Was die 38'644 Zuschauer im Mineirao-Stadion vor dem Final-Hinspiel der Campeonato Mineiro zwischen Atlético Mineiro und Cruzeiro noch nicht wissen: Sie werden Historisches erleben.
Das Spiel beginnt unspektakulär. Tore fallen keine. Grosser Aufreger der ersten Halbzeit ist in der 37. Minute der Platzverweis für Cruzeiros Gladstone nach einer Notbremse:
Die zweite Halbzeit beginnt dann mit einem Paukenschlag. Schon nach wenigen Sekunden trifft Eder Luiz per Kopf zum 1:0 für Atlético. Bei diesem Spielstand bleibt es – bis Danilinho mit dem 2:0 in der 82. Minute die heisse und hochbrisante Schlussphase einläutet. Erst fliegt nach einer weiteren Notbremse auch Cruzeiros Bruno vom Platz (87.):
Neun Cruzeiro-Spieler versuchen jetzt wenigstens nicht noch mehr Treffer zu kassieren, um die Chancen fürs Rückspiel intakt zu halten. Das misslingt deutlich. In der 91. Minute holt Goalie Fabio Angreifer Marcinho im Strafraum von den Beinen. Schiedsrichter Cléver Assunção Gonçalves entscheidet auf Penalty. Diesen verwandelt der Gefoulte gleich selbst: 3:0. Und der Ball bleibt weit hinten im flach gespannten Netz eingeklemmt.
Fabio kann sich derweil noch immer nicht beruhigen und beschwert sich ausserhalb seines Strafraumes lauthals über den Penalty-Entscheid. Nach der Partie wird er seinen Ärger so erklären: «Das war kein Strafstoss. Der Linienrichter hätte es sehen müssen, der hatte bessere Sicht aus einem besseren Winkel. Aber der sagte nichts.»
Sein Ärger multipliziert sich wenige Sekunden später, als er zurück zum Tor trottet, um das Spielgerät wieder Richtung Mittellinie zu kicken. Doch da flitzt ihm schon ein weiterer gelber Ball um die Ohren: Angreifer Vanderlei erzielt nämlich das 4:0!
Was war geschehen? Ein Balljunge kickte ein zweites Spielgerät aufs Feld. Mit diesem wird der Anstoss ausgeführt. Vermutlich ist dem Unparteiischen und auch den Cruzeiro-Spielern nicht klar, dass es sich um einen Ersatzball handelt. Klar ist dagegen: Cruzeiro verliert den Ball nach dem Anspiel, Vanderlei lässt den letzten Verteidiger stehen und schiebt ins leere Tor ein:
Fabio versteht natürlich die Welt nicht mehr. Frustriert fischt der 26-Jährige beide Bälle aus dem Tor, zeigt sie dem Publikum, schmeisst sie vor sich hin und kickt sie weg. Begleitet von sicherlich nicht jugendfreien Worten.
Aber die Nörgelei bringt nichts. Der Treffer zählt. Und Fabio lässt seiner Wut freien Lauf: «Da waren zwei Bälle im Spiel. Ich wollte den einen aus dem Tor nehmen ... Der Schiri hat das Spiel verpfiffen!» Okay, es ist an seinen Gesten unschwer zu erkennen: Er wählt bisschen deutlichere Worte, aber jugendfrei übersetzt stimmt es so.
Cruzeiros Trainer Paulo Autuori schmeisst nach der Demütigung noch in der Kabine den Job hin. Im Rückspiel siegt das Team zwar 2:0, aber der Titel geht an Atlético Mineiro. Fabio spielt übrigens noch immer bei Cruzeiro. 2008, 2009, 2011 und 2014 gewinnt er die Campeonato Mineiro doch noch – jeweils im Endspiel gegen den Erzrivalen Atlético Mineiro. Vielleicht auch dank dieser feurigen Motivationsrede vor dem Endspiel 2011: