«China hat keine Angst vor einem Handelskrieg», erklärte Zhu Guangyao. Der stellvertretende Handelsminister Chinas reagierte mit diesem Statement auf die Drohung von Donald Trump, weitere Strafzölle in der Höhe von 100 Milliarden Dollar auf chinesische Importe zu erheben.
Chinas Präsident Xi Jinping reagiert in diesem «Wie-du-mir-so-ich-dir»-Gerangel cool wie ein abgezockter Pokerspieler, der genau weiss, dass er das bessere Blatt hat. Er denkt nicht im Traum daran, auf Trumps Bluff hineinzufallen, denn er hat einen Royal Flush in der Hand.
Xi ist der mächtigste Politiker Chinas seit Mao Zedong. Seit seinem Amtsantritt im Jahr 2012 hat er sämtliche Gegner aus dem Feld geschlagen. Kürzlich haben die Chinesen die Verfassung so geändert, dass Xi bis an sein Lebensende im Amt bleiben kann.
Die kommunistische Partei Chinas hat die Wirtschaft fest im Griff. «Sie könnte die Schmerzen eines Handelskrieges auf viele Schultern verteilen und gleichzeitig jahrelang Verluste der Staatsunternehmen verkraften», stellt die «New York Times» fest.
Vor zehn Jahren betrugen die Exportüberschüsse Chinas noch neun Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP), ein absurd hoher Wert. Der damalige chinesische Premierminister Wen Jiabao bezeichnete Chinas Wirtschaft deshalb als «instabil und unkoordiniert».
Heute ist China nicht mehr Exportweltmeister, der Überschuss in der Leistungsbilanz beträgt gerade mal noch 1,4 Prozent des BIP. Die Strafzölle haben daher viel von ihrem Schrecken verloren. «Wir sehen Anzeichen, dass die chinesische Wirtschaft weniger unausgewogen ist und mehr vom einheimischen Konsum lebt», stellt Martin Wolf in der «Financial Times» fest.
Softpower, die Attraktivität einer Kultur, wird in der Geopolitik des 21. Jahrhunderts immer wichtiger. Davon profitiert China. Das Reich der Mitte hat seine 200 Jahre dauernde Krise überwunden und kann wieder an den Glanz alter Tage anknüpfen.
Dazu kommt, dass sich die Chinesen mit ihrem Programm «One Road, One Belt» immer mehr Freunde rund um den Globus schaffen, vor allem in den Entwicklungs- und Schwellenländern. Es stellt günstige Kredite zur Verfügung und baut Strassen und Eisenbahnen.
Für die Industriestaaten ist China nicht nur ein bedeutender Kunde geworden, sondern auch ein wichtiger Investor. Gleichzeitig sind es ausgerechnet die Kommunisten, die immer mehr zu den Verfechtern des freien Handels werden.
Ganz anders sieht es auf den anderen Seite des Pazifiks aus. Donald Trumps Wirtschafts- und Handelspolitik ist von Angst und Ignoranz getrieben. Er wechselt fast täglich seine Positionen und hat einen zerstrittenen Beraterstab. Kurz: Er hat ein lausiges Blatt und muss bluffen.
Der Personalverschleiss im West Wing, dem Flügel, in dem der Stab des Präsidenten arbeitet, ist gewaltig. Jede Woche treten wichtige Vertreter zurück oder sie werden gefeuert. Die Zurückgeblieben sind verängstigt, verunsichert und untereinander zerstritten.
Das gilt auch für die Handelspolitik. Zwar sind viele der sogenannten Globalisten inzwischen weg, vor allem Wirtschaftsberater Gary Cohn und Aussenminister Rex Tillerson. Doch der Streit geht weiter. So soll Finanzminister Steven Mnuchin alles andere als erfreut sein über Trumps Strafzoll-Pläne. Mit zerstrittenen Partnern in den Krieg zu ziehen, ist selten eine gute Idee.
Trumps Äusserungen zu möglichen Strafzöllen haben zu hektischen Kursausschlägen an den Finanzmärkten geführt. «Meint der Präsident es ernst oder nicht?», lautet derzeit die Gretchenfrage der Investoren. Die gefühlte Antwort auf diese Frage lässt die Kurse in die Tiefe sausen oder in die Höhe schiessen.
Das Börsentheater kann Trump zumindest vorübergehend kalt lassen. Die wahre Gefahr droht von der realen Wirtschaft, konkret von den Bauern. Diese sind von den Retourkutschen der Chinesen besonders betroffen – und sie reagieren sauer.
Senator Ben Sasse, ein Republikaner und Trump-Anhänger aus dem Bundesstaat Nebraska, ist empört. «Selbst wenn der Präsident es nur halbernst meint, ist es Blödsinn», kommentiert der die Strafzoll-Absichten. «Es ist die dümmst mögliche Art, die Chinesen zu bestrafen.»
Sollte Trump den Handelskrieg weiter eskalieren, riskiert er, die bisherige Unterstützung auf dem Land zu verlieren.
Mit den Strafzöllen will Trump erklärtermassen China treffen, er fügt jedoch vor allem den Alliierten der USA Schaden zu. Mit dem Verzicht auf den Freihandelsvertrag TPP hat er zur Freude Chinas die Verbündeten in Asien verärgert. Japan, Australien & Co. wollen das Abkommen nun ohne die Amerikaner durchziehen.
Selbst die besten Freunde bekommen ihr Fett ab. Das Hickhack um den Freihandelsvertrag Nafta hat dazu geführt, dass der Haussegen zwischen den USA und Kanada mehr als schief hängt, von Mexiko gar nicht zu sprechen. Seit Trump Strafzölle auf Stahl und Aluminium verhängt und Strafzölle auf Autos angedroht hat, ist auch das Klima zwischen Berlin und Washington mehr als frostig geworden.
Handelskriege seien locker zu gewinnen, hat Trump vor kurzem getweetet. Ein fataler Irrtum. Dabei hätten die USA tatsächlich gute Gründe, gegen China vorzugehen. Patentschutz und Gegenseitigkeit werden in Peking mit den Füssen getreten. Mit seinem chaotischen Vorgehen spielt Trump jedoch Xi direkt in die Karten.