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Bei der Credit Suisse bröckelt das Kundenvertrauen – Blocher fordert Köpferollen 

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Bank in Nöten

Bei der Credit Suisse bröckelt das Kundenvertrauen – Blocher fordert Köpferollen 

Die Lage bei der CS spitzt sich zu. Übers Wochenende verhandelt die Bank mit den USA über eine Abschwächung des Schuldeingeständnisses.
18.05.2014, 10:3518.05.2014, 15:13
Henry Habegger, Patrik Müller und Beat Schmid / Schweiz am Sonntag
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Ein Artikel von Schweiz am Sonntag
Schweiz am Sonntag

Mitarbeiter der Credit Suisse erlebten diese Woche einen überraschenden Besuch von Brady Dougan. Er sei emotionaler und offener als sonst gewesen und habe Fragen der Belegschaft beantwortet, sagt ein CS-Mitarbeiter. Seine Hauptbotschaft: «Wir habe alles getan, was wir tun konnten.» Der CS-Konzernchef habe selbstkritische Worte gewählt und resigniert gewirkt. Vielleicht hat sich Dougan bereits damit abgefunden, nicht mehr lange Chef der CS zu sein.

Wie die «Schweiz am Sonntag» gestern aus der obersten CS-Führung erfahren hat, wird im Verwaltungsrat der Bank derzeit über personelle Konsequenzen gesprochen. Bereits vor zwei bis drei Jahren sei über Dougans Rücktritt gesprochen worden, sagt der Insider. Jetzt könnte der Amerikaner bereits einen Tag nach der Unterzeichnung des Schuldeingeständnisses zurücktreten. Es sei aber auch möglich, dass Dougan noch länger im Amt bleibe. Ein Revirement an der Spitze würde indes nicht auf Druck der Amerikaner erfolgen, sondern wäre der Entscheid der Bank. «Die Amerikaner fordern keinen Kopf», so der CS-Exponent.

In der Kritik: Konzernchef Brady Dougan und VR-Präsident Urs Rohner. 
In der Kritik: Konzernchef Brady Dougan und VR-Präsident Urs Rohner. Bild: KEYSTONE

Die Bankleitung tut derzeit alles, um eine Anklage in den USA zu verhindern. Im Moment werde noch verhandelt. «Eine definitive Einigung könne jederzeit vorliegen.» Dann müsse schnell gehandelt werden. «Wenn man sich zu lange wehrt, und es zu einer Anklage kommt, ist die Bank tot, noch bevor man zum Richter geht.»

Insider spricht von Geldabfluss in Milliardenhöhe

Je länger die Bank die Einigung hinauszögert und weiterverhandelt, desto grösser wird der Schaden für die Bank. «Das Schlimmste wäre jetzt, wenn die CS das Vertrauen der Kunden verlieren würde, leider ist das gegenwärtig schon ein wenig der Fall. Das macht mir Sorge», sagt der Insider. Tatsächlich scheint die Bank mit Geldabflüssen zu kämpfen. Grosskunden wie institutionelle Anleger haben ihre Cash-Positionen zurückgefahren oder ganz abgezogen. Ein Mitarbeiter spricht von mehreren Milliarden, die abgeflossen seien.

«Die Amerikaner sagen: Ihr zahlt, und ihr müsst euch schuldig erklären. Wenn sich eine Bank schuldig erklärt, ist natürlich das oberste Management getroffen.»
SVP-Vordenker Christoph Blocher

Für SVP-Vordenker Christoph Blocher geht es nicht ohne die Rücktritte von Konzernchef Brady Dougan und Verwaltungsratspräsident Urs Rohner. «Die Amerikaner sagen: Ihr zahlt, und ihr müsst euch schuldig erklären. Wenn sich eine Bank schuldig erklärt, ist natürlich das oberste Management getroffen.» Mit einem Schuldbekenntnis können sie die Bank retten. «Dann kommen sie halt dran – dafür haben sie auch so hohe Löhne.» Ginge es um eine Industriegesellschaft, müsste wohl nur der CEO gehen, sagt Blocher, der einst Verwaltungsrat der UBS-Vorgängerin Bankgesellschaft war: «Aber bei den Banken spielt der Verwaltungsratspräsident eine sehr wichtige Rolle mit klaren Pflichten. Da kommen beide dran.»

Blocher plädiert für eine «hohe Verantwortung»: «Das heisst, selber untergehen, damit die Bank nicht untergeht.» Manchmal sei es nötig, als Verantwortungsträger auch in Kauf zu nehmen, persönlich bestraft zu werden, wenn es um ein höheres Gut gehe. Es sei «beschämend», dass es offenbar den CS-Chefs vor allem darum gehe, ihre eigene Haut zu retten. Als Vorbild nennt Blocher Ex-UBS-Chef Oswald Grübel, der 2011 die Verantwor tung für den Fall Adoboli übernahm und zurücktrat, obwohl er nichts vom Treiben des Investmentbankers in London wusste. «Dass ein Chef etwas nicht weiss, kann keine Entschuldigung sein», sagt Blocher, «denn auch für die Folgen des Nichtwissens trägt man die Verantwortung.»

