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Liebe Linke: Vergesst das Umverteilen und konzentriert euch auf das smarte Teilen

Erbschaftssteuer ade: Freude herrscht bei den Rich Kids Of Instagram.
Erbschaftssteuer ade: Freude herrscht bei den Rich Kids Of Instagram.

Liebe Linke: Vergesst das Umverteilen und konzentriert euch auf das smarte Teilen

Das Nein zur Erbschaftssteuer war eine Klatsche mit Ansage. Die Linke muss grundsätzlich über die Bücher. 
14.06.2015, 14:2115.06.2015, 17:55
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«Die Formel ‹den Wohlfahrtsstaat im Kapitalismus verteidigen›, neigt sich dem Ende zu», erklärte SP-Nationalrat Cédric Wermuth kürzlich in einem Interview mit watson und fügte hinzu, es reiche schlicht nicht mehr, zu versuchen, die Früchte des Wachstums gerecht verteilen zu wollen. 

Das Nein zur Erbschaftssteuer bestätigt diese These vollumfänglich. Nach dem Nein zum Mindestlohn und zur 1:12-Initiative war dies eine weitere absehbare Ohrfeige für die Linke, selbst wenn die Initiative rein technisch gesehen ein Kind der EVP war. 

Die Linke hat die Vernunft auf ihrer Seite – ein schwacher Trost.

Ungleichheit ist das drängendste sozialpolitische Problem

Speziell frustrierend für die Linke muss die Tatsache sein, dass die Befürworter sowohl ökonomische Vernunft als auch moralisches Gerechtigkeitsempfinden auf ihrer Seite haben. Die wachsende Ungleichheit ist zum drängendsten sozialpolitischen Problem geworden, die Gefahr einer neuen Oligarchie zur Gefahr für die Demokratie. Eine Erbschaftssteuer würde diese Entwicklung zumindest bremsen.

Nicht nur Linke wie der französische Ökonom Thomas Piketty warnen vor dieser Tendenz. Selbst die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) stellte kürzlich in einer Studie fest, dass die zunehmende Ungleichheit eine Gefahr für die Weltwirtschaft darstellt. Warren Buffett, Milliardär und wohl bekanntester Investor der Gegenwart, ist ebenfalls ein überzeugter Befürworter einer Erbschaftssteuer. 

Es geht nicht darum, wie der Kuchen verteilt, sondern wie er gebacken wird.

Das ist ein schwacher Trost, mehr nicht. Die Erbschaftssteuer hatte nie eine Chance, weil rationale Argumente in dieser Frage keine Rolle spielen. Obwohl zwei Prozent der Schweizer Bevölkerung davon betroffen gewesen wären, wurde die Initiative auch vom Mittelstand wuchtig verworfen. 

Erdrückende Faktenlage stimmt Leugner nicht um

Auch die durchschnittliche Schweizerin und der durchschnittliche Schweizer leben in der Illusion, dass sie im Alter von den Zinsen ihrer Pensionskasse und allenfalls der dritten Säule leben und die Substanz ihren Kindern vermachen können. Dass diese Rechnung rein mathematisch niemals aufgehen kann, erschüttert diesen Glauben nicht. Es ist wie in der Diskussion um die Klimaerwärmung: Selbst eine erdrückende Faktenlage wird einen überzeugten Leugner niemals umstimmen können. 

Anstatt weiter aussichtslose Umverteilungs-Glaubenskriege zu führen, muss die Linke wohl grundsätzlich umdenken. Das Thema Sharing Economy drängt sich auf. Dabei geht es nicht darum, wie der Kuchen verteilt, sondern wie er gebacken wird. 

Die Sharing Economy mag derzeit noch ein Schlagwort sein – und ein oft missbrauchtes dazu. Doch im Kern stimmt der Ansatz. Wenn wir den Planeten Erde nicht ruinieren wollen, brauchen wir eine Wirtschaftsordnung, welche die bestehenden Ressourcen sinnvoller nutzt und den Wachstumswahn der bestehenden Ordnung in Schranken weist. 

Nicht Umverteilen, sondern smartes Teilen ist deshalb angesagt. 

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35 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Jol Bear
14.06.2015 15:28registriert Februar 2014
Es kommt immer darauf an, auf welchem Level sich die Mehrheit der Bevölkerung befindet. In wohlhabenden Ländern wie in der Schweiz ist es so, dass die große Mehrheit einen vergleichsweise hohen Lebensstandard hat ( Job, regelmäßig Ferien, 1-2 Autos, gut ausgebaute Sozialleistungen usw.), im weltweiten Vergleich sehr luxuriös. Und wenn unter diesen Umständen mit Aus- und Weiterbildung, Leistung usw. der Wohlstand erhöht werden kann, empfindet das die Mehrheit nicht als ungerecht. Die linken Initiativen werden darum deshalb abgelehnt, weil der Eindruck entsteht, dass jene, die viel leisten, seriös arbeiten, investieren, dann durch Umverteilung bestraft würden. In Ländern mit Machteliten und darbender Bevölkerung sähen die Abstimmungsergebnisse anders aus. Dort hat die Bevölkerung jedoch kaum demokratische Rechte, oder sie werden ihr durch die herrschende Elite aus Furcht nicht zugestanden.
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Alex23
14.06.2015 15:25registriert Februar 2015
Leider bleibt die Sache mit der Sharing Economy im Artikel etwas nebulöse Zukunftsmusik. Eigentlich nicht ganz klar, was der Autor wirklich sagen will.

An der Erbschaftssteuervorlage war im Übrigen alles in Ordnung. Aber solange diejenigen, die davon betroffen gewesen wären (Besitzende mit mindestens 2 Millionen Erbmasse) auch diejenigen sind, die sowohl das Potential zur Meinungsmache haben wie auch an den entsprechenden Hebeln sitzen, werden die dem kleinen Mann logischerweise soviel Sand in die Augen streuen, wie es zur Verteidigung ihrer Pfründe braucht. Wer sägt schon gerne am eigenen Ast? Und der kleine Mann glaubt die Angstmacherei und stimmt so ab, wie es den Besitzenden genehm ist.
Das Schema kennen wir ja nun zu Genüge.
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Stefan von Siegenthal
14.06.2015 15:13registriert Juni 2015
Vielleicht ist es gut, dass die Initiative abgelehnt wurde. Denn angesichts des massiven Stellenabbaus in den nächsten 10 Jahren durch Automatisierung und Roboter, wird es eine viel grössere Umverteilung benötigen. Die meisten Schweizer sind sich noch überhaupt nicht bewusst, was auf uns zukommt und wie viele Jobs selbst auf Management-Ebene automatisiert oder ausgelagert werden. Aber hier ein Beispiel: Die Taxifahrer waren auf Uber nicht vorbereitet und bezahlen jetzt den Preis dafür. Und es kommt noch besser: In weniger als 5 Jahren haben wir selbstfahrende Autos, da braucht es dann gar keine Taxifahrer mehr, selbst Uber kann dann an Kosten sparen, da sie diesen Trend selbst aktiv vorwärts pushen. Und solche Veränderungen werden jede Branche betreffen. Schau mal nach Japan, dort werden bereits heute Roboter in der Altenpflege eingesetzt. Wenn die Schweizer hierfür keine Lösung finden, wird in der Übergangsphase (20-30 Jahre) viel gelitten werden im Volk. Geld ist im Land genügend vorhanden, nur gehört das Meiste ein paar Wenigen.
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