukraine ist offenbar taub gegenüber Appellen, Menschenleben zu retten», teilte das Aussenministerium in Moskau mit. Die EU müsse die «verbrecherische Politik» der Führung in Kiew verurteilen. 

Aussenminister Sergej Lawrow sagte, solange die ukrainische Regierung eine Kapitulation der Separatisten fordere, sei Frieden unmöglich. 

Sein deutscher Amtskollege, Frank-Walter Steinmeier, forderte die ukrainische Führung erneut mit Nachdruck zu Gesprächen mit den prorussischen Separatisten auf. Die Regierung in Kiew müsse trotz jüngster militärischer Erfolge den Dialog suchen, sagte er am Montag bei einem Besuch in der Mongolei. Als wichtigstes Ziel nannte Steinmeier eine allseits respektierte Waffenruhe. 

Separatisten warnen vor Blockade 

Die Aufständischen ihrerseits warnten, bei einer vollständigen Belagerung von Donezk und Lugansk keine Gespräche zur Beilegung der Krise mehr führen zu wollen. «Eine Blockade würde die Friedensbemühungen begraben», sagte der Separatistenführer Andrej Purgin in Donezk. 

Eine prorussische Demonstration am Sonntag in Donezk. 
Eine prorussische Demonstration am Sonntag in Donezk. Bild: MAXIM ZMEYEV/REUTERS

Noch seien die militanten Gruppen zu einem Treffen unter der Vermittlung der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit (OSZE) bereit. Die Zeit für Verhandlungen etwa über eine Waffenruhe laufe aber ab. 

«Die Regierung erhofft sich mit Siegen auf dem Schlachtfeld eine stärkere Position am Verhandlungstisch.»

Der ukrainische Politologe Konstantin Bondarenko zeigte sich skeptisch über ein baldiges Ende der Kämpfe. «Die Regierung erhofft sich mit Siegen auf dem Schlachtfeld eine stärkere Position am Verhandlungstisch. Das ist eine fragwürdige Taktik – zumal unklar ist, welche Strategie Kremlchef Wladimir Putin verfolgt», sagte er. 

Der einflussreiche Oligarch Rinat Achmetow rief die Konfliktparteien zu Gesprächen ohne Vorbedingungen auf. «Es gibt keinen anderen Weg zu Frieden als Verhandlungen», sagte der gebürtige Donezker und reichste Ukrainer. Ein Sturm der Armee auf Donezk, der fünftgrössten Stadt des Landes, hätte «unsägliches Leid» zur Folge, meinte der Unternehmer. 

20'000 Aufständische in Donezk und Lugansk

In der krisengeschüttelten Ostukraine haben prorussische Separatisten in den selbst erklärten «Volksrepubliken» Donezk und Lugansk in den vergangenen Tagen Gebiete aufgegeben. Dazu gehören die früheren Hochburgen Slawjansk und Kramatorsk.

Als zentrale Stützpunkte verbleiben den schätzungsweise 20'000 Aufständischen die Millionenmetropole Donezk und das 150 Kilometer nordöstlich gelegene Lugansk. Die beiden Grossstädte sollen nach Willen der militanten Gruppen zu «Festungen» ausgebaut werden. Die Regierungstruppen ziehen aber den Belagerungsring enger. In den Vororten wird nach ersten Berichten bereits gekämpft.

Die Separatisten wollen die Millionenstadt Donezk zur «Festung» ausbauen.
Die Separatisten wollen die Millionenstadt Donezk zur «Festung» ausbauen.Bild: STR/EPA/KEYSTONE

Die militanten Gruppen besetzen zudem mehrere Grenzübergänge nach Russland. Der grösste Übergang an der Fernstrasse Charkow-Rostow, Dolschanski, wird nach Kämpfen wieder von Grenztruppen kontrolliert. 

Forderung nach Feuerpause in Ukraine läuft ins Leere 

Europäische Länder drängen die ukrainische Regierung zu einer neuen Feuerpause im Osten des Landes. Doch die Wahrscheinlichkeit ist gering, dass Präsident Petro Poroschenko auf die Rufe eingeht. 

Zum einen dürfte das Militär nach den Erfolgen gegen die prorussischen Separatisten in den vergangenen Tagen keinen Anlass sehen, ausgerechnet jetzt die Offensive zurückzufahren. 

Zum anderen zeigt sich nach Einschätzung von Beobachtern, dass der neue Staatschef nicht in erster Linie auf Stimmen aus dem Westen hört, sondern zunehmend auf diejenigen, die den Umsturz im Land überhaupt erst ermöglicht haben: die Teilnehmer der Revolution auf dem Maidan-Platz in Kiew. Für viele von ihnen kommt ein Einknicken vor den Rebellen im Osten nicht infrage. 

«Härter zur Sache gehen» 

«Ich will, dass wir im Osten härter zur Sache gehen und die Terroristen töten, die in unser Land eingefallen sind. Dies ist ein Krieg und jede verlorene Sekunde kostet einen unserer Patrioten das Leben», sagt der ehemalige Soldat Viktor Kamenew. «Dies ist kein Bürgerkrieg. Dies ist Putins Intervention gegen die Ukraine.» 

Der 66-Jährige sagt das, was viele Ukrainer denken: Russlands Präsident Wladimir Putin wolle sich noch mehr Territorium der ehemaligen Sowjetrepublik krallen, nachdem sich Russland im März bereits die ukrainische Halbinsel Krim einverleibte. 

Gleichwohl ist Präsident Poroschenko weit davon entfernt, sich von Europa abzuwenden. Das zeigte kürzlich seine Unterzeichnung eines Assoziierungsabkommens mit der EU. Auch mit Moskau wird er den diplomatischen Faden nicht abreissen lassen. (sda/reu)

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