Donald Trumps Anwälte sind derzeit hektisch damit beschäftigt, abzuklären, ob sie einem Treffen mit dem Sonderermittler Robert Mueller zustimmen wollen oder nicht. Sie sind um ihren Job nicht zu beneiden. Ihr Klient ist notorisch sprunghaft, undiszipliniert und pflegt einen lockeren Umgang mit der Wahrheit.
Ganz anders Mueller. Der Sonderermittler ist die Mensch gewordene Korrektheit. Man sieht ihn nur im Anzug, mit makellos weissem Hemd und Krawatte. Er ist ein Arbeiter, der seinen 14-Stunden-Tag mit Disziplin und System absolviert. Und er ist einer der erfolgreichsten Verbrecherjäger in der jüngeren amerikanischen Geschichte.
Wie effektiv Mueller ist, hat er in den letzten Tagen bewiesen. Zuerst hat er Anklage gegen 13 Russen und drei russische Organisationen erhoben. Die Anklageschrift zeigt dabei auf, dass er selbst über kleinste Details Bescheid weiss. Dann hat er Rick Gates dazu gebracht, sich schuldig zu bekennen.
Gates war die rechte Hand von Trumps ehemaligem Wahlkampfmanager Paul Manafort. Schritt für Schritt nähert sich Mueller so dem inneren Kreis von Trump. Früher oder später wird der Präsident sich ihm stellen müssen. «Das amerikanische Volk will, dass er mit der Untersuchung kooperiert», erklärt Alberto Gonzales im «Wall Street Journal». Er war Justizminister unter Präsident George W. Bush.
Das Duell Trump gegen Mueller ist ein Duell von zwei reichen weissen Männern, die trotzdem diametral verschieden sind. Es ist wie in einem Western: Mueller ist der gute Sheriff mit dem weissen Hut, Trump der Schurke mit dem schwarzen.
Robert Mueller ist ein klassischer WASP. Die Abkürzung steht für «white anglosaxon protestants». Damit bezeichnet man den informellen amerikanischen Adel, der seine Herkunft auf Angelsachsen zurückführen kann, streng protestantisch erzogen wurde und bis nach dem Zweiten Weltkrieg de facto die Geschicke der USA bestimmte.
Mueller ist der Sohn einer vermögenden Familie. Sein Vater war Manager beim Chemie-Riesen DuPont. Er wuchs in Princeton (Bundesstaat New Jersey) auf und ging dann in die St.Paul’s School im Bundesstaat New Hampshire, eine Schule, in die auch die Astors, Vanderbilts und die Mellons ihre Kinder schickten. Einer seiner Klassenkameraden war John F. Kerry, der Aussenminister von Barack Obama und Gatte der Erbin des Heinz- Suppenimperiums.
Bei seinen Schulkameraden war Mueller äusserst beliebt. «Man konnte sich bei ihm darauf verlassen, dass er auf alle im Team Rücksicht nahm», erklärt einer von ihnen namens Maxwell King in der «Washington Post». «Er hatte Sinn für Humor und war kein Besserwisser.» 1966 schloss Mueller sein Politik-Studium an der Princeton University ab und meldete sich bei den Marines.
Im November 1968 war er Leutnant auf einem Stützpunkt im Dschungel von Vietnam. Wenig später führte er seine Soldaten in eine Schlacht gegen die Nordvietnamesen. Unter schwerem Beschuss barg er einen schwer verwundeten Soldaten, wurde dafür mit einer Tapferkeitsmedaille ausgezeichnet und befördert. Bei einem weiteren Gefecht wurde ihm ins Bein geschossen, er kämpfte jedoch weiter und konnte den Angriff abwehren. Auch dafür erhielt er eine Auszeichnung.
Die Erfahrungen als Marine in Vietnam veränderten Mueller. Ein Freund von ihm erzählt: «Aus einem liebenswerten, guten Typen und Athleten wurde ein Mann mit einem stählernen Rückgrat.»
Nach Vietnam begann Mueller eine juristische Karriere. Er brachte dabei vor allem Böse hinter Gitter. Zuerst arbeitete er als Staatsanwalt in San Francisco, dann wurde er Chef der Kriminalabteilung des Justizministeriums in Washington. Dabei hatte er unter anderem mit der Verfolgung von Manuel Noriega, dem ehemaligen Diktator von Panama, zu tun. Oder mit der Aufklärung des Absturzes des Fluges Pan Am 103 über Schottland, der von libyschen Terroristen verursacht worden war.
Zwischenzeitlich wechselte Mueller in die Privatwirtschaft und arbeitete für eine angesehene Anwaltskanzlei. Er verdiente dort ein Mehrfaches als im Staatsdienst, war jedoch todunglücklich. Er konnte es nicht ertragen, wenn er Leute verteidigen musste, die ein Verbrechen begangen hatten. «Er sagte ihnen: ‹Wenn das stimmt, was Sie mir sagen, dann gehören Sie ins Gefängnis›», erzählt ein ehemaliger Mitarbeiter gegenüber CNN (siehe Clip).
Mueller verzichtete auf viel Geld und kehrte in den Staatsdienst zurück. 2001 ernannte ihn George W. Bush zum Direktor des FBI. «Er führte das FBI durch eine der schwierigsten Perioden seiner Geschichte», schreibt die «Washington Post». «Er verwandelte die Organisation von einer Agentur, die vor allem auf einheimische Verbrechensbekämpfung spezialisiert war, in eine Agentur, die sich der Bekämpfung des internationalen Terrorismus zuwandte.» Dabei machte er seinen Job so gut, dass Barack Obama ihn in seinem Amt bestätigte, obwohl er ein Mitglied der republikanischen Partei ist.
Mueller gilt als klassischer Konservativer, aufrichtig, gerecht und absolut unbestechlich. Er hat seine Jugendfreundin geheiratet und mit ihr zwei Töchter gross gezogen. Über sein Privatleben spricht er nicht. Wenn sein Redenschreiber das Wort «Ich» verwendet, streicht er es heraus. «Es geht um die Organisation», sagt er.
Auch Donald Trump wuchs in einem sehr grossen Haus und in grossem Wohlstand auf. Er wurde vom Privatchauffeur zur Schule gefahren und wohnte in einem Haus mit 23 Zimmern in Queens, einem Teil von New York. Doch die Trumps waren keine WASP, sie waren neureiche Aufsteiger. Vater Fred Trump hatte sein Vermögen in der Baubranche gemacht und mühte sich nach wie vor täglich in dieser rauen Welt der Baustellen ab.
Donald Trump war ein wildes Kind, das immer wieder in Schwierigkeiten geriet. Eines Tages hatte der Vater die Schnauze voll und schickte den Junior in die New York Military Academy. Dort herrschte ein strenges Regime von Zucht und Ordnung. Trump junior fühlte sich trotzdem sauwohl. Er genoss es, wenn er seine jüngeren Kameraden herumkommandieren durfte. Später war er derjenige, der dafür sorgte, dass hübsche Mädchen auf Besuch kamen.
Trotz Militärakademie dachte Trump nicht im Traum daran, aktiven Dienst zu leisten. Eine angebliche Fussverletzung verhinderte, dass er nach Vietnam eingezogen wurde. Stattdessen schrieb er sich an der University of Pennsylvania ein. In der Freizeit half er im väterlichen Immobilienbusiness mit.
Eigentlich war Donald Trumps älterer Bruder Fred als Nachfolger des Vaters vorgesehen. Doch Fred entwickelte ein massives Alkoholproblem und starb früh. Trump hatte ihn verehrt und trinkt deshalb bis heute keinen Tropfen Alkohol.
Wie sein, Vater entwickelte sich Donald Trump zu einem harten und rücksichtslosen Immobilientycoon. Er verzettelte sich jedoch bald, gründete eine Menge anderer Geschäfte sie Casinos, Fluggesellschaften und Schönheitswettbewerbe.
Stets stellt Trump dabei sein Ego in den Vordergrund. Er ist der ultimative Narzisst, der auch sein Sexleben mit dem Radio-Talker Howard Stern in aller Öffentlichkeit zu erörtern pflegte. Seine Gattinnen wechselte er genauso wie seine politische Zugehörigkeit. Bevor er Republikaner wurde, hatte er sich zweimal bei den Demokraten eingeschrieben. Im Jahr 2000 spielte er mit dem Gedanken, als Unabhängiger für das Präsidentschaftsamt zu kandidieren.
Prinzipientreuer Konservativer gegen hemmungslosen Opportunisten; Kriegsheld gegen einen, der sich vom Wehrdienst gedrückt hat; absoluter Teamplayer gegen krankhaften Egomanen: Im Duell Mueller gegen Trump treffen zwei völlig gegensätzliche Welten aufeinander, obwohl beide der gleichen Generation – Mueller ist 73, Trump 71 Jahre alt –, und obwohl beide sehr reichen, weissen Familien entstammen.
Der Ausgang dieses Duells wird grosse Konsequenzen haben, ja er dürfte von historischer Bedeutung sein. Gewinnt Mueller, dann werden die Vereinigten Staaten ein liberaler Rechtsstaat bleiben. Setzt sich Trump durch, dann ist es wohl unaufhaltsam, dass die USA zu einem Mafiastaat degenerieren.