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Wenn das Internet zum Buschtelefon mutiert, wird aus einem Neuwagen-Depot ganz schnell mal ein «Autofriedhof»

Geschichten falsch weitererzählt

Wenn das Internet zum Buschtelefon mutiert, wird aus einem Neuwagen-Depot ganz schnell mal ein «Autofriedhof»

Aktuell kursieren im Internet Bilder von riesigen Flächen, die mit Neuwagen zugestellt sind. Der Titel zu den Bildern lautet: «Wo unverkaufte Autos zum Sterben hingehen.» Doch die Bilder sind alles andere als neu – und die Geschichte dahinter ist leicht verdreht.
19.05.2014, 19:4123.06.2014, 17:38
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Manchmal geht es im Internet zu und her wie beim «Buschtelefon»: Jemand veröffentlicht eine Reihe von Fotos und schreibt einen kleinen Text dazu. Der nächste greift die Bilder auf, erzählt die Geschichte nach und erfindet einen kleinen Teil dazu. Das wiederholt sich nun ein paar Mal. Ganz am Ende der Kette – und manchmal viele Jahre später – sind die Bilder noch immer dieselben – bloss der Text ist ein völlig anderer geworden.

Genau das geschieht gerade mit Bildern, auf denen Unmengen von Autos zu sehen sind, die irgendwo auf der Welt in beeindruckenden Formationen parkiert sind. Um genau zu sein, handelt es sich dabei um abgestellte Neuwagen.

Bild
Bild: Zero Hedge

Zu finden sind diese Bilder auf einer Homepage namens Zero Hedge. Der Autor der Geschichte, Tyler Durden, bezieht sich auf einen gewissen Vincent Lewis – dessen Homepage ist allerdings momentan nicht erreichbar. Aus diesem Grund wollen wir uns hier auf das beziehen, was Tyler Durden schreibt.

Und das will man uns in der Geschichte weismachen: Überall auf der Welt gibt es unzählige Plätze, auf denen Autos abgestellt werden, die vom Händler nicht verkauft werden. Und sie stehen nicht bloss da – sie werden irgendwann einfach verschrottet.

Auf diese Idee kommt der Autor aus dem folgenden Grund: Ein Grossteil der Bilder zeigt Aufnahmen, die via Google Maps erstellt wurden. In seinem Artikel erklärt der Autor, er habe die Orte selber via Google Maps nochmals aufgerufen und auf einmal seien von einem dieser Standorte alle Autos verschwunden. 

Er schliesst daraus, dass sie verschrottet wurden und aus dem Material nun neue Autos gemacht würden, die am Ende wieder auf dem Autofriedhof landeten.

Durdens Geschichte wird von zahlreichen Internetportalen aufgegriffen und weiterverbreitet: Auf Imgur beispielsweise findet man die Bilder unter dem Titel «Unsold cars graveyards» («Friedhöfe für nichtverkaufte Autos»).

Auf Tumblr machen die Bilder momentan ebenfalls die Runde und auch einige kleine internationalen Newsportale sowie einige deutschsprachige Portale greifen die Geschichte auf. 

Zurück zum Ursprung

Durchforstet man das Internet nach weiteren Details zu diesem Thema, so landet man irgendwann auf einem Blogeintrag von einem gewissen Matt Hardigree. Dieser regt sich ganz fürchterlich über die Geschichte der Autofriedhöfe auf und erklärt ganz detailliert, wieso:

Er selber hat schon mal einen Artikel verfasst, für den er die Bilder verwendet hat. Das ist allerdings schon über fünf Jahre her. Die Bilder stammen also in Wahrheit aus dem Jahr 2009. Hardigree erklärt ausserdem, er selber habe damals Bezug auf einen Artikel von The Guardian genommen.

Im Jahr 2009 befand sich die Autoindustrie in einer kritischen Lage. Damals hatten Autohändler tatsächlich mit Verkaufsproblemen zu kämpfen, weshalb die Lagerflächen für Neuwagen stark überfüllt waren. 

Doch nirgendwo geht daraus hervor, dass die dort stehenden Autos demnächst allesamt verschrottet würden. Eigentlich geht es nur darum, zu zeigen, wie kreativ die Autohändler beim Lagern der Fahrzeuge sind und welch interessante Bilder dabei entstehen.

Hardigree macht darauf aufmerksam, dass in dem aktuell kursierenden Artikel also einerseits tatsächlich veraltete Bilder verwendet wurden und dass der Autor ausserdem das System von Google Maps nicht verstanden habe: Wenn dieser sich nämlich auf vermeintlich aktuelle Aufnahmen von dort beziehe, müsste ihm klar sein, dass auch bei einem aktuellen Aufruf von Google Maps die Bilder bis zu drei Jahre alt sein können.

Weitere Kritiker

Auf der Homepage The Truth about Cars zeigt man sich ähnlich kritisch gegenüber dem, was da gerade im Internet die Runde macht. Vor allem amüsiert man sich hier darüber, dass der Autor davon ausgeht, dass «auf einmal» alle Autos von einem der grossen Plätze verschwunden seien. Aufgrund der Tatsache, dass die originalen Aufnahmen über fünf Jahre alt waren, könne man doch davon ausgehen, dass die Autos in der Zwischenzeit verkauft wurden.

Schliesslich weist man darauf hin, dass nicht alle gezeigten Fotos veraltet seien. Auf einigen sei ein Fahrzeug-Depot in der Nähe des Hafens von Sheerness zu sehen. Dabei handele es sich um einen der wichtigsten Häfen für den Autoimport in das Vereinigte Königreich. Entsprechend normal sei es wohl, an einem solchen Ort grössere Mengen von Autos zu finden.

Zurücklehnen und geniessen

Und obwohl die Geschichte hier zu Ende ist, wollen wir Ihnen die restlichen Bilder nicht vorenthalten. Denn auch wenn es sich nicht um riesige Autofriedhöfe handelt, so sind die Aufnahmen dennoch beeindruckend.

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