Sport
Unvergessen

Das tragische Ende des Fussballers Gaetjens

FILE - In this June 28, 1950 file photo, United States soccer player Joe Gaetjens is carried off by cheering fans after the USA team beat England 1-0 in a World Cup soccer match in Belo Horizonte, Bra ...
Bild: AP
Unvergessen

Das tragische Ende des Fussballers Gaetjens und was «Papa Doc» Duvalier damit zu tun hatte

10. Juli 1964: Joseph Nicolas Gaetjens' Leben endet mit mutmasslichem Totschlag. Seine Geschichte ist diejenige eines Nobodys, der mit seinem Tor für eine der grössten WM-Sensationen sorgt und nachher wieder in der Anonymität verschwindet. 
10.07.2018, 00:0514.06.2018, 15:55
Folge mir
Mehr «Sport»
No Components found for watson.skyscraper.

An diesem 29. Juni 1950 ist er der König der Fussball-Welt. Es gibt alte Fotos, die zeigen, wie Joseph Nicolas Gaetjens, meist nur Joe oder Larry gerufen, auf Händen aus dem Stadion von Belo Horizonte getragen wird. Er hatte mit seinem 1:0-Siegestreffer für die USA gegen England vor 15'000 Fans für eine der grössten Sensationen der WM-Geschichte gesorgt.

Der Legende nach glaubten englische Journalisten, welche die Meldung noch per Telefax erhielten, dass es sich um einen Vertipper handelte und England nicht 0:1 verlor, sondern 10:1 oder 10:0 gewann. Diese Geschichte sei allerdings ein Mythos.

Der Held von Belo Horizonte: Fans und Funktionäre lassen «Joe» Gaetjens hochleben.
Der Held von Belo Horizonte: Fans und Funktionäre lassen «Joe» Gaetjens hochleben.Bild: AP

Es sollte Gaetjens einziger WM-Treffer bleiben. England, das Mutterland des Fussballs, scheiterte durch diese Niederlage bei seiner ersten WM-Teilnahme bereits in der Vorrunde. Auch die Amerikaner kamen nach Niederlagen gegen Spanien (1:3) und Chile (2:5) auch nicht über die Vorrunde hinaus.

Alles nur Zufall?

Manch einer monierte zwar, eigentlich sei Joe zu diesem historischen Treffer gekommen wie die Jungfrau zum Kinde. Er sei von einem Flankenball am Ohr getroffen worden und der Ball sei sozusagen ohne sein Zutun im Netz gelandet. Doch Flankengeber Walter Bahr, der später zugab, dass seine Flanke eigentlich als Schuss gedacht war, beharrte stets darauf, es sei ein typisches Tor gewesen. Gaetjens habe in Liga-Spielen oft mit solchen Kopfballwischern getroffen.

Wer war «Joe» Gaetjens? Zeitdokumente und Nachkommen geben Auskunft.Video: YouTube/haitianhistory

Warum auch nicht? Der gebürtige Haitianer war am 19. März 1924 in Port-au-Prince als Sohn eines belgischen Vaters und einer haitianischen Mutter zur Welt gekommen. Er emigrierte in die USA und dort wurde er in der Saison 1949/50 Torschützenkönig der heimischen Liga. Deshalb wurde er vor der WM rasch eingebürgert. Zum Fussball war er in New York als Student gekommen. Er arbeitete zwischendurch als Tellerwäscher in einem Restaurant, dessen Besitzer auch ein Fussball-Team gehörte.

Posthume Ehre für besondere Verdienste: Die NSCAA (National Soccer Coaches Association of America) verleiht Joe Gaetjens 2011 den «Honorary All-America Award».Video: YouTube/United Soccer Coaches

Doch der amerikanische Traum sollte sich für ihn nicht erfüllen. Er flog nach Europa und machte eine mässige Karriere in Frankreich. 1954 kehrte er nach Haiti zurück und arbeitete erfolgreich als Trainer.

Die Machtübernahme, die Gaetjens zum Verhängnis wird

1957 kam in Haiti Francois «Papa Doc» Duvalier an die Macht. Während seiner 14-jährigen Herrschaft sind schätzungsweise 30 000 Menschen ums Leben gekommen. Joe war politisch nicht aktiv. Aber zwei seiner Brüder, Jean und Freddie, gehörten möglicherweise zum Widerstand gegen den brutalen Diktator. Joseph Nicolas Gaetjens wusste nichts davon und erkannte die Gefahr zu spät. 

«Joe» Gaetjens wurde von den «Tontons Macoutes» verschleppt, einer Geheimpolizei des Diktators Duvalier.
«Joe» Gaetjens wurde von den «Tontons Macoutes» verschleppt, einer Geheimpolizei des Diktators Duvalier.

Am 8. Juli 1964 wurde er von der Geheimpolizei des Diktators Duvalier ins berüchtigte Foltergefängnis Fort Dimanche verschleppt und am 10. Juli im Alter von erst 40 Jahren mit ziemlicher Sicherheit ermordet. Möglicherweise sogar vom Präsidenten persönlich. Seiner Frau Liliane gelang 1966 gemeinsam mit den Kindern die Flucht nach Puerto Rico. Erst 1972, ein Jahr nach dem Tod von Diktator Duvalier, bekam sie die Bestätigung, dass ihr Mann nicht mehr lebte.

Unvergessen
In der Serie «Unvergessen» blicken wir jeweils am Jahrestag auf ein grosses Ereignis der Sportgeschichte zurück: Ob eine hervorragende sportliche Leistung, ein bewegendes Drama oder eine witzige Anekdote – alles ist dabei. 

Die Schlüsselspieler der 32 WM-Teams

1 / 34
Die Schlüsselspieler der 32 WM-Teams
Russland: Alan Dzagoev (27), Mittelfeld.
Kann mit seiner Kreativität und seinem Goldfüsschen Spiele entscheiden. Wenn er denn Lust hat.
quelle: epa/expa / expa/jfk
Auf Facebook teilenAuf X teilen
DANKE FÜR DIE ♥
Würdest du gerne watson und unseren Journalismus unterstützen? Mehr erfahren
(Du wirst umgeleitet, um die Zahlung abzuschliessen.)
5 CHF
15 CHF
25 CHF
Anderer
twint icon
Oder unterstütze uns per Banküberweisung.
Das könnte dich auch noch interessieren:
2 Kommentare
Weil wir die Kommentar-Debatten weiterhin persönlich moderieren möchten, sehen wir uns gezwungen, die Kommentarfunktion 24 Stunden nach Publikation einer Story zu schliessen. Vielen Dank für dein Verständnis!
2
Federer vs. Nadal – das allererste Duell wird für den «Maestro» eines zum Vergessen
28. März 2004: In Key Biscayne stehen sich Roger Federer und Rafael Nadal zum ersten Mal auf der ATP-Tour gegenüber. Der Schweizer verliert überraschend – und wird sich am seinem spanischen Dauerrivalen noch mehrmals die Zähne ausbeissen.

Die Sonne war längst untergegangen über dem Centre Court der Tennis-Anlage von Key Biscayne, dieser langgezogenen Insel vor Miami im Süden Floridas. Ein paar hundert Fans harrten aus, warteten auf den letzten Match dieses Sonntags. Das heisst: Die meisten von ihnen warteten auf den Auftritt von Roger Federer, seit knapp zwei Monaten die Weltnummer 1. Nur ein paar absolute Tennis-Nerds warteten auch auf Rafael Nadal. Erst die Nummer 34 im Ranking war der Spanier aber ein grosses Versprechen. Laufstark soll er sein, mit harter linker Vorhand.

Zur Story