Ex-UBS-Chef Oswald Grübel.
Ex-UBS-Chef Oswald Grübel.Bild: KEYSTONE

Überhaupt sei es der UBS gelungen, nach der schweren Krise 2008/2009 einen Neuanfang zu machen mit neuen Köpfen: «Da wurde ausgemistet.» Bei der CS aber würden die obersten Verantwortungsträger «den Kopf nie rausstrecken», und der langjährige CS-Verwaltungsrat und -Präsident Walter Kielholz habe sich immer aus der Verantwortung stehlen können. Dass die Politik der CS hilft, hält Blocher für unnötig: «Staatshilfe wäre nur dann notwendig, wenn die USA widerrechtlich eine Schweizer Bank anklagen würden.»

Bundesrat will keine Banker mehr retten

Der Bundesrat um Finanzministerin Eveline Widmer-Schlumpf hat am Freitag an den traditionellen Von-Wattenwyl-Gesprächen die Parteispitzen über die Situation um die CS informiert. Der Deal sei für nächste Woche geplant, hiess es danach. Die CS werde per Schuldeingeständnis (Guilty plea) zugeben, dass sie US-Kunden half, den Fiskus zu betrügen. Schlussverhandlungen um Formulierungen, Details, Inhalte und Unterzeichner des Schuldeingeständnisses seien noch am Laufen. Für den Bund sei die Angelegenheit CS erledigt, hiess es. Es werde aus jetziger Sicht weder zu Notrecht noch zu Staatshilfe kommen. Die Lage sei unter Kontrolle.

Lage unter Kontrolle: Von Wattenwyl Gespräche mit Bundesrätin Sommaruga und Widmer-Schlumpf und Bundesrat Burkhalter.
Lage unter Kontrolle: Von Wattenwyl Gespräche mit Bundesrätin Sommaruga und Widmer-Schlumpf und Bundesrat Burkhalter.Bild: Reuters

Der Bundesrat betonte, dass die US-Justiz zuletzt keine Kundendatenlieferung per Notrecht forderte. «Die USA verlangten kein Notrecht», heisst es. Auch Berichte, wonach Widmer-Schlumpf den USA angeboten habe, das in den USA blockierte Doppelbesteuerungsabkommen einseitig in Kraft zu setzen, um beschleunigt Kundendaten zu liefern, seien falsch.

In diversen Departementen in Bern hört man, die Bankspitze um Urs Rohner hätte Notrecht gerne gehabt und auch beim Bundesrat darum gebeten. Offenbar im verzweifelten Bemühen, den Staat zu involvieren und so den eigenen Kopf zu retten. Aber der Bundesrat, auch das wurde in den letzten Wochen über alle Departemente hinweg klar, mag keine Banker mehr retten. Das oberste Interesse der Landesregierung war, die CS und deren Arbeitsplätze zu retten. Darum setzte sie alles daran, dass die Bank ihre US-Lizenz nicht verliert.

Zunehmend wird auch wieder über die anderen 13 Schweizer Banken gesprochen, gegen die ebenfalls ein US-Strafverfahren läuft. Unter ihnen die Basler und die Zürcher Kantonalbank, die amerikanische Kunden betreut hatten. Ob die USA von weiteren Banken dieser Gruppe 1 Schuldeingeständnisse wollen, gilt als offen, wie die Teilnehmer an den Parteiengesprächen mit dem Bundesrat erfuhren.

Das Gebäude der Credit Suisse an der Madison Avenue in New York
Das Gebäude der Credit Suisse an der Madison Avenue in New YorkBild: MARTIN RUETSCHI

Denkbar sei, hiess es, dass es zwei bis drei weitere Banken treffe. Dies dann, wenn sie sich vergleichbar vorsätzlich schuldhaft verhalten haben wie die CS. Andere Quellen gehen davon aus, dass es nur die CS so hart trifft. Was heissen würde, dass die anderen Gruppe-1-Banken ein Deferred Prosecution Agreements (DPA) abschliessen können – so wie damals die UBS.

Ist der Fall CS abgeschlossen, werden sich die USA den Banken der Gruppe 2 und 3 im US-Programm annehmen. Dort wird nicht mit weiteren negativen Überraschungen gerechnet. Die Bussen, die sie zu zahlen haben, richten sich nach einem festgelegten Tarif. Erst in zweiter Priorität werden die übrigen Gruppe-1-Banken abgehandelt.

